Mittwoch, 8. Januar 2014

Systematische Desensibilisierung

Liebe Mathilda,ich habe in das Buch vom männlichen Gehirn reingelesen. Sehr cool! Das liefert einige Erklärungen für das Verhalten der kleinen und der großen Männer in meinem Leben. Ich muss es wahrscheinlich einfach so lassen wie es ist. In bezug auf Flo fehlt es nicht an Begegnung mit ihm, aber an Zauber. Nach dem Hype der letzten Monate ist es schon sehr ernüchternd ihn als das zu sehen, was er ist. Und da ist es auch egal, dass er unter Stress steht, ein Haus baut und Fototapeten hasst - einfach unsexy! Ich bin weder bestrebt viel Kontakt zu ihm zu haben (naja ein bisschen darf es schon sein), noch vermeide ich, ihm unter die Augen zu treten. Ich versuche es einfach laufen zu lassen.




Gestern gab es mal wieder eine Fortbildungsveranstaltung bei uns, zu der ich Dr. Radio in die Vortragstechnik einweisen wollte. Ich schnappe sie mir von Flo weg, der gerade im Aufenthaltsraum einen Kaffee trinkt. Er steht daraufhin etwas verlassen da und fragt im übertragenen Sinne, ob er auch mitspielen könne. Ich sage ihm, das es um die Fortbildung geht und lade ihn charmant aus. Dr. Radio bekommt daraufhin einen für sie ganz untypischen hysterischen Anfall, dass sie doch gar nicht wisse wie die Technik funktioniere. Ich rede beruhigend auf sie ein, dass das schon klappen wird und ich es ihr ja deswegen zeige. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Intensität ihrer Reaktion auch etwas mit Flo's Anwesenheit zu tun hat. Wahrscheinlich vermute ich hinter jeglichen Reaktionen irgendwelcher Leute Flo als Ursache. Das nennt man Beziehungsdenken und ist wirklich bedenklich. Trotzdem ist das total untypisch für die sonst sehr gesetzte Mitfünfzigerin. Und hat sie nicht auch ihre grauen Pullover in letzter Zeit auffällig oft gegen farbige getauscht? Und diese Riesenbrosche heute? Naja, ich briefe Dr. Radio jedenfalls die Technik ins Gehirn und es klappt alles ganz wunderbar. 

Nachdem das erledigt ist, gehe ich auf eine andere Mission. Ich habe Lust, ihn doch noch mal zu sehen. Vorsetzlich und in voller Größe. Da nun "unser" neues Therapiezimmer auf "seinem" Flur eingerichtet ist, klopfe ich spontan an seiner Tür. Er erwartungsvoll "Ja?" Ich trete ein und sage, froh ihn angetroffen zu haben: "Hi!" Er freut sich. Ich freue mich noch mehr. Sein Zimmer, ich weiß nicht, ob es sich über Besuch freut. Etwas trostlos. Ein Rennrad steht an der linken Wand. Was hat er vor? Will er in der Mittagspause eine Runde radeln? Oder das Ding an einen Kollegen verticken? Eine Schranktür steht auf und aus dem Schrank guckt seine Jacke. Am Waschbecken stehen zwei benutzte Espressotassen. Ich glaube nicht, dass er hierher jemanden einlädt. Er hat vermutlich beide Tassen benutzt und seit 2 Tagen nicht mehr abgewaschen. Eine ganze Menge, was ich so am Rande wahrnehme. Ich sage "Wie oft wird denn dein Raum hier gereinigt." Ich merke erst später, dass er sich in seiner Unordnung ertappt fühlen muss. Er dreht sich auf seinem Drehstuhl verunsichert um und fragt verduzt: "Wieso ... ist was?" Ich schiebe hinterher, dass es um den neuen Therapieraum geht und erkläre: „Ich meine, wie schaffe ich es, dass der Therapieraum auch mit in die Reinigungsprozedur aufgenommen wird?“ Er wirkt erleichtert und gibt mir bereitwillig Auskunft und Tipps wie ich vorgehen soll. Das tut er gerne und ich lasse mich gerne von ihm beraten. Als das geklärt ist, fragt er: „Und, konntest du Dr. Radio beruhigen?“ Er fragt das grinsend und mit nicht zu übersehendem flirtenden Unterton. Nicht, dass er über mich herfallen würde. Ich stehe ja noch immer an seiner Tür. Immerhin habe ich sie hinter mir geschlossen. Ein kleiner Schritt für eine Frau, ein großer für ihre Gefühlswelt. Er sitzt 3 Meter entfernt auf seinem Bürostuhl. 3 Meter reichen als Abstand, um ihn zum Flirten zu bringen. Ich sage ebenso grinsend „Ja, ich habe ihr eine Maus (an das Laptop) angebaut. Da hat sie sich gleich ganz heimisch gefühlt.“ Er lacht und schneidet eine komische Grimasse, die wohl irgendwie cool wirken soll (eindeutig was für die Minusliste). Ich beschließe zu gehen. Ich werde noch viele Male in seinem Zimmer sein. Ich lasse ihm Zeit, sich daran zu gewöhnen, dass ich hier öfter auftauchen werde. Systematische Desensibilisierung nennt man das. Dem Bedürfnis, die persönliche Situation zwischen uns anzusprechen, gebe ich nicht nach, denn ich kann mir ausrechnen, dass es dann wieder wochenlang verklemmt zwischen uns zugehen würde. Das will ich jetzt nicht haben. Beim Verabschieden und Hinausgehen sehe ich wieder seine beklebte Tür. Er hat einen neuen Kalender angeklebt - 2014. Das Bild vom Staffellauf ist natürlich drangeblieben. Hat sich nichts verändert. Wie meine Haltung: Verdammt, ich will ihn haben!






And when the broken-hearted people
Living in the world agree
There will be an answer
Let it be

For though they may be parted
There is still a chance that they will see
There will be an answer
Let it be 

The Beatles - "Let it be"


Liebe Grüße von Eva

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