Dienstag, 25. Juni 2013

Sturm vor der Ruhe

Liebe Mathilda,
heute wirds eine lange mail soviel kann ich schon sagen. Und ich bin geneigt sie hier auf der Arbeit zu schreiben, ganz einfach weil Flo im Nebenzimmer ist, heute viel Kontakt zu mir sucht (Dinge, die laufen, soll man ja nicht unterbrechen) und ab morgen wohl nicht mehr da ist. Erst Fortbildung, dann sein Urlaub, dann mein Urlaub - alles in allem werde ich ihn erst im August wiedersehen, was eine ziemliche Katastrophe für mein Gefühlsleben ist. Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Wie wird das werden? Ganz ohne ihn? Ganz normales Arbeiten?
Zunächst mal hatte ich eine ganz exklusive Visite mit ihm. Nur wir zwei! Und ich hatte schon das Gefühl, dass er mich gerne dabeihaben wollte. Er sagte auch sowas wie "Kommst Du, Eva?" oder "Gehen wir da noch zusammen hin?". Hach! Und wie er mich den Klienten vorstellte, war heute schon noch mal ne Prise mehr Lorbeern. Da kam schon mal "Wir sind froh, dass wir sie haben" (die Frau Cormann; Anmerkung der Verfasserin). Er war heute irgendwie wacher und seine Augen waren größer. Vielleicht in Erwartung seines Urlaubes? Dann schlug er mir vor, noch zu einer neuen Klientin auf einer anderen Station, was eine kleine Wanderung ist, zu gehen, kam aber nicht aus der Hüfte, weil er einer Ärztin noch etwas übergeben musste. Ich drängelte etwas, weil meine Supervision eigentlich schon angefangen hatte. Und er darauf fast bittend "Kannst Du noch mitkommen?" Ich darauf "Ich komme mit, wenn wir jetzt gehen." Das war schon ne klare Ansage, aber alles in locker-flirtender Verpackung. Auf jeden Fall hat er schön auf mich gehört und ist dann mitgekommen. Was mit der ärztlichen Übergabe wurde, weiß ich nicht. Ich hatte fast den Eindruck als wollte er die Zweisamkeit nutzen, mir etwas zu sagen oder zumindest etwas persönlicher zu werden. Tat er dann aber nicht. Außer dass er froh sei und dass er sich mit dem engagierten ärztlichen Team wohl fühle. Es war einfach nett wie wir da zusammen langgingen. Und vielleicht war es für Flo schon die größtmögliche Offentheit. Frei nach dem Motto: Ein kleiner Schritt für die Menschheit - ein großer Schritt für Flo! Auf der anderen Station angekommen, gestaltete sich die Klientensuche noch etwas kompliziert, so dass ich scherzhaft-anklagend zu ihm sagte: "Ich komme zu spät zu meiner Supervision und muss dort gleich erklären warum?" Da sah er mich mit großen Augen an. Hätte wie immer was für seine Gedanken gegeben. Kann ja alles mögliche sein wie "Soll ich jetzt mitflirten" oder "Kommt sie jetzt in Schwierigkeiten wegen mir?" Wir wühlten noch zusammen die Klientenakte durch. Ich hielt sie auf und Flo blätterte darin (wie romantisch!). Wir lasen und unsere Hände lagen in der Akte fast aneinander. Und sein Ehering blitzte mich dabei an wie ein warnendes Ausrufezeichen. Mann, Mann! Das brachte mich mal wieder ganz schön aus dem Konzept!
Und dann trudelte ich vorhin wieder auf unserer Station ein und ging zielgerichtet in mein Zimmer. Flo folgte mir unauffällig, blieb aber draußen stehen. Irgendwie traute er sich seit meinem Geständnis nie wieder bei mir rein. Muss doch mal langsam seine Ängste überwinden. Er stand vor dem Zimmer und bewegte sich weder vor noch zurück. Ich fragte dann "Wolltest Du zu mir?" und er nahm das als persönliche Einladung einzutreten. Er hatte es dann auch bis auf 30cm hinter die Türschwelle geschafft. Wir schauten uns an und er begann zu erzählen. Ich versank in seinen Augen und er guckte auch nicht weg. Sein Mund sprach von einem Klienten, der nebenan saß. Ich verstand nur Bruchstücke: "...junger Patient...", "... infauste Prognose...", "...stationäre Aufnahme...". Wir hatten wirklich einen soooo intensiven Blickkontakt. Und ich fand das so entzückend, dass ich irgendwie die Tendenz hatte zu grinsen, was natürlich bei dem Thema unserer Unterredung total unangemessen war. Aber Flo´s Augen lachten auch. Was passierte da? Reagierte er auf mich? Reagierte ich auf ihn? Was machten wir da? Glaubte er, er kann noch mal einen tollen Augenblick bei mir hinterlassen, bevor er in Urlaub geht? Das fandt alles während er mir den Fall schilderte statt. Wir verabredeten, dass Flo wieder zu dem Patienten geht und mich in 4 Minuten dazuholt. Die Wartezeit war schon ein bisschen aufregend für mich. Schließlich holte er mich ab (wozu auch immer)! Anschließend standen wir gemeinsam vor dem Patienten. Er stellte mich vor und ich erklärte ihm nochmal meinerseits wie ich ihm zur Seite stehen kann. Und zum Schluss, strich Flo MIR ÜBER DEN RÜCKEN und bedankte sich. Das war echt zuviel! Was glaubte er, was er in meiner armen geschüttelten Frauenseele damit bewirkt. Ja, so ist das mit der Hoffnung. Kleinigkeiten reichen aus, um sie wieder zu entfachen.
Dann hatte ich heute noch Besuch von Inga - du weißt schon Inga mit den Quarkbar-Visionen und den tollen Beinen. Wir sahen und begrüßten uns herzlich auf dem Flur. In diesem Moment kam Flo natürlich vom Klo und rannte fast in unsere Umarmung. Alle lachen. Kennt Inga ihn eigentlich? Bevor ich sie vorstellen konnte, war er schon schwuppdiwupp verschwunden. Inga erzählte von Abfindungsmöglichkeiten und ich sagte ihr, dass sie hinnemachen muss, denn ich habe neulich eine rollende Quarkbar gesehen. Sie musste lachen und fragte mich daraufhin (auch meinen wunden Punkt treffend) wie ich mit Tino und dem Hausbau weiterkomme. Naja, wir hatten beide ne sehr nette Unterhaltung und sind uns wahrscheinlich näher als wir glauben.
So, soll ich jetzt wirklich die Arbeit verlassen und ihn 5 Wochen nicht sehen? Er läuft die ganze Zeit da draußen auf und ab, direkt an meinem Zimmer vorbei...War gerade nochmal draußen, bei ihm, und habe was gefragt. Seine Augen und ein Lächeln! Das war dann wohl der Abschied. ... Und jetzt sagt er was davon, dass er morgen Sprechstunde hat? Häääää? Bin verwirrt und hoffend.
Liebe Grüße von Eva

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