Liebe Mathilda,
neue Woche, neues Gefühl. Es passiert gerade viel in mir, weniger mit mir und Flo. Oder doch auch was mit Flo? Urteile selbst, hier kommt das Neueste vom bedauernswerten Mann:
Ich komme heute auf die Arbeit, öffne das Fenster weit und lasse den Wochenendmief hinaus. Für alles, was man hinaus lässt, kommt auch was hinein :-) Auf meinem Schreibtisch steht mein Tischkalender mit einem Spruch für jeden Tag. Heute heißt es: "Kein Parfüm ist so schön wie der Duft des Mannes, den Du liebst." Ich denke "Ja, genau" und schaue dazu aus meinem Fenster, an dem in diesem Augenblick natürlich Flo vorbeigeht. Wäre ich Regisseurin, hätte ich die Szene in Slow Motion gedreht und mir dazu seinen Duft in die Nase wehen lassen. Er geht vorbei (und sieht mich nicht oder will mich nicht sehen) und trägt dabei seine alberne, geblümte kleine Kühltasche mit sich, in der er manchmal sein Mittagessen transportiert. Für mich heißt das, heute brauche ich ihn nicht fragen, ob er mit mir Mittag isst. Habe auch keine Lust, mir schon wieder eine Abfuhr einzufangen.
Gestern bekam ich die Nachricht, dass eine unserer Ärztinnen entbunden hat und ein schönes rundes Mädchen namens Anna zur Welt gebracht hat. Dies ist insofern wichtig, da die besagte Ärztin - nennen wir sie mal "V" - eine gemeinsame Kollegin von Flo und mir war. Und er hatte sie ja als sie sich in den Mutterschutz verabschiedete ziemlich ausgiebig vor meiner Nase umarmt. Ich erinnere mich genau, er hat sogar die Augen dabei zugemacht. Tsss! Aus irgendeinem Grund wollte ich natürlich wissen, ob sie ihn auch benachrichtigt hatte bzw. ob sie seine private Handynummer hatte. Ja, das Konkurrenzdenken lässt sich nicht so einfach abstreifen. Und so beschloss ich, ihm bei erster Gelegenheit die frohe Botschaft zu übermitteln, um herauszufinden, ob er schon bescheid wusste. Dies tat ich als er sich heute in der Besprechung neben mich setzte. In dem durch Pastelltöne und Hang zu Orchideen geprägten Besprechungsraum (wer hat sich hier bloß ausgetobt?) waren Kaffee und Tassen vorbereitet. Flo fühlte sich anscheinend sofort animiert und goß allen Kaffee ein. Die bunt durcheinandergewürfelten Kaffeetassen, darunter 2 Tassen mit Herzen :-) drauf, boten eine schöne Interpreatiationsfläche. Während Flo eingoß, rückte er die Tassen auf dem kleinen runden Tisch umher - fast so als würde er damit Schach spielen. Der arme Mann muss schon was ertragen, wenn ich ihn immer so beobachte. Letztendlich stellte er mir die eine und sich die andere Herztasse hin und ich freue mich wie ein Honigkuchenpferd darüber. Und er goß mir sogar noch Milch ein - in dem Verhältnis wie ich es mag. Welch ein Liebesbeweis! Naja, mal abgesehen von meinem eigenen Glücksgefühl, was ich dabei hatte, glaube ich nicht wirklich, dass er in seinem ausgemergelten Zustand bemerkte, was er da tat. Allenfalls sein Unterbewusstsein war ihm einen Schritt voraus. Vielleicht hat sein Es ja auch das Holstee Manifest verstanden :-) Ansonsten machte er während der Besprechung lange waagerechte Stirnfalten (macht man das mit 40?) und zog sich gedankenverloren an der Haut am Hals (Prüft er die Festigkeit?). Und über die Geburt von "Anna" wusste er noch nicht bescheid! Was sagt mir das? Er umarmt schon mal jemanden, dem er nicht seine Handynummer gibt? Tolle Erkenntnis! Ich bin jedenfalls im Besitz seiner privaten Handynummer, und mich umarmt er ja trotzdem (kopfkratz). Egal, er wirkte noch immer fertig, dieser bedauernswerte Mann, aber ein bisschen zugänglicher. Ich genoß es, dass er so leicht schräg neben mir saß und er mich vielleicht ein bisschen ansah. Manchmal flüsterte er mir Kommentare von der Seite zu. Manchmal waren sie sogar lustig. Nach der Besprechung umarmte er unsere übergewichtige 50+-Dialyseärztin, die nach 3 Wochen wieder aus dem Urlaub zurück war. Bestimmt war er froh, dass ihre Aufgaben jetzt nicht mehr nur auf ihm lasten, aber warum zum Teufel muss er bloß alle Leute anfassen? Egal, solange ich auch eine von den Leuten bin.
Und insgesamt fällt es nicht nur mir auf, dass er nicht auf seine Geburstagsgrüße, -geschenke usw. eingeht. Unter den Mitarbeitern hinterlässt das einen bitteren Nachgeschmack, der ihm die Arbeit in der nächsten Zeit nicht leichter machen wird. Für mich ist das eine Bestätigung, dass ich mit meiner Idee, es wäre angebracht auf meine mail zu antworten, nicht ganz verkehrt liege. Andererseits ist es ein ganz schöner Brocken, den ich ihm mit dem Holstee Manifesto geschenkt habe. Das impliziert ja fast, dass ich davon ausgehe, er tut nicht das, was ihn im Innersten bewegt. Ja, sehr wahrscheinlich gehe ich sogar davon aus.
Herzige Grüße,
Eva
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