Liebe Mathilda,
mit meinem Vorhaben, den "Kontakt" zu ihm mal ganz anders zu gestalten, bin ich heute richtig beschwingt auf die Arbeit gefahren. Es hat schon was von "Urlaub von der Daueranspannung" und dem Gefühl, nichts leisten zu müssen. Die Vorhersage, dass durch Kontaktvermeidung sowieso alles besser ist, ist sicherlich verfrüht, aber im Moment geht es mir ganz gut damit. Und die Sehnsucht hat noch nicht eingesetzt.
Ich begegnete Dr. Mollis heute morgen in der Besprechung. Ich hatte mich meinem Vorhaben entsprechend woanders als üblich hingesetzt und fing ein Gespräch mit der neben mir sitzenden Assistenzärztin an. Flo, der mir gegenüber saß, ignorierte ich bestmöglich und suchte auch keinen Blickkontakt (bin stolz auf mich). Nach der Besprechung ging ich aus dem Besprechungsraum und gab den Weg vor. Dieses Herumlungern auf dem Flur bis die "Lichtgestalt von einem leitenden Arzt" auftaucht, nervte mich schon lange. Es gab ja noch einige Assistenten, mit denen er den Flur entlangflanieren konnte. Damit Du Dir das besser vorstellen kannst, musst Du wissen, dass wir nach der Besprechung auf die Stationen gehen, damit dort die Visiten stattfinden können. Um dorthin zu gelangen, gibt es zwei Wege: einen direkten und einen mit einem Schlenker, der an meinem Therapieraum vorbeiführt. Wir flanieren sonst im Pulk über den direkten Weg, aber heute ging ich ja vorneweg und wählte den anderen Weg, weil ich den Regenschirm in meinem Zimmer abstellen wollte. Was soll ich sagen: Flo kam brav hinterher als wenn ich Zucker in der Tasche hätte. Dann standen wir vor meinem Zimmer und Flo sagte: "Die Klienten kennst Du ja alle." und meinte, dass wir dann heute keine gemeinsame Visite bräuchten. Das wirkte schon etwas hilflos von ihm. Ich sagte wahrheitsgemäß darauf "Nein, Frau ... kenne ich noch nicht, aber ich kann sie mir auch alleine angucken." Dabei hielt ich größtenteils mit der zuständigen Assistenzärztin Blickkontakt. Tja, und dann meinte er, dass er die Klientin doch gerne kennenlernen möchte und wir ja zusammen hingehen könnten. Solch einen konkreten Wunsch kann ich natürlich nicht ignorieren, aber ich kann ja Abstand halten. Kann ich das? Bei der Klientin angekommen, stellte er sich selbst und mich vor, war so nett und freundlich wie in einer Kaugummiwerbung. Und ich dachte abstandhaltend von meiner Metaebene aus: Das ist es, warum er in manchen Leuten dieses "Hach, er ist so ein toller Arzt und der Arme muss ja jeden Tag mit so schwierigen Fällen umgehen." auslöst. Die Idee, dass das von ihm eine Masche sein könnte, ekelt mich ein bisschen an. Dass so mit etwas Abstand zu betrachten, tut gut. Meine Anwesenheit bei der Visite war dann nicht weiter erforderlich. Ich wollte ja nicht mehr Kontakt als unbedingt notwendig. Ich wollte lediglich noch eine Information zu einem anderen Klienten übergeben. Flo schlug vor, dazu in ein Behandlungszimmer zu gehen, wohin ihm alle brav folgten. Das war eigentlich nicht mein Plan. Er machte irgendeine lockere Bemerkung über irgendetwas (über die wir natürlich alle lachen sollen). Als wir im Behandlungszimmer angekommen waren, hörte mir keiner mehr zu. Verdammt! Flo begann zu telefonieren und die Assistenzärztin war in einen Brief vertieft. Ich verschaffe mir Gehör bei der Assistenzärztin, sagte, was ich sagen wollte und verabschiedete mich schleunigst ohne Flo in seinem Telefonat und mich in meinem Vorhaben zu stören.
Unsere nächste Begegnung, die meine Fähigkeit zum Ignorieren erforderte, ergab sich schon heute mittag. Manchmal warte ich tagelang darauf ihn zu treffen und wenn ich ihm aus dem Weg gehen will, ist er ständig präsent. Ich hatte es jedoch gut abgepasst als ich Flo abgehetzt und nach Kaffee lechzend aus dem OP kommend in den Aufenthaltsraum stürmen sah. Ich war gerade angeregt in ein Gespräch mit einer Ärztin vertieft und wir zeigten uns Fotos unserer Kinder auf den Smartphones. Als ich Flo sah, trank ich schnell meinen Kaffee aus und stand auf. Er setzte sich (irritiert?) auf meinen freigewordenen Platz. Soll er sich doch den Kopf darüber zerbrechen. Ich bin nicht mehr die nette Pausenunterhaltung. Bevor er auftauchte gab es eine große Diskussion über ihn unter den "Frauen der Abteilung". Er nimmt ganz schön viel Raum ein - selbst oder gerade wenn er nicht anwesend ist. Es wurde angemerkt, dass die Klientinnen so begeistert von ihm sind und sich ein Strahlen auf ihrem Gesicht breitmacht, wenn er den Raum betritt. Meine Illusion von ihm bröckelt. So ganz unschuldig an seiner Wirkung auf Frauen scheint er nicht zu sein. Und so ganz unbewusst und unverhofft scheint das ja für ihn auch nicht zu kommen. Was soll das sein? "Sexiest man alive at general hospitals"? Ich glaube langsam, dass ich nicht die einzige bin, die sich in ihn verknallt hat. Aber natürlich hat es ihm keine so toll und reif gesagt wie ich. Und ich glaube auch nicht, dass er sowas noch öfter ertragen könnte. Er ist ja mit mir schon überfordert und dauernd krank. Trotzdem möchte ich bei aller Durchschaubarkeit nicht eine von den vielen sein, die auf ihn "hereingefallen" sind. Mein kleines Narzißtenhirn hat immer noch die Hoffnung, dass es zwischen ihm und mir etwas Besonderes ist.
Naja, das ist auf jeden Fall spannend. Ich lerne gerade wieder eine Menge über mich selbst. Und ich hänge morgen noch einen Tag "Urlaub von Flo" dran.
Liebe Grüße von Eva
liebe eva,
AntwortenLöschenbin ja auf tag 2 gespannt! tag 1 klingt auf jeden fall interessant!;-)
habe heute frei und liege noch im bett :-) muss gleich mal aufstehen und zum frisör
hab noch einen schönen tag - viele liebe grüße
mathilda