Mittwoch, 24. Juli 2013

Privataudienz


Liebe Mathilda,

hoffe ich habe ordentlich Spannung aufgebaut mit der Ankündigung meiner mail:

Also ... Flo´s und meine gemeinsame Visite gestaltete sich gestern zunächst sehr sachlich, schnell und ohne große Umschweife. Doch es wurde immer besser je länger wir in Kontakt waren. Das ist wohl ein gutes Zeichen und spricht absolut dafür, dass wir den Kontakt intensivieren sollten. Auf der Privatstation wurde es "privater". Flo und ich standen am Bett eines 77jährigen Klienten, der seit 50 Jahren in einem Ort lebt, in dem er nicht leben will und der nebenbei bemerkt in der Nähe von Flo´s früherem Wohnort liegt. Es hätte ihn damals mit seiner Frau dahin verschlagen und er sei auch nach ihrem Tod, der viele Jahre zurückliegt, nie davon weggekommen. Warum verweilt man an einem Ort, an dem man sich nicht wohl fühlt? Klient und Arzt fanden eine Gemeinsamheit und führten es ganz maskulin-rational auf "die schöne Landschaft in der Gegend" zurück. Ah ja, alles klar. Da hat man ja auch 50 Jahre lang was zu gucken. Vor dem Patientenzimmer sagte ich zu Flo:

E: "Ist doch schlimm, oder? 50 Jahre etwas tun, was man nicht will."

Ich meinte damit, dass ich schon ein paar Monate geschweige denn 50 Jahre schlimm finde, und appelierte natürlich an seine eigenen Wünsche, von denen er ja bekanntlich nichts gucken lässt. Was tat Flo? Er lachte und sagte:

F: "Ja, er wird sich jetzt bestimmt ändern." 

Sarkasmus? Und meinte er damit jetzt den Klienten oder sich selbst?
Bei der nächsten Klientin ergab sich eine nette Unregelmäßigkeit. Normalerweise kennt Flo unser Klientel früher als ich und er stellt mich entsprechend vor. Diesmal kannte ich die Klientin schon und stellte zur Abwechslung mal ihn vor. Ein tolles Gefühl, bei dem ich bemerkte wie ich ins Rudern kam. Wie stellt man jemanden vor, mit dem man ganz andere Dinge als Arbeit vorhat? Schließlich soll ich ihn in seiner beruflichen Funktion vorstellen und es soll weder zu euphorisch, noch zu gefühllos wirken. Ich sagte schließlich:

E: "Guten Morgen, Frau L., ich habe ihnen heute unseren leitenden Arzt Herrn Dr. Mollis mitgebracht, der sie auch gerne kennenlernen würde."

Den Rest übernahm Flo selbst in seiner offenen und einnehmenden Art. Wir hatten ein längeres Gespräch mit der jungen Frau, die gestern eine weitreichende Operation in Kauf nehmen musste. Flo und ich, wir sind gut im Team! Wir schafften es, ihr bei allem Respekt für ihre desolate Lage etwas Zuversicht einzuhauchen. Wir schaffen zu zweit, wozu einer allein nicht in der Lage wäre. Synergie-Effekt nennt man das.

Nach der Visite wurde es noch privater. Ich fragte Flo, ob er sich in seinem Urlaub gut erholt hat. Eigentlich wollte ich ihm ja das Kompliment machen, dass er gut erholt aussieht, hatte es aber an dieser Stelle nicht über die Lippen gebracht. Er meinte darauf, dass er wenig geschlafen habe, weil zu viele schöne Dinge in seinem Leben losseien. Er sei gestern im Theater gewesen und spät ins Bett gekommen. Es sprudelte nur so aus ihm heraus. Soll ich solch einen Redefluss stoppen? Er hatte ja offensichtlich nur auf eine Gelegenheit gewartet, es zu erzählen. Trotzdem wollte ich auch was von mir mitteilen und erzählte ihm von meiner Bootfahrt letzte Woche. Als wir im Aufenthaltsraum angekommen waren, fragte er:

F: "Gibt es auf dem Boot auch eine Toilette?"

Scheint wohl ne schwache Blase zu haben, der Herr Mollis. Er nippte an seinem Kaffee. Ich verneinte die Verfügbarkeit einer Toilette und sagte amüsiert:

E: "Nein, dass muss man entweder 2 Stunden aushalten oder zwischendurch ans Ufer."

Er nahm das auf Lunge und ging wohl davon aus, dass unter meinen Gästen ein paar Pionierblasen waren.

F: "Musstet ihr tatsächlich ans Ufer?"

E: "Nein, das ist nichts für schwache Blasen."

goß meinen letzten Schluck Kaffee hinunter und stelle damit klar, wer in mein Boot darf. So viel zu meiner Verfügbarkeit für Flo, denn allzu leicht will ich es ihm ja auch nicht machen. Natürlich würde ich ihn sofort in mein Boot lassen, aber das muss er ja nicht wissen. Du hast recht, er kann ruhig mal ein bisschen baggern. Ich freute mich über meine schlagfertige Antwort und dass ich ihn ein bisschen aufs Korn genommen hatte. Soviel zu dem kleinen Ausschnitt aus meinem Lebeb mit Flo. Alles andere lief nonverbal ab, denn das Lächeln und Grinsen, was anschließend den Raum erfüllte, kann ich nicht mit Worten beschreiben.

Hach....

Seufzende Grüße,
Eva 

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