Liebe Mathilda,
heute
kam Flo wie erwartet später auf die Arbeit, mit zerzaustem Haar. Ich kenne ihn ja
mittlerweile ein bisschen, so dass ich mich frage, was ihm passiert ist,
dass er so zerwühlt aussieht. Was ist es, das ihn im Innersten bewegt?
Was könnte in seinem attraktiven Kopf so vorgehen?
Offensichtlich ist, dass er sehr harmonieliebend ist und versucht die Menschen mit ihrer Seele zu sehen. Er kann sich auf der Arbeit schon gut behaupten, setzt freundlich aber bestimmt Grenzen. Er ist ein Mann und sich dessen bewusst. Er flirtet gerne. Vielleicht wäre er gerne etwas "spannender" und etwas „böse“, aber im Grunde seines Herzens ist er einfach ein sehr liebenswerter Mensch. Ein bisschen Narzissmus ist sicherlich auch dabei. Im Privatleben ist er sicherlich um einiges unorganisierter. Ich glaube, dass seine Frau viel mit der Alltagsorganisation zu tun hat und ihm den Rücken frei hält. Und trotzdem ist er im Berufsleben sehr kontrolliert, lässt kaum etwas von seinem Innenleben durchblicken, wenn es sich nicht mal zufällig entblättert. Im Grunde hat er auch die gleichen Selbstwertprobleme wie alle. Ich merke schon, dass ich tatsächlich versuche meine Therapeutenkenntnisse auf ihn anzuwenden, um ihn besser zu verstehen. Ich habe mich dagegen immer gewehrt, dies bei jeglichen Freunden, Bekannten, Familienangehörigen zu tun. Doch der Durst, ihn zu verstehen, seine Haltung mir gegenüber zu ergründen ist so groß, dass er ein weiteres meiner Prinzipien zu Fall bringt. Er hat das selbst durch seine Fragen an mich, durch seine Flirterei angestachelt. Und nun muss er damit leben, dass ich versuche ihn zu verstehen. Klingt fast so als könnte er auch etwas Angst vor dem Treffen haben. Wenn ich mir vorstelle wie es mir gehen würde, wenn ich in seiner Situation wäre. Bis vor einem dreiviertel Jahr hätte ich so etwas völlig abgeblockt. Es wäre nicht in meinem Denken gewesen, dass ich mich (und sei es zu einer Aussprache) mit einem anderen Mann getroffen hätte. Noch dazu, wenn ich gewusst hätte, dass derjenige sich in mich verliebt hätte. Ich glaube ich hätte es ziemlich hart abgeblockt, wenn ich das nicht gewollt hätte. Ist die Frage, blockt er es nicht ab, weil er einfach anders ist als ich oder weil der tatsächlich etwas für mich empfindet. Dass ich ihm auf irgendeine Art nicht egal oder sogar ein bisschen wichtig bin, glaube ich schon. Was wäre nun, wenn ich so ein Treffen zugesagt hätte. Wahrscheinlich würde ich zu Hause mit offenen Karten spielen und sagen, dass ich da einen Kollegen bei einem Problem unterstützen müsse oder sogar ganz die Wahrheit sagen. Und dann würde ich mir überlegen wie ich es sanft, aber sehr bestimmt abblocken könnte. Und das ist es, was sich Flo wahrscheinlich in diesen Tagen überlegt. Wie kann er mir unmissverständlich klarmachen, dass es nicht geht? Ich glaube ich wäre äußerst vorsichtig mit auch nur den kleinsten Zugeständnissen in Richtung Zuneigung. Ich weiß, wenn er nur das kleinste bisschen davon zu geben würde, würde ich nicht mehr locker lassen. Dessen ist er sich sicherlich bewusst. Was könnte er also sagen? Vielleicht, dass es ihm sehr leid tut wie es schon einmal getan hat. Das muss es nicht. Das alles hat mich viel weiter gebracht. Und ich bin so froh, dass ich diese Gefühlsüberwallung erleben durfte. Vielleicht würde er sagen, dass er sich geschmeichelt fühlt. Vielleicht könnte er auch sagen, wenn er in einer anderen Lebenssituation wäre, wäre das anders. Nein, ich glaube darauf würde er sich nicht einlassen. Das böte zu viel Angriffsfläche. Vielleicht würde er sagen, dass er überhaupt nicht der Typ für Affären sei. Er da seine Prinzipien hätte usw. Er das seiner Frau nicht antun würde und er seine Familie nicht aufs Spiel setzen würde. Ich könnte ihn dann fragen, ob er denn meine, dass ich der Typ für Affären sei. Und dass ja niemand davon erfahren müsse. Ich könnte ihn fragen wie viele Leute, die mich kennen, erwarten würden, dass ich eine Affäre hätte. Er könnte auch sagen, er wolle das nicht, er kann das nicht, er möchte das nicht, wobei „wollen“ dabei die schlimmste Abfuhr für mich wäre. Das wäre sein tiefstes Inneres, sein Willen. Keine äußeren Gegebenheiten oder sonst etwas, was ihn an der Ausführung hindert, sondern ausschließlich sein Willen. Oder wenn er sagt, er empfindet nicht so. Ja, wenn er wirklich nicht so empfindet, gerate ich ins Wanken. Kann ich mich so täuschen? Ich merke, dass es zwischen uns eine Spannung, eine Wellenlänge, eine Chemie gibt. Ich könnte sagen „Wenn du wirklich nicht so empfindest, dann kannst du dich wahnsinnig gut verstellen." Ich merke doch wie er sich manchmal regelrecht zusammenreist, um mir nicht zu nahe zu treten oder mir keine zweideutigen Signale zu senden. Mich würde wirklich interessieren, ob ihn das gedanklich beschäftigt.
Wenn ich ihm nur all das sagen kann, was ich mir vorgenommen habe, bevor er den Raum verlässt, wird das Treffen ein Erfolg. Und, er muss ja gar nichts dazu sagen (das wäre mir wohl am liebsten). Es genügt, wenn er sich die Möglichkeit lässt, es setzen zu lassen. Dann könnten wir schauen wie wir auf der Arbeit mit dieser Wahrheit im Hinterkopf umgehen.
Alles ist möglich, lass es uns leben.
Liebe Grüße,
Eva
Offensichtlich ist, dass er sehr harmonieliebend ist und versucht die Menschen mit ihrer Seele zu sehen. Er kann sich auf der Arbeit schon gut behaupten, setzt freundlich aber bestimmt Grenzen. Er ist ein Mann und sich dessen bewusst. Er flirtet gerne. Vielleicht wäre er gerne etwas "spannender" und etwas „böse“, aber im Grunde seines Herzens ist er einfach ein sehr liebenswerter Mensch. Ein bisschen Narzissmus ist sicherlich auch dabei. Im Privatleben ist er sicherlich um einiges unorganisierter. Ich glaube, dass seine Frau viel mit der Alltagsorganisation zu tun hat und ihm den Rücken frei hält. Und trotzdem ist er im Berufsleben sehr kontrolliert, lässt kaum etwas von seinem Innenleben durchblicken, wenn es sich nicht mal zufällig entblättert. Im Grunde hat er auch die gleichen Selbstwertprobleme wie alle. Ich merke schon, dass ich tatsächlich versuche meine Therapeutenkenntnisse auf ihn anzuwenden, um ihn besser zu verstehen. Ich habe mich dagegen immer gewehrt, dies bei jeglichen Freunden, Bekannten, Familienangehörigen zu tun. Doch der Durst, ihn zu verstehen, seine Haltung mir gegenüber zu ergründen ist so groß, dass er ein weiteres meiner Prinzipien zu Fall bringt. Er hat das selbst durch seine Fragen an mich, durch seine Flirterei angestachelt. Und nun muss er damit leben, dass ich versuche ihn zu verstehen. Klingt fast so als könnte er auch etwas Angst vor dem Treffen haben. Wenn ich mir vorstelle wie es mir gehen würde, wenn ich in seiner Situation wäre. Bis vor einem dreiviertel Jahr hätte ich so etwas völlig abgeblockt. Es wäre nicht in meinem Denken gewesen, dass ich mich (und sei es zu einer Aussprache) mit einem anderen Mann getroffen hätte. Noch dazu, wenn ich gewusst hätte, dass derjenige sich in mich verliebt hätte. Ich glaube ich hätte es ziemlich hart abgeblockt, wenn ich das nicht gewollt hätte. Ist die Frage, blockt er es nicht ab, weil er einfach anders ist als ich oder weil der tatsächlich etwas für mich empfindet. Dass ich ihm auf irgendeine Art nicht egal oder sogar ein bisschen wichtig bin, glaube ich schon. Was wäre nun, wenn ich so ein Treffen zugesagt hätte. Wahrscheinlich würde ich zu Hause mit offenen Karten spielen und sagen, dass ich da einen Kollegen bei einem Problem unterstützen müsse oder sogar ganz die Wahrheit sagen. Und dann würde ich mir überlegen wie ich es sanft, aber sehr bestimmt abblocken könnte. Und das ist es, was sich Flo wahrscheinlich in diesen Tagen überlegt. Wie kann er mir unmissverständlich klarmachen, dass es nicht geht? Ich glaube ich wäre äußerst vorsichtig mit auch nur den kleinsten Zugeständnissen in Richtung Zuneigung. Ich weiß, wenn er nur das kleinste bisschen davon zu geben würde, würde ich nicht mehr locker lassen. Dessen ist er sich sicherlich bewusst. Was könnte er also sagen? Vielleicht, dass es ihm sehr leid tut wie es schon einmal getan hat. Das muss es nicht. Das alles hat mich viel weiter gebracht. Und ich bin so froh, dass ich diese Gefühlsüberwallung erleben durfte. Vielleicht würde er sagen, dass er sich geschmeichelt fühlt. Vielleicht könnte er auch sagen, wenn er in einer anderen Lebenssituation wäre, wäre das anders. Nein, ich glaube darauf würde er sich nicht einlassen. Das böte zu viel Angriffsfläche. Vielleicht würde er sagen, dass er überhaupt nicht der Typ für Affären sei. Er da seine Prinzipien hätte usw. Er das seiner Frau nicht antun würde und er seine Familie nicht aufs Spiel setzen würde. Ich könnte ihn dann fragen, ob er denn meine, dass ich der Typ für Affären sei. Und dass ja niemand davon erfahren müsse. Ich könnte ihn fragen wie viele Leute, die mich kennen, erwarten würden, dass ich eine Affäre hätte. Er könnte auch sagen, er wolle das nicht, er kann das nicht, er möchte das nicht, wobei „wollen“ dabei die schlimmste Abfuhr für mich wäre. Das wäre sein tiefstes Inneres, sein Willen. Keine äußeren Gegebenheiten oder sonst etwas, was ihn an der Ausführung hindert, sondern ausschließlich sein Willen. Oder wenn er sagt, er empfindet nicht so. Ja, wenn er wirklich nicht so empfindet, gerate ich ins Wanken. Kann ich mich so täuschen? Ich merke, dass es zwischen uns eine Spannung, eine Wellenlänge, eine Chemie gibt. Ich könnte sagen „Wenn du wirklich nicht so empfindest, dann kannst du dich wahnsinnig gut verstellen." Ich merke doch wie er sich manchmal regelrecht zusammenreist, um mir nicht zu nahe zu treten oder mir keine zweideutigen Signale zu senden. Mich würde wirklich interessieren, ob ihn das gedanklich beschäftigt.
"Auf den ersten Blick sieht man nicht
dass er, genau wie Du und ich, noch nicht angekommen ist
und dass er eigentlich nur den Weg nach Hause sucht."
dass er, genau wie Du und ich, noch nicht angekommen ist
und dass er eigentlich nur den Weg nach Hause sucht."
Tim Bendzko
Wenn ich ihm nur all das sagen kann, was ich mir vorgenommen habe, bevor er den Raum verlässt, wird das Treffen ein Erfolg. Und, er muss ja gar nichts dazu sagen (das wäre mir wohl am liebsten). Es genügt, wenn er sich die Möglichkeit lässt, es setzen zu lassen. Dann könnten wir schauen wie wir auf der Arbeit mit dieser Wahrheit im Hinterkopf umgehen.
Alles ist möglich, lass es uns leben.
Liebe Grüße,
Eva
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