Donnerstag, 28. März 2013

Was kann ich von meinen Klienten lernen?

Liebe Mathilda,

vier Wochen ist heute her. Und so wird der Gründonnerstag ein besinnlicher Tag, an dem sich Innehalten und Überlegen lohnen. Heute machten mir zwei Klientenkontakte und fast keine Flo-Kontakte zu schaffen. Und so wird das heute ein Brief aus der Kategorie: Was kann ich von meinen Klienten lernen?

Eine Klientin, die seit 1998 in dem Wissen lebte, dass sie nicht schwanger werden könne, hatte sich in ihrem Leben und ihrer ungewollten Kinderlosigkeit eingerichtet. Es war nicht leicht, aber so war es nun mal. Und so lebte sie damit. Dann wurde sie 2003 unerwartet schwanger. Gegen alle Regeln. Und verlor das Kind. 2012 nochmals eine Schwangerschaft und leider wieder eine Fehlgeburt. Was mich beeindruckte war, dass die Klientin und ihr Partner nun beschlossen hatten, zu verhüten, um die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches zu verhindern. Eine nochmalige Enttäuschung durch eine weitere Fehlgeburt sei schmerzhafter als die endgültige Kinderlosigkeit. Will heißen: Wenn man etwas so sehr möchte,  sich so sehr danach sehnt, ist die Unerfüllbarkeit leichter auszuhalten, wenn der Grund eine unverrückbare Konstante ist? Besteht aber die Möglichkeit, dass der sehnlichste Wunsch doch irgendwie erfüllbar ist, so ist mit dieser Hoffnung noch viel schwerer umzugehen. Wie viel Hoffnung verträgt der Mensch, wenn doch die Gefahr der Unerfüllbarkeit groß ist? Durch ihre eigene Entscheidung zur Verhütung ist die Klientin selbst aktiv geworden und aus ihrer nicht selbstbestimmten, handlungsunfähigen Position herausgekommen. Und hier kommt die Parallele zu meiner eigenen Geschichte ins Spiel. An genau dieser handlungsunfähigen Stelle befinde ich mich mit Flo. Nur dass ich mein „Verhütungsmittel“ noch nicht gefunden habe. Als er im November meine überboardenden Gefühle nicht erwidern konnte, lebte ich ein paar Wochen mit dem Wissen, dass meine Sehnsüchte ihm gegenüber nicht erfüllbar sind. Er konnte meine Verliebtheit nicht erwidern. Doch seit 4 Wochen weiß ich, dass ich ihm wichtig bin, dass ich sein Leben bunter und ihn zufriedener mache. Es ist also eine ganz unkalkulierbare Hoffnung entstanden, von der ich nicht weiß, wo sie hinführt. Von meiner Seite aus ist alles klar, von Flo´s Seite gar nicht. Klar ist, dass die Hoffnung neben diesem schönen Optimismus auch verdammt weh tut. Aber so ist das: Ohne Ab kein Auf. Ich weiß, dass ich dieser Hoffnung ein Ende bereiten muss, wenn ich wieder einen gleichmäßigen Alltag haben möchte. Es muss von mir ausgehen. ICH muss mit der „Verhütung“ beginnen. Aber will ich das? Kann ich das? Kann ich die Hoffnung jetzt sterben lassen? Ich habe alles versucht. Wenn er wollen würde, würde er aktiv werden. Ich kann das nicht weiter vorantreiben. Wie oft habe ich das wohl schon geschrieben? Wenn das doch nur in meinen sehnsuchtsvollen Kopf ginge. Ich würde gerne zu einer Haltung wie „Denk ja nicht, dass ich ewig auf dich warte.“ gelangen, aber leider kann ich mir das selbst noch nicht glauben. Das bin ich nicht. Ich spiele keine Spielchen.

Meine zweite Klientenbegegnung war ein Mann, der vor 12 Jahren von seiner schillernd-charmanten, narzißtischen Ehefrau wegen einem anderen Mann verlassen wurde. Er leidet bis heute darunter. Sein Leben ist zerstört, existentielle Bedrohung eingeschlossen. Das ist die andere Seite meiner Sehnsüchte, dass mir das Leben an dieser Stelle vor Augen hält, was ich auch hätte mit meinem Handeln zerstören können. Sowohl in meiner eigenen als auch in Flo´s Familie. Das ist schon heftig. Ich habe solche Gedanken zu meinem eigenen Schutz versucht zu vermeiden. Ich komme daran natürlich nicht vorbei. Wenn ich mich diesen Gedanken hingebe, bin ich bald unweigerlich in der Position, mich zu rechtfertigen. Nicht vor dem Klienten natürlich, jedoch vor mir selbst. Ich hatte nie vor, eine Trennung zu bewirken. Ich will Florian ja gar nicht ganz, aber dieses Unterfangen birgt die unverrückbare Gefahr, dass sich als Nebenprodukt Trennungen ergeben können, auch wenn das nicht von mir gewollt ist. Natürlich hat mein Klient den potentiellen Geliebten abgewertet. Und ich habe ihn auch verstanden, konnte seinen Schmerz nachvollziehen. Und ich fühlte mich irgendwie schlecht und ertappt.

Was habe ich also heute von meinen Klienten gelernt? Wenn Du selbstbestimmt leben willst, musst du die Sache selbst in die Hand nehmen. Ein Plädoyer dafür, sich nicht vom Verhalten anderer abhängig zu machen. Und dabei besteht einfach die Gefahr, dass jemand verletzt wird. Du oder seine Frau. Wer dieser jemand sein wird, das kannst Du beeinflussen. Mit den Konsequenzen musst du leben. Aber ist es nicht der reine Selbsterhaltungstrieb, der mir mich selbst wichtiger erscheinen lässt als seine Frau, eine fremde Frau?

Was sagt mir das nun alles?  

Ich muss selbst einen Weg finden wie ich mir die Hoffnung auf die Erfüllung meiner Sehnsucht zerstöre. 

Hoffnung zerstören ist etwas, was mir zutiefst wiederstrebt. Noch dazu wenn alles so schön sein könnte. Aber dazu gehören halt Zwei. Wenn ich mich nicht zermürben will, muss ich mich lösen. Ich brauche Zeit dazu. Vielleicht hilft mir das Wissen, was ich hätte zerstören können? Ich glaube nicht. Das habe ich doch alles hundertfach durchgewälzt. Und meine Schlussfolgerung war, dass ich es versuchen muss. Alles versuchen muss, um später nicht zu bereuen, dass ich es nicht getan habe. Das hat mich um eine gewaltige Erfahrung reicher gemacht. Ich bin jetzt anders als vorher. Weitsichtiger. Weiser. Das bringt mich weiter. Und wenn Flo da nicht mitgehen kann, ist er einfach noch nicht so weit. Ich weiß natürlich nicht, inwiefern er schon mal in einer solchen Situation war. Was ich schon glaube, ist, dass er noch nicht in der Situation war, dass ihm eine ihm ebenbürtige Frau so offen kommuniziert hat, dass sie eine Affäre möchte. Und dazu eine so tolle Frau. Und es ist ihm nicht egal. Ich bin ihm nicht egal. Ihm fehlt ein ganzes Stück zu einem guten Narzissten. Er geht nämlich nicht über Leichen. Seine Mitmenschen sind ihm nicht egal. Und das ist auch gerade die Schwierigkeit, denn das macht es schwerer, mich von ihm zu lösen. Ach Mann, jetzt bin ich schon wieder an dieser Stelle. Ich kann es nicht abstellen. Ich rumifiziere hin und her. Was solls? Es ist wie es ist. Wenn ich nur schon da wäre. Stattdessen jagte ich den ganzen Tag lang einem persönlichen Wort von Flo hinterher. Ohne jeden Erfolg. Ich war dabei, tieftraurig die Klinik zu verlassen als er mir einen intensiven Blick zuwarf und mir frohe Ostern wünschte. Ich war trotzig! Was sollte das alles? Hatte er sich wirklich so im Griff, dass er nichts Persönliches durchdringen ließ? Ich wollte ihn rütteln und schütteln. Es ist so schwer, sich einzugestehen, dass er nicht so empfindet. Und doch kann ich mich so täuschen? Es ist ja nicht so, dass ich die Aufregung, Abwechslung, das Lebensgefühl gesucht habe. Er - der Richtige - war einfach da, zur falschen Zeit, am richtigen Ort. Und ich war in einer vulnerablen Lebensphase. Vielleicht wäre es zu einer anderen Zeit anders gewesen, aber immer hätte ich ihn sehr anziehend gefunden.

Trotzige Grüße von Eva
 
 

1 Kommentar:

  1. hallo liebe eva,
    wie läuft ostern? ;-)) kai begeistert?
    räume und arbeite heute schon den ganzen tag in meiner wohnung und an meinem vortrag im mai.
    sende dir ganz liebe grüße und bis bald
    mathilda

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