Dienstag, 19. März 2013

Kaffee oder Prosecco?

Liebe Mathilda,

wie siehts aus in Deiner beneidenswerten Wohnung? Und wie war die erste Nacht, du ein-bisschen-verliebte Wohnungsbesitzerin?

Heute war ein schöner Tag. Es ist so einfach mit ihm. So locker und leicht, wenn er das doch nur in aller Konsequenz einsehen würde. Ein glücklicher Tag, der erst gar nicht so aussah, weil Flo heute morgen irgendwie zurückhaltend-muffelig wirkte als wir allein und die Ersten im Besprechungsraum waren. Naja, muffelig kann man auch nicht sagen, eher fachlich konzentriert, denn er erklärte mir bereitwillig irgendeinen Beckenknochen. Und wer weiß, dass er jedem kleinen Detail epische Größe verleihen kann, der wird auch einen schnöden Beckenknochen interessant finden. Ich würde ihm gerne meine Beckenknochen erklären. :-) Das wäre mal eine schlagfertige Antwort gewesen. Ich glaube er war ganz froh, dass es um irgendetwas Fachliches ging.  Mit mir allein wirkt er doch sehr befangen. Und ich kann mich natürlich auch nicht von einer gewissen Befangenheit frei machen. Auch nicht verwunderlich, denn ich habe ihm gesagt, dass ich sofort eine Affäre mit ihm anfangen würde. Wenn ich zum Beispiel im Klientengespräch bin und ich höre ihn an meinem Büro vorbeigehen, ist bei mir innerlich Alarm angesagt. Ich werde dann innerlich aufgeregt und es drängt mich zu ihm. Ich habe bei weitem nicht die Geduld, die ich ohne Flo hatte. In den Therapien werde ich schneller sehr konkret und manchmal auch krass auf den Punkt gebracht, aber wirkungsvoll. Ich erschrecke mich vor mir selber. Ich bin purer, kompromissloser und am großen Ganzen interessiert. An dem, was meine Welt im Innersten zusammenhält. Insofern ändert sich durch die Erfahrung mit Flo auch mein Therapeutenverhalten und auch hat meine Erfahrung mit sterbenskranken Menschen mein Verhalten gegenüber Flo geprägt. Wo sonst sollte dieses Du-bereust-nur-das-was-du-nicht-gatan-hast herkommen als von den Menschen, die mir auf ihrem Sterbebett von ihren ungelebten Träumen erzählen. Ich hätte das sonst so nicht ausgesprochen und ich bin noch immer so stolz auf mich, dass ich es getan habe. Das wird eine der Geschichten sein, die ich auf dem Sterbebett erzählen möchte. Ich entwickle mich. 

Ich traf Herrn Dr. Mollis dann heute Mittag im Aufenthaltsraum wieder, noch vier weitere Mitarbeiter anwesend. Es war eine lockere Stimmung und er hat richtig mit mir geflirtet. Und ich meine RICHTIG. Und ich hab mitgemacht. Ich kam in die Küche und registrierte wie Flo gerade Kaffee kochte. Das kam mir natürlich gerade recht, denn auch ich wollte einen Kaffee trinken und mehr noch wollte ich in seiner Nähe sein. Das nennt man eine glückliche Gelegenheit. Ich fragte, wann denn der Kaffee fertig sei und setzte mich zu ihm. So über Eck. Beide herausfordernd auf den Tisch gestützt, gelungert, so dass wir schon ziemlich aufeinander hockten. Ich wagte nicht, ihn aus dieser Entfernung anzusehen; schließlich waren noch vier Leute um uns herum. Wenn wir allein gewesen wären, hätte ich es vermutlich schamlos ausgenutzt, aber womöglich war Flo auch nur so „mutig“, weil er nicht mit mir allein war. Auf jeden Fall fragte er dann, ob ich schon eine Tasse hätte und ich schwöre er zuckte, um mir eine Tasse zu holen, aber ich war schneller aufgestanden. Er nahm die Kanne von der Maschine bevor der Kaffee fertig war, um ihn mir einzugießen. Für einen kontrollierten Arzt war das wahrscheinlich schon sehr verwegen, hätte doch der Kaffee weiter aus der Maschine laufen und die Küche überschwemmen können. Ich wagte nicht ihn anzusehen als er mir "mutig" - mein Ritter - den Kaffee eingoß. Und ich kippte wie selbstverständlich die Milch dazu. Ich schreibe das als wäre es ein erotischer Akt! Ich war schon äußerst erfreut, dass er das tat. Innerlich ging wohl ein Leuchten von mir aus. Ich war ganz schön durcheinander über so viel Zuwendung und konnte nur in meine Tasse gucken wie der Kaffee dort in einer perfekten Biegung hineinlief. Hätte ich ihn mit meinem verträumten Blick angesehen, wäre es wohl auffällig geworden. Wenn wir allein gewesen wären, hätte ich es natürlich getan. Ich glaube Flo konnte dagegen nur so locker sein, weil er nicht mit mir allein war. Das ist der prickelnde Unterschied. 

Eva mit Dr. Mollis im Kaffeeglück?
Im Aufenthaltsraum hing ein Kalender, auf dem aktuellen Kalenderblatt ein muskulöser Mann mit nacktem Oberkörper abgebildet. Flo meinte dazu, dass er mal mit dem „Männerbeauftragten“ der Klinik sprechen müsse und er sich diskriminiert fühle. Und ich darauf, dass er dann erstmal in den Keller gehen solle, wo noch ganz andere Bilder aufgehängt sind. Guter Plan! Wie locke ich ihn in den Keller? Jemand anderes in der Runde warf ein, dass der Kalender immerhin schöner anzusehen sei als der Kalender, auf dem die Geburtstage aller Mitarbeiter eingetragen waren. Ich fragte, wer denn noch so Geburtstag hätte und versuchte in meiner Kurzsichtigkeit von Weitem zu erkennen, welcher Name da stand. Und Flo so scherzhaft „Ja, wer hat denn dieses Jahr noch Geburtstag? Wohl fast alle.“ Er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Jetzt leuchtet er. Schon klar, das war die Retourkutsche für den Keller. Er wollte mich eindeutig necken. Er flirtete, dass sich die Balken bogen. Und das zweieinhalb Wochen nachdem ich ihm ein eindeutiges Angebot gemacht hatte. Die Situation war sehr prickelnd. Und Flo weiß, dass ich mit anderen Leuten im Raum nicht aufs Ganze gehen würde. Aber wir beide wissen, was Sache ist. Und er ist sich auch völlig bewusst darüber, was er tut. Er muss sich darüber bewusst sein, dass er mich damit ermutigt. Oder nicht? Ist das einfach seine Art? Und selbst wenn, müsste er seine Art nicht überdenken, wenn er solche Reaktionen bei mir nicht forcieren wollte. Will er sie also forcieren? Ist es ihm egal, wenn ich gegen die Wand laufe? Oder spielt er gar mit dem Feuer? Während ich mich das alles fragte, tranken wir und flaxten weiter rum. Er schenkte mir noch mehr Kaffee ein als sei es Prosecco, den man einfach so lange nachgießt bis der letzte Tropfen ausgetrunken ist. Er überschlug sich fast. Nachdem ich meine Tasse zum letzten Mal genüßlich geleert hatte, stand ich entschlossen wieder auf, ungefähr eine Zehntelsekunde vor ihm. Er stand daraufhin so schnell auf, dass er dabei fast ein Glas umriss. Kann alles auch nur Zufall sein, aber schön wär's natürlich schon, wenn ich ihn so aufwühlen würde, dass er ein Glas umschmeißt. Woher kam die Eile? Konnte er nicht aushalten, dass ich vor ihm ging? Oder erinnerte er sich wieder, wozu er hier auf der Arbeit war? Zum Arbeiten? Ich hielt ihm noch die Geschirrspülerklappe auf und er bedankte sich ganz leise, fast intim. Nur für mich. Wir stellten unsere Tassen in einer fast perfekten Choreografie in den Geschirrspüler. Und er sagte kaum hörbar „Tschüss“, mit so einer kaum spürbaren Enttäuschung in seiner Stimme, dass unsere Begegnung schon vorbei war. Und ich sagte in genau dem selben leisen, enttäuschten Ton „Tschüss“. 

Und jetzt brauche ich mal eine „objektive“ Einschätzung meiner „subjektiven“ Schilderung. Er muss doch merken, dass er mich mit seinem Verhalten ermutigt? Gibt es eine andere Erklärung für sein Verhalten außer dass er mir doch zugeneigt ist? Ich glaube schon, dass es ihm schmeichelt. Wem würde das nicht gefallen? Ich glaube aber auch, dass er ein echtes Interesse an mir hat. Es machte bisher jedenfalls den Anschein, dass er sich sogar Sorgen um mein Gefühlsleben macht. Will er irgendwas testen? Oder ist es ihm egal, dass er mich ermutigt? Auf der anderen Seite kümmert er sich ja offensichtlich um mich, überschlägt sich fast um mir Kaffee einzugießen usw. Ich bin verwirrt! Spannung ist auf jeden Fall drin.

Soviel für heute, liebe Grüße aus dem Kaffeeglück,
Eva

1 Kommentar:

  1. liebe eva, kann und mag einfach nicht mehr!!! ....habe bis auf 2 Kisten in der neuen wohnung alles ausgepackt!!...langsam lichtet es sich! an den keller darf ich allerdings noch nicht denken!! ... und leon seh ich auch kaum ... oder zumindest nicht so oft wie ich will ... freu mich immer von dir zu hören und was du schreibst hört sich doch schön an! für mich hört sich das schon so an als wuerde er langsam auftauen! lg mathilda

    AntwortenLöschen