Liebe Mathilda,
stell Dir vor, ich fahre heute auf die Arbeit und bekomme während der Autofahrt ein Flimmerskotom (= eine Art Sehstörung, die als Vorbotin zur Migräne auftaucht und mich zuletzt vor gefühlten 10 Jahren heimsuchte). Natürlich frage ich mich, warum mir das jetzt passiert, wo ich doch gerade eine Entscheidung getroffen habe wie es weitergehen soll. Vielleicht so ein Entspannungseffekt nach der Entscheidung wie bei den Leuten, die am arbeitsfreien Wochenende ihre Kopfschmerzen bekommen. So eine Sehstörung beim Fahren ist natürlich echt schlecht, aber stehen bleiben konnte ich auch nicht. So schaffte ich den Hinweg und war dann damit beschäftigt, mich soweit zu kurieren, dass ich den Heimweg antreten konnte. Hier habe ich jetzt 3 Stunden geschlafen und fühl mich wie auf Eiern laufend, aber schon etwas besser.
Boah, und an Flo bin ich in meinem leidenden Zustand heute immer knapp vorbeigeschrammt. Klar hatte ich so Retterfantasien im Kopf (er fährt mich und meine Migräne nach Hause, weil er es nicht verantworten kann, dass ich selber fahre und ich umarm ihn ganz fest und innig dafür...und er umarmt natürlich mit...). Ein schöner Tagtraum, den ich während meines Schlafes noch ausschmücken konnte. Aber frei nach Andreas Bourani ist das "alles nur in meinem Kopf" - sowohl die Migräne als auch Flo. Und die Migräne ist bisher noch jedes Mal vorbeigegangen. Ok, so bringt mich selbst die Widrigkeit eines Kopfschmerzes zu tieferen Einsichten.
"Und das ist alles nur in meinem Kopf.
Ich wär' gern länger dort geblieben,
doch die Gedanken kommen und fliegen.
Alles nur in meinem Kopf
Und das ist alles nur in meinem Kopf.
Du bist wie ich, ich bin wie du
Wir alle sind aus Fantasie
Wir sind aus Staub und Fantasie
Wir sind aus Staub und Fantasie"
Ich wär' gern länger dort geblieben,
doch die Gedanken kommen und fliegen.
Alles nur in meinem Kopf
Und das ist alles nur in meinem Kopf.
Du bist wie ich, ich bin wie du
Wir alle sind aus Fantasie
Wir sind aus Staub und Fantasie
Wir sind aus Staub und Fantasie"
Nur in meinem Kopf - Anderas Bourani
Und wie ich hier so liege, fällt mir auf, dass mein Leben zurzeit schon sehr auf Flo ausgerichtet ist. Es geht mir oft darum, gut auszusehen. Ich war noch nie so gepflegt wie zu dieser Zeit, habe immer gestylte Haare, gezupfte Augenbrauen usw. Vielleicht ist das auch eine Auswirkung des Alters? Dass man tendenziell immer mehr Zeit darauf verwendet, so auszusehen wie man aussieht. Irgendwann braucht man immer mehr Zeit für ein zufriedenstellendes Ergebnis und irgendwann reicht wahrscheinlich alle Zeit der Welt für ein zufriedenstellendes Ergebnis nicht mehr aus. Dann heißt es Akzeptieren. Bei mir spielt noch die Komponente, vor Flo gut und attraktiv auszusehen eine erhebliche Rolle. Sei es, um ihn zu locken oder sei es, um ihm zu zeigen, was er verpasst. Eines kann ich jedoch sagen: Ich fühlte mich noch nie so im Leben stehend, so attraktiv und erfolgreich wie jetzt. Beruflich wachse ich fast über mich hinaus. Ich bin nicht mehr das kleine, schüchterne Mädchen. Ich bin eine selbstbewusste, attraktive, strahlende Frau. Manchmal denke ich, dass mir die Begegnung mit Flo einen richtigen Kick im Leben gegeben hat, denn gänzlich abgeneigt von mir schien er ja nie gewesen zu sein. Das schmeichelt schon erheblich, macht aber auch Hunger auf mehr. Ich verbringe (zu) viel Zeit damit, mir zu überlegen, was ich anziehe, um äußerlich möglichst attraktiv zu sein. Und wahrscheinlich ist es überhaupt nicht das, was ihn an mir interessiert. Ich kaufe (zu) viele Klamotten und vernachlässige meine Wohnung. Es ist nicht so, dass sie verdreckt, aber früher hätte mich der jetzige Zustand gestört. Naja, Dreck, den man nicht sieht, ist sauber. Ich bin zufrieden, wenn ich schreibe, auf der Suche nach neuer Musik bin, lese und wieder schreibe. Ach ja, und laufen tue ich noch, aber meine Hauptmotivation dabei ist der Staffellauf Ende Mai. Zusammen mit keinem Geringeren als Flo. In der restlichen Zeit lese ich spannende Bücher, in denen ich nach Antworten auf mein Flo-Problem suche: "Wohin gehe ich mit wem?" und was sind die wirklich wichtigen Dinge, die jeder kennen sollte bevor er stirbt? Ich vernachlässige auch mein soziales Leben. Das hört sich alles sehr auf ihn eingeengt und einfach nicht gesund an. Ich sollte mich wenigsten ansatzweise auch mit anderen Dingen beschäftigen. Wie lang mag das noch dauern? Oder besser wie lange halte ich es durch, das so aufrechtzuerhalten? Wenn ich eines Morgens aufstehe und ich damit zufrieden bin, dass eine Haarsträhne ganz unkontrolliert so liegt wie sie liegt, werde ich wissen, dass ich über Flo hinweg bin. Solange ich mich morgens vor dem Spiegel frage: Was wird er wohl denken, wenn er mich so sieht? bin ich noch nicht übern Berg.
Wozu eine Migräne und ein Flo im Kopf so führen können... Ich bin stolz auf mich und frage mich echt, wo diese Erkenntnisse herkommen. So als seien diese Einsichten jetzt einfach dran.
Einsichtige Grüße,
Eva
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