Montag, 3. Juni 2013

Bewegte Bilder

Liebe Mathilda,

ich könnte platzen, kann das Gefühl aber nicht richtig orten. Es ist weder das totale Glück, noch die tiefste Verzweiflung, wahrscheinlich einfach Aufregung und Bewegung.
Ich fuhr heute fröhlich beschwingt auf die Arbeit, ohne große Flo-Vorhaben. Rankommen lassen, gelassen bleiben, denn er kann meine Gefühle nicht vergessen haben, und bei Gelegenheit reagieren war mein Motto. Als ich ankam, hörte ich aufgeregt von einer Mitarbeiterin, dass die neue Ausgabe der Klinikzeitschrift erschienen ist und das Foto meiner Staffel auf dem Titelblatt prangt. Ich war zuerst ein bisschen geschockt, musste dann aber sofort in mich hineingrinsen. Haben uns unsere Selbstdarstellungskünste also auf Seite 1 katapultiert. Sie, die Mitarbeiterin, machte mir sogleich zwei Farbkopien, wohl damit ich mich satt sehen konnte. Sie lieferte mir damit den unumstößlichen Beweis, dass dieses Ereignis tatsächlich stattgefunden hat und die Möglichkeit - oder sollte ich besser sagen den Zwang - , das Foto ständig in Erinnerungen schwelgend anzuschmachten. Und wenn ich es mir ansehe, sehe ich Flo und Eva, die dicht nebeneinanderstehen, herzlich lachen und die Arme umeinandergelegt haben. Und - auch wenn ich darin Sachen sehe, die ich halt gerne sehe - bleibt doch zu bemerken, dass die einzigen beiden Arme, die auf dem Bild nicht zu sehen sind, Flo und Eva gehören und jeweils am Rücken des anderen unterwegs sind. Auf seinem unsichtbaren Schulterblatt, an meiner unsichtbaren Taille. Das ist etwas, was nur er und ich wissen. Das freut mich einfach. Und überhaupt fühle ich mich ganz stark und attraktiv.

Als ich anschließend durchs Treppenhaus ging, wurde ich mehrmals anerkennend auf das Titelblatt angesprochen und ob wir denn gewonnen hätten. Nun ja, kommt drauf an, ob man damit eine Platzierung meint (irgendwo in Richtung 750) oder andere Gewinne. Ich wollte natürlich diejenige sein, die das Flo unter die Nase reibt. Ich traf ihn ebenfalls im Treppenhaus, wir beide in Eile die Stufen rauf und runter fegend. Ich rief ihm grinsend zu:

"Hast Du schon gesehen, dass wir´s aufs Titelblatt geschafft haben?"

Die Atmosphäre war locker und bewegt, da wir ja beide in Eile waren. Wenn man sich schnell bewegt, kann man wohl lockerer sein, weil man ja gleich wieder weg ist? Als er mich wahrnahm, grinste er sein charmantestes Lächeln. Flo wusste sofort worum es ging. Er gab zurück:

"Ist es das Bild nach dem Sekt?" 

Es ist das erste Bild, das von uns gemacht wurde. Das von vor dem Start. Ich sagte:

"Nein, es ist das Bild von vorher. Als wir noch gut aussahen." 

Was war das eigentlich? Treffen sich zwei Narzissten, um sich über ihr Titelbild zu freuen. Lächeln auf allen Seiten und schon waren wir wieder auseinandergelaufen. 

Im Laufe des Vormittags legte ich ihm eines der beiden ausgedruckten Bilder in sein Fach und konnte jeweils, wenn ich daran vorbeikam, beobachten wie es sich bewegte. Auch hier also bewegte Bilder. Zuletzt war das Bild verschwunden. Er hatte es wohl mitgenommen. Kann er ja in seiner Dunkelkammer aufhängen. :-)

Meine bewegte und lockere Gefühlslage dehnte sich sogar auf mein sonstiges Arbeitsleben aus. Ich hatte heute einen Termin bei Frau Z. mit einem klinikeigenen Controler bzgl. eines mir sehr wichtigen Projektes. Auf dem Weg dorthin treffe ich Flo, der auch davon wußte und mir die Daumen drückte. Dann entschwand er in OP-Kleidung (sexy!). Bei der Verwaltungschefin angekommen, begrüßte ich den Controler Herrn Eisenhardt, den ich noch kaum persönlich getroffen, aber über den ich natürlich Erkundigungen eingezogen hatte. Als ich ihn sah und beobachtete, bemerkte ich, dass sich die Beschreibungen des Unsicherheit überspielenden und anzügliche Bemerkungen machenden "großen Jungen" bestätigten. Er bat mich vorzusprechen, fiel mir dabei ständig auf eine charmante, ja flirtende Art und Weise ins Wort, wohl um mich zu testen oder zu verunsichern. Ich ließ mich aber natürlich nicht verunsichern, ging schon auf seine Fragen ein, stand einfach im Thema und konnte ihm alles erklären. Ich war ganz fest und klar in meiner Meinung, hielt viel Blickkontakt und fühlte mich diesem Kerl wirklich gewachsen. Ein Ergebnis dieses Treffens gibt es noch nicht, aber Herr Eisenhardt will verschiedene Möglichkeiten, mein Projekt umzusetzen, durchrechnen lassen. Er scheint mir wohlgesonnen und es gibt einen weiteren Termin. Er spielte mit seinem Black Berry (schreibt man das so) herum, um den Termin einzugeben und sagte zu mir, dass er das für sein Ego brauche. Ich sagte "Ich weiß." und staunte über mich selbst, dass ich das tatsächlich ausgesprochen hatte. Naja, das war sicherlich etwas grenzüberschreitend, was er ja wohlgemerkt die ganze Zeit war. Hätte auch nach hinten losgehen können, ist es aber nicht. Auf jeden Fall war ich auf seiner Ebene und wer weiß wozu es gut ist. Ich fühlte mich danach so gut und selbstbewusst. Kriege manchmal Angst vor mir selber. Aber so fühlt sich wohl eine Weiterentwicklung an.

Tolle Idee übrigens mit der Eva-wertet-sich-ab-Kasse. Bin angespornt und werde dafür sorgen, dass es nicht mal für einen Kurzstrecken-Fahrschein reicht :-) Und wegen dem Lauf: Nächstes Jahr eine Therapeutenstaffel??? Hätte ich große Lust drauf. Bin im Moment sowieso hyperaktiv und kann Ausruhen kaum ertragen, was genaugenommen auch nicht so gesund ist. Ein Ausflug mit viel Bewegung wäre nach meinem Geschmack, damit ich nicht so viel nachdenken muss. Gilt wohl in Fachkreisen als hypomanes Verhalten bei Verliebtheit. Ich weiß, dass ich mich jetzt bremsen muss. Durchatmen! Du kannst Dir nicht vorstellen, was es für ne Entlastung ist, wenn Du schreibst, sein Interesse ist auf jeden Fall gewachsen. Dass ich mir nicht alles kaputt gemacht habe durch meine Aktion beim Staffellauf. Ok, das war jetzt ne ICE-Fahrkarte!

So, ich wünsch Dir ein bisschen Ruhe und Geduld (welch grässliches Wort, wenn mans doch sofort möchte), um auf Deinen Liebsten zu warten.

Ich drück Dich,
Eva

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