Liebe Mathilda,
es geht mir nicht aus dem Kopf, warum sich Flo so gar nicht zu meinen Geburtstagsgrüßen äußert. Ich zerbreche mir den Kopf und selber daran. Ich kann auch nicht mehr einschätzen, was eigentlich "normal" oder "angebracht" wäre. Bin ich komisch oder er? Und deswegen mache ich gerade ein Experiment. Die Frau meines Bruders hat heute Geburtstag und ich habe ihr gerade die Holstee-manifesto-mail - genau den selben Wortlaut, den ich Flo geschickt habe - geschickt. Daran sehe ich schon, dass es eine absolut nett-platonische Mail sein muss. Mal schauen, ob und wie sie reagiert. Ich finde den Inhalt noch immer sehr cool und möchte diese Wahrheiten gerne mit anderen, mir wichtigen Menschen teilen, aber vielleicht ist das nur meine Ansicht und die Anderen können gar nichts damit anfangen. Komme mir manchmal vor wie ein Alien. Es fällt schwer das richtige Maß zu finden, wenn man so sehr an etwas denkt.
Ach ich weiß nicht… Ich schwanke mal wieder zwischen...
- „Ihn entschuldigen“ (Er – der „Arme“ - kann ja gar nicht wissen, was ich mir so alles überlege. Wahrscheinlich denkt er, es ist alles recht normal, weil ich mich ja eher unauffällig verhalte? Oder er denkt sich einfach gar nichts.),
- „Ihn durchschütteln“ („Du Blödmann! Ich gebe mir wirklich die größte Mühe, nett zu Dir zu sein und DEINE Grenzen einzuhalten. Und du machst einfach nichts! Du magst mich? Das kann ich echt nicht mehr glauben.“) oder
- „Weiterflirten“ (Ihm bei der nächst besten Situation locker sagen: „Ich gäbe was drum zu wissen, was Du jetzt denkst.“ – Wenns ungefährlich für ihn ist, kann er ja zur Abwechslung mal antworten.)
Ich habe heute eine Klientin kennengelernt, die ihm aus seiner früheren Klinik hinterher gereist ist. Ist das jetzt ein „Groupie“ (ich hoffe Du stehst auf schwarzen Humor)? Auf jeden Fall konnte die Frau uns allen in punkto Selbstentwicklung noch was vormachen. Beeindruckend! Ich weiß bloß nicht so recht, was sie dann bei Flo sucht. Sie finde ihn sehr sympathisch. Und ein nicht unerheblicher Teil ihrer Sorge war, dass er ihr nun eventuell wieder eine schlechte Nachricht oder Diagnose vermitteln müsse. Da ist er wieder: Der „Arme“! Und das löst er wohl nicht nur in mir aus.
Wie kann ich es nur ändern? Bin heute Abend schön gelaufen. Im Regen - der Himmel weinte mit – und das tat gut. Vielleicht auch nur prämenstruelles Syndrom. Egal woher es kommt, laufen macht die Gedanken klar. Ich erkenne, dass ich etwas ändern muss, wenn ich in diesem Zustand nicht ewig verharren möchte. In Kernberg's Buch "Liebesbeziehungen" laß ich, dass sich verstärkende romantische Gefühle, die sich bei der unerwiderten Liebe zeigen, Ausdruck neurotischer Strukturen sind. Nicht dass sich meine Gefühle nach dem unmoralischen Angebot und Flo's fehlender Reaktion darauf noch verstärkt hätten, aber sie sind weiterhin da. Bin ich nun neurotisch? Sind wir nicht alle ein bisschen neurotisch? Da das alles - meine Versuche nett zu ihm zu sein, Kollegin zu sein, Verführerin zu sein - nichts bringt, nichts an seinem Verhalten ändert, habe ich mir überlegt, ihn einfach mal links liegen zu lassen. Ihn einfach größtmöglich ignorieren. Vielleicht ändert das was an meinem Empfinden, vielleicht ändert das etwas an seinem Verhalten. Vielleicht ist es nur ein weiterer verzweifelter Versuch. Immerhin hatte ich das noch nicht. Und deswegen eröffne ich nun das Experiment „One day without the One“: Ich werde mich in der Klinik so bewegen wie sonst auch. Wenn er mir begegnet oder mich anspricht, gehe ich aus irgendwelchen Gründen (bei meiner Fantasie fällt mir da schon was ein) aus dem Kontakt. „Leben heißt Veränderung“ sagte der Stein zur Blume und flog davon.
Hach, ich umarme Dich,
Eva
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