Hallo Süße,
ich komme gleich zur Sache, denn ich hatte heute eine ziemlich ausführliche und schöne Unterhaltung mit Flo. Man redet wieder miteinander. Dabei hatte ich ihn kaum gesehen bis ich im Begriff war, die Arbeit zu verlassen. Das kam so:
Ich wollte gerade die Arbeit verlassen genauso wie eine andere Mitarbeiterin. Ich fragte sie, ob ich sie mitnehmen könne, weil sie in meiner Richtung wohnt. Sie musste heute jedoch nicht nach Hause, sondern in eine andere Richtung. Jetzt kam Flo's Auftritt: Er schoß aus dem Behandlungszimmer mit leicht angelehnter Tür, an der wir beide vorbeigehen mussten, und sagte eifrig zu der Mitarbeiterin:
„Ich kann Sie mitnehmen.“
Das so beflissen anzubieten ist sonst nicht so seine Art. Ich überlegte: Vermutlich wollte er animiert durch mein Mitfahrangebot einfach nett sein oder er wollte einfach mal auf den Flur kommen. Er sah ja, dass die Frau im Begriff war zu gehen, war aber selbst mitten in seiner eigenen Arbeit und vollbekittelt (schönes Wort), kam also allenfalls in schätzungsweise einer Dreiviertelstunde los. Naja, der nette Flo halt. Sie lehnte dankend ab. Bei mir ließ allein der Gedanke, allein bei ihm im Auto mitzufahren, meine Fantasie verrückt spielen. Aber mich würde er das ja auch nicht fragen, weil er vermutlich zu viel Angst hat.
Was kam dann? Die Mitarbeiterin verabschiedete sich und ich war allein mit Flo auf dem Flur, der Anstalten machte wieder in sein Behandlungszimmer zu gehen. Als er im Türrahmen angekommen war, unterhielten wir uns bereits. Er und ich, im Türrahmen stehend (ich liebe das mit ihm da so zu stehen; hat was von Klassenzimmer und unsicheren Teenagern). Ich dachte: Prima Gelegenheit ihm von dem Gespräch mit Herrn Eisenhardt zu erzählen. Ich fühlte vor, ob er schon etwas gehört hatte. Seine Kanäle sind unergründlich. Er hatte! Flo meinte, dass es wohl ganz gut gelaufen sein muss und dass ich mich nicht habe von meinem Vorhaben abbringen lassen. Dass ich ganz bei mir und geradlinig war. Jaaaaaaaaaaaa, mehr davon! Und dass ich doch gut geantwortet habe auf die Frage „Warum arbeiten Sie als Therapeutin?“. Ok, seine Kanäle liefern AUSFÜHRLICHE Informationen, was wiedermal beweist, dass er sich für meine Sachen interessiert. Ich bestätigte ihm das Gesagte und fragte ihn, ob er schon mal näher mit diesem Eisenhardt zu tun hatte. Mal abgesehen von dem positiven Ergebnis des Gespräches hat sich der Controler ja ganz schön aufgeführt. Und Flo sagte ganz therapeutisch, dass er solche Leute kenne und imitierte ein bisschen die Hibbeligkeit des Controlers. Ich sagte zu Flo, dass ich mir ein bisschen Gedanken mache, ob ich zu vorlaut gewesen bin und erzählte ihm die Story mit dem „Ego“ und dem „Ich weiß“. Und das tat ich nicht, weil ich mich kleinmachen will (nicht dass ich gleich wieder in die Abwerte-Kasse einzahlen muss), sondern weil ich Flo an meinen Gedanken und auch an meinen Zweifeln teilhaben lassen will. Ich wollte ihn natürlich reingucken lassen in meine Seele. Und er ging darauf ein und meinte, wenn Eisenhardt das die ganze Zeit so anbot, hatte es doch gepasst. Brav gestreichelt! Das wollte ich hören. Und außerdem, so Flo, würde „man“ sowieso durch das verunsichert, was Therapeuten sagen, da „man“ im Grunde Angst davor hat, dass sie einen analysieren. Ok, in Kombination mit seinem Gesichtsausdruck war das eindeutig flirtend. Freue mich jedes Mal wie ein kleines Kind, wenn ich feststelle, dass er mit mir flirtet.
Dann nahm das Gespräch eine Wendung, denn Flo fragte lächelnd, ob ich ihm das Bild ins Fach gelegt hatte. Cool, dass er gleich auf die Idee kam, ich sei das gewesen. Er registriert die Spuren, die ich für ihn auslege. Ok, so schwer herzuleiten war das wahrscheinlich nicht – er ist ja nicht geistig behindert. Ich sagte lachend
„Ja“
und teammäßig stolz
„Wir haben es aufs Titelblatt geschafft!“
Er stimmte zu und sinierte, warum ausgerechnet unser Bild unter den ganzen Teams ausgewählt wurde. Und dann meinte er
„Wir sahen einfach am besten aus!“
Er strahlte mich an und ich sah im selben Moment wie sein Strahlen einfror und innerhalb kürzester Zeit ganz aus seinem Gesicht verschwand. Und dann musste er plötzlich ganz schnell mit seiner Arbeit weiter machen, weil er pünktlich los wollte, denn seine Tochter habe Schulfest. Fast so als hätte er sich selbst dabei ertappt, dass er einen für ihn verbotenen Schritt auf mich zugemacht hatte. Der Bruch war spürbar. Was hätte ich für den Gedanken in seinem Kopf gegeben, der ihn sein Lächeln kostete. Da saßen Engelchen und Teufelchen auf seinen Schultern. Ich wünschte ihm einen schönen Nachmittag und sagte im Hinausgehen, dass bei Kai heute auch ein Sommerfest im Kindergarten stattfindet. Ich wollte ihm zum wiederholten Mal zeigen, dass beides funktionieren kann: Familie und sich mir annähern. Naja, da muss er selbst hin finden.
"Your heart's a mess
You won't admit to it
It makes no sense
But I'm desperate to connect
And you can't live like this"
You won't admit to it
It makes no sense
But I'm desperate to connect
And you can't live like this"
Hearts a mess - Gotye
Das Sommerfest war übrigens toll. Wasserspiele für die Kinder und Bowle für die Eltern. Und endlich Sonne! Tino kam hinzu und wir fühlten uns wieder wie die kleine Familie, die wir vor Flo waren. Das Wochenende ist schon heute verplant: Besuch bei meinem Vater und am Sonntag Brunch. Fast so als wollte ich mir selbst nochmal beweisen, dass beides geht.
Ich umarm Dich,
Eva
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