Mittwoch, 26. Juni 2013

Tag der Unabhängigkeit

Liebe Mathilda,

eine weitere Runde im Spiel: Wann wird Flo in Urlaub gehen und da bleiben? Meine Arbeitszeit ist für heute mal wieder vorbei und doch klebe ich noch an meinem Stuhl und frage mich: Soll ich jetzt wirklich gehen? Natürlich war und ist Flo heute doch noch mal da. Und heute ist dann auch der definitiv letzte Tag. Ein schöner Tag mit viel Kontakt zu ihm.
Erst dachte ich "Der guckt ja gar nicht", vermeidet den Blickkontakt. Naja, an gestern ist auch schwer ranzukommen. Müssten wir ja mindestens übereinander herfallen, um das zu toppen. Doch dann hatte ich eine (zwar nicht so exklusive) aber doch nette Visite mit ihm. Vor dem Patientenzimmer stecken wir uns gedankenverloren Informationen über diese zu. Er fragt, ich antworte, gebe ihm weitere Infos. Es entsteht ein kleines, nettes Missverständnis, dass ich nur mit Augen und Mimik aufkläre. Und er verstehts!

Plötzlich gehen wir allein durch die Klinikflure. Hat sich so ergeben. Er muss in in die Radiologie "einen Draht holen", ich muss auf die Station "meine Hospitantin holen". Jedem das seine. Manchmal ist es so einfach! Ich frage ihn, ob er schon in Urlaubsstimmung ist. Er darauf "Nicht so richtig", und dass er noch kein Urlaubsdomizil und noch nicht mal einen Urlaubsantrag gestellt habe. "Zumindest das (den Urlaubsantrag) solltest du vorher tun." sage ich scherzhaft. Man kann sich hier schon die Frage stellen, ob er tatsächlich Urlaub möchte? Das Gespräch geht später weiter als ich plötzlich schon wieder mit ihm alleine (das A hatte sich vorzeitig aus dem Staub gemacht) bei einem Kaffee seine Urlaubslage verspeise. Zu seinem Urlaub meint er weiter, dass Laura gestern buchen wollte, aber er vor dem Computer eingeschlafen sei. Psychogene Narkolepsie? Seine Frau will Last-minute-Urlaub buchen und er schläf dabei ein? Wie fertig muss man sein? Soll ich ihn jetzt bedauern oder ihm eins mit der Keule geben? Ich beschließe, es locker und fluffig zu lassen, weil er eh schon fertig ist, und frage: "Und plötzlich war der Urlaub da?" Er stimmt mir zu und sagt, dass er immerhin jetzt die Sommerreifen auf sein Auto gezogen habe. Toll, Ende Juni! Ich darauf "Du bist ja ein ganz Schneller." Das meine ich natürlich nicht nur auf die Autoreifen bezogen. Er grinst! Und ich freue mich, dass wir flirten. Ich erzähle dann totales Verständnis für ihn aufbringend von mir selber, da ich ebenfalls noch keinen Urlaub gebucht habe. Aber immerhin sinds bei mir ja noch 3 Wochen. Alles in allem tatsächlich eine oberflächliche, aber persönliche Unterhaltung mit ihm allein und wahrscheinlich das höchste der Gefühle für Flo. Es ist schön. Ich genieße das ohne zu großes Herzklopfen, fühle mich trotz Riesenpickel auf der Stirn attraktiv. Und jede Wette, mein Wohlbefinden das merkt er. Er gibt mir von sich aus die Eckdaten seines Urlaubes (sehr gut) und fragt mich genau nach meinen Urlaubsdaten. Er sagt, dass er am 17. Juli (was ja genaugenommen mein Geburtstag ist) wieder kommt und tatsächlich "...dann sehen wir uns ja noch." Ich denke "Tolles Geburtstagsgeschenk", mache aber keine Bemerkung dazu. Will ja wissen, ob er aufmerksam genug ist, es selbst zu merken. Dann sehen wir uns ja noch - das spricht mir aus der Seele. Drei Wochen sind echt leichter zu überbrücken als 5 und ich bilde mir jetzt einfach mal ein, auch ein bisschen Erleichterung bei ihm gesehen zu haben.

Ein letzter Hinweis auf ihn in meinem letzten Patientengespräch heute: Patientin spürt ihre Schamgrenze und die schwindende Intimsphäre durch die medizinische Behandlung. Ich "Macht es für Sie einen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau Sie untersucht?" Sie darauf "Nein, das spielt keine Rolle. Außerdem ist er ja ganz süß." und wird dabei ein bisschen rot. Auch wenn er nicht da ist, ist er allgegenwärtig!

Alles klar, dann begebe ich mich mal in die Phase der Unabhängigkeit, nutze die nächsten Wochen zum Durchatmen und für liegengebliebene Sachen,

Eva

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