Liebe Mathilda,
Flo und ich sitzen in meiner Erzählung noch immer schräg zugewandt nebeneinander. Schön nah, aber nicht so, dass wir uns berühren. Er legt oft seinen Arm auf die Lehne der Bank hinter mir. Hat was von Umrahmung oder den Arm um mich legen. Das war schon schön! Und er hat so schöne Augen. Manchmal haben wir einfach nur gelächelt und uns angesehen. Ich halte das für eine gute Grundlage, die empfundene Chemie zwischen uns weiter auszuschmücken und seine eigenen Anteile herauszukitzeln:
Eva "Da ist etwas zwischen uns. ... Auch von Deiner Seite aus."
Flo "Ja ..."
Es klingt so als würde er noch ein "aber" anhängen wollen. Tut er aber nicht. Er knickt ziemlich schnell ein als ich die Spannung zwischen uns in verschiedenen Varianten wiederhole (Dank meiner ausführlichen Korrespondenz mit Dir habe ich eine halbe Million Formulierungen dafür). Ab dem Zeitpunkt hat er manchmal einfach nur gelächelt und gar nichts gesagt.
Eva "Meine Antennen sind zu fein als dass ich nicht spüren würde, dass da auch von Deiner Seite aus etwas ist."
Er streitet das nicht ab, scheint aber irgendwie beeindruckt von mir.
Flo "Das ist schon sehr mutig von Dir ... und dass wir auf einer Wellenlänge liegen ..."
Jetzt beendet ER den Satz nicht, gibt aber durch Nicken und Gestikulieren bekannt, dass er da nur zustimmen kann. Na bitte, wir nähern uns langsam an. Ich bin in meinem Element, fühle mich gut und baue es weiter aus.
Eva "Wie wir zusammen arbeiten und uns ergänzen. Und wie wir uns zu zweit alleine verhalten. Das ist schon anders als in Gegenwart anderer."
Er gestikuliert etwas, versucht sich wahrscheinlich irgendwie zu retten, als er sagt:
Flo "Jaaa, aber das mag daran liegen, dass ich mich auch und gerade als Arzt in Zweiersituationen wohler als in einer großen Visite fühle."
Er thematisiert, dass er sich in Gruppen unsicher fühlt, dass er kein Platzhirsch ist, und dass das irgendwas mit seiner „narzißtischen Persönlichkeit“ zu tun hat. Na, jetzt wird’s interessant. Es ist ein weiterer hilfloser Versuch von ihm, unsere Verbindung zu rationalisieren. Ob denn das bei seinem Persönlichkeitstest herausgekommen sei frage ich scherzhaft. Ich mache mich auf den Weg, den „Narzißten“ in ihm zu bedienen und sage:
Eva "Also ich habe schon einige Ärzte in meiner Laufbahn erlebt und ich finde, dass Du das wirklich super machst. Sowohl in Zweiergesprächen als auch in Gruppen.“
Öl auf sein Getriebe. Und immer schön Sicherheit vermitteln:
Eva "Ich erwarte da auch gar nichts von Dir. Ich will Dich nur teilhaben lassen an meiner Wahrnehmung, meinen Gedanken."
Meine Keine-Erwartungshaltung wiederhole ich in regelmäßigen Abständen immer wieder, so dass er sie bald selbst wiederholt. Ich bin schon echt cool. Die ganze Zeit. Ich kann das ziemlich ruhig, bestimmt und auch mit der nötigen Leichtigkeit rüberbringen. Immer wieder lächeln wir und machen auch einige Scherze. Angespannt und unangenehm wirkt das von seiner Seite aus keinesfalls. Er bestellt noch 2 Espresso. Blutdruck ist wohl noch nicht hoch genug? Oder will er einen klaren Kopf bewahren / zurückerlangen? Bei seiner letzten Bestellung bittet er gleichzeitig um die Rechnung, was mich etwas unter Druck setzt. Schon? Ich weiß, dass ich mich langsam beeilen muss. Bevor er mir wieder wegflüchtet, will ich aufs Ganze gehen. Frontalangriff. Jetzt! Ich schaue ihm tief in die Augen und sage zu ihm:
Eva „Ich finde Dich einfach als Mensch, und als Mann … wahnsinnig interessant. Und offensichtlich bist Du ja noch nicht geflüchtet, wo ich Dich hier doch gnadenlos anbaggere“ Meine Aussage beginnt ernst und hat große Tiefe und wandelt sich dann in eine amüsante Flirterei. Er grinst. Soviel süßer Ehrlichkeit kann er nicht wiederstehen.
Flo „Seit wann geht das denn schon mit Deinen Gefühlen.“ fragt er süffisant grinsend. Und seit wann geht das schon mit Deinen Gefühlen, Flo? Jetzt lockt es ihn eindeutig, mehr zu erfahren. Er hat angebissen.
Eva „Mir war das schon sehr bald klar.“
Flo „Seit 11 Monaten?“ Narzißtischer Schleimer, dem das Lächeln immer noch nicht aus seinem Gesicht weicht und dessen Augen jetzt irgendwie glühen. Ohne Berührung ist diese köstliche, ich muss fast sagen sexuelle Spannung kaum zu ertragen. Ich fühle mich als würde ich leuchten. Er muss sich schon sehr geschmeichelt fühlen in dieser Unterhaltung. Ich rede weiter:
Eva „Und ich finde auch, dass wir diese … Verbindung zwischen uns in eine Form bringen sollten. Ich finde, dass wir beruflich und privat tolle Sachen auf die Beine stellen könnten. … Ich kann mir vorstellen, dass Dich das, was ich jetzt sage, erschreckt. Mich jedenfalls hätte das vor ein paar Monaten noch erschreckt.“
Dann zögere ich etwas, aber es ist die logische Konsequenz all meiner Gedanken, dass ich auch das mit der Affäre jetzt aussprechen muss. Ich brauche eine Pause und fühle mich wie die Mücke, die ihn am Schlafen hindert. Ich denke, dass ich irgendwas sagen muss und folge meinem unsicheren Impuls:
Eva „Ja, … und jetzt bin ich gar nicht mehr mutig.“ Ich merke, dass das funktioniert: authentisch zu äußern wie es gerade in mir aussieht. Ich habe auf jeden Fall seine Aufmerksamkeit und beginne mit meiner Verunsicherung etwas zu kokettieren. Er ist gespannt, was ich noch zu sagen habe, und ich genieße das. Und dann denke ich: Was soll's, sprich es aus!
Eva „Ginge es nach mir, würde ich sofort eine Affäre mit dir anfangen.“
Es war raus, ausgesprochen.
Flo "Ok, jetzt bist du wieder mutig" ist das, was er spontan feststellt. Diesmal grinse ich. Und außerdem fühle ich mich unheimlich begehrenswert. Er kann kaum fassen, dass ich tatsächlich ausspreche, was die ganze Zeit im Raum steht.
Eva „Ich finde, das Leben ist zu kurz, um sich so etwas zu verbieten. Wegen Moralvorstellungen, Prinzipien, was auch immer.“
Flo „Hmm … Ich bin überhaupt nicht der Typ für so etwas.“ Aber ich? Denkt er tatsächlich drüber nach? Er lehnt nicht mich ab, sondern die Lebens- und Liebesform einer Affäre?
Flo „Ich kann mir das so als Lebensform … nicht vorstellen. Für mich ist die Kernfamilie immer noch das Wichtigste. Gerade wenn Kinder im Spiel sind.“ sagt er jetzt ernst.
Eva „Ja, das sehe ich ja ganz genauso.“ sage ich und will darauf hinaus, dass ich ja deswegen eine Affäre und ihn nicht ganz haben will.
Flo „Und das hat weniger mit Moralvorstellungen zu tun.“
Eva „Womit denn dann?“
Flo „Es gibt da ein Ungleichgewicht. Du empfindest mehr für mich als ich für dich.“
Darauf kann ich nichts mehr erwidern. Ein Totschlagargument! Kann nichts mehr hinzufügen. Empfindungen sind da, aber nicht genug? Er empfindet was für mich, kann das aber nicht leben, weil ich mehr empfinde? Das wäre so als würde ihm der Pudding nicht schmecken, weil ich mehr Appetit drauf habe. Die Enttäuschung muss mir wohl im Gesicht stehen, so dass Flo weiß, dass er mich jetzt nicht so abspeisen kann. Er setzt sich in Pose, schaut mich intensiv an und beginnt mit dem Aufbauprogramm:
Flo „Ich sag Dir jetzt mal was, aber bitte lege es nicht auf die Goldwaage."
Ok, jetzt kommt offensichtlich was Wichtiges, was mir aber nicht zu wichtig sein sollte, versuche ich mir ins Hirn zu hämmern. Einer dieser Sätze, die ich mir ewig merken und über die ich ewig nachsinieren werde. Meine Aufmerksamkeit ist zum Bersten geschärft. Mit einem fast zärtlichen Blick (fehlt bloß noch, dass er meine Hand nimmt) sagt er:
Flo "...DU bist mir wichtig. Und ich mache mir Sorgen um Dich wie lange Du das so durchhalten kannst. Du machst meinen Tag bunter und sorgst dafür, dass ich am Abend zufriedener nach Hause gehe.“
Das ist ein Moment, der absolut deutlich macht, dass zwischen uns mehr ist als Kollegensein. Ich soll es nicht auf die Goldwaage legen, aber was solls: ICH BIN IHM WICHTIG!
Flo „... Und ich will auch ehrlich sein und Dir sagen, dass ich mir alles im Beruflichen mit Dir vorstellen kann, aber nicht im Privaten … Es fällt mir schwer, das so klar zu sagen … das abzulehnen. … Du sagst "Bitte" und ich "Nein, danke" und das ist schon schwer."
Ich sorge dafür, dass ich alles, was er sagt, verstehen und aufnehmen kann. Das mit dem "Bitte" und "Nein, danke" lasse ich mir nochmal wiederholen, weil ich es erst nicht verstehe.
Flo „Und das fällt mir besonders schwer, weil DU mir wichtig bist.“
Und das ist das Höchste der Gefühle, was Dr. Florian A. Mollis an diesem Abend zu entlocken ist. Es ist viel. Es ist mehr als ich dann doch innerlich erhofft habe. Er wirkt ein bisschen gequält, weil er meine "süße Einladung" ablehnen muss. Das tut er nicht gern. Das tut er nicht leichtfertig. Es ist ihm wichtig und es hinterlässt seine Spuren. Er muss jetzt hier weg. Und so ergreift er nach dieser Aussage dann doch die Flucht und sagt:
Flo „Das ist jetzt kein Flüchten, aber ich gehe jetzt.“
Es klingt bestimmt und unveränderbar. Die Emotionen werden unter die Oberfläche gestopft. Es ist genug. An dieser Stelle endet unser Date. Es ist 20:15 Uhr und ich sage:
Eva „Ich komme mit.“ und meine damit, dass ich auch gehe.
Wir bezahlen getrennt und gehen zusammen auf die Straße. Dann stellt sich heraus, dass wir noch ein Stück denselben Weg haben. Draußen beim Laufen ist die Stimmung entspannter, so als seien wir beide froh, dass wir das geklärt haben. Haben wir das nun geklärt? Für den Abend wollen wir das wohl beide nicht weiter thematisieren. Wir wenden uns anderen Themen zu. Es hat fast etwas von Rumflaxen. Darüber dass er und ich an der gleichen Uni studiert haben und die berühmte Neurologievorlesung gesehen haben. Wir schlendern die Oburger entlang bis er auf sein Auto deutet. Der Abschied naht. Beide etwas unbeholfen, umarmen wir uns vorsichtshalber mal nicht. Wer weiß, was sonst noch passieren würde?
Flo „Und, kommst du morgen auf die Arbeit?“ fragt er vorsichtig.
Eva „Ja, na klar. ... Und du?“ frage ich vorsichtig.
Er nickt und lächelt.
Flo „Bis morgen auf der Arbeit."
Ich schaue nicht zurück und laufe den ganzen Weg bis zum Albrechtplatz. Alles kommt mir so unwirklich vor. Ich bin ganz ruhig. Ich habe ihm alles gesagt. Ich bin für mich und meine Gefühle eingestanden. Ich fühle mich mutig und stolz. Und ich habe keinesfalls das Gesicht verloren. Im Gegenteil, ich habe bewiesen, dass ich eine starke, fühlende Frau bin. Beim Laufen überschlage ich kurz, dass seine Reaktion wirklich hätte schlimmer ausfallen können. Ich fühle mich gut und erleichtert. Ich habe nicht erwartet, dass er mir für meine Ehrlichkeit um den Hals fällt. Verglichen mit meinen Katastrophengedanken waren seine Reaktionen harmlos und bei weitem nicht so eindeutig wie er es sich vielleicht gewünscht hat. Er hat sich alles angehört, war sicherlich von mir beeindruckt. Er hat es nicht abgestritten. Er hat auch nicht gesagt, dass er es nicht erwidern kann. Er kann sich lediglich die Konstellation einer Affäre nicht vorstellen. Und er ist nicht geflüchtet, d.h. zum Schluss schon. Insgesamt ist das schon der Hammer! Ich glaube das wird jetzt richtig in ihm arbeiten. Die Location und der Tisch waren total super dafür. Wir haben uns nicht berührt und trotzdem war es sehr intim. Und jetzt bin ich irgendwie ganz ruhig. Ich kann mich echt zurücklehnen. Auch nach Hause kommen war kein Problem. Wenn ich zu Hause bin, bin ich bei Konstantin und wenn ich auf der Arbeit bin, bin ich bei Flo.
Ich danke Dir für all die Unterstützung. Ohne Dich hätte ich das nicht so toll vorbereiten können.
Liebe Grüße,
Eva
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen