Liebe Mathilda,
mein Arbeitsleben plänkelt so vor mich hin, wenn auch angenehmer als die ganze letzte Woche. Tino und ich sind aktuell gedanklich mit dem Hauskauf beschäftigt. Da ja an gute Immobilien immer schwer ranzukommen ist, habe ich unseren Wunsch nach einem Haus in der Klinik breit gestreut. Dort arbeiten Leute, die da wohnen, wo wir hin wollen. So ergab es sich, dass mir eine Krankenschwester einen privaten link zu jemandem gab, der sein Haus verkaufen möchte. Die Bilder sahen schon mal super aus und so habe ich ihr heute die Telefonnummer von dem Hausverkäufer und ein paar Hintergrundinformationen entlockt.
Ein Abgrund! Da kann jede Soap mithalten. Ist etwas kompliziert, aber das liebe ich ja gerade an so Geschichten, die das Leben schreibt. Ich muss glaube ich bei Marc anfangen. Dr. med. Marc Wegener. Erinnerst Du Dich an ihn, den coolen Oberarzt gegen den ich immun bin? Und der sich als prima Flirtgegengewicht zu den altbekannten Gefühlsüberwallungen eignet. Hätte nicht gedacht, dass Marc schon so bald wieder eine Rolle spielt, aber hier kommt nun sein tragisches Schicksal. Er - 41 oder so - seit ewigen Zeiten verheiratet mit Dorothee und wie mir scheint kinderlos. Ein Traumpaar, das tatsächlich in den 90ern bei Linda-de-Mol´s "Traumhochzeit" (habe mal ein Stück vom Video gesehen) geheiratet hat und natürlich nach außen hin immer perfekt wirkte. Dorothee ist Künstlerin und durch ihre Ausstellungen eine lokale Berühtmheit. Nun hat sie sich in ihren Galleristen verliebt. Trennung von Marc und schwanger vom Galleristen. Ja, und dieser Gallerist verkauft nun sein Haus, weil man natürlich mit dem alten Leben abschließen und zu zweit neu anfangen will. Ich bin weder mit Dorothee, noch mit Marc befreundet. Für die Schwester, die mir die Kontaktdaten gab, scheint es schwieriger zu sein. Wenn ich mir das so durchlese, sollten Tino und ich besser die Finger von diesem Haus lassen - von wegen der aufgeladenen Emotionen und der verklebten Beziehungen. Naja, wir schauen es uns am Wochenende mal an und erspüren die Vibes. Jetzt passen Marc´s Reaktionen auch besser. Er war in letzter Zeit vom ärztlichen Kumpel zum sarkastischen Mediziner mutiert. Die Assistenten, die er regelmäßig runtermacht, sind schon von ihm genervt. Es herrscht einerseits ein harter Ton und andererseits gewährt er dann tiefe Einblicke. Nach meinem „Kraft in der Krise“-Vortrag sagte er doch tatsächlich zu mir „Das war das Beste, was ich seit langem gehört habe.“ Definitiv, der ist auf dem Weg und unterwegs! Und ja, er war es auch, der mir die Flasche Champagner überreichte, die ich zu Jahresbeginn gewonnen hatte. Da fällt mir ein, dass es neulich eine Diskussion auf der Station gab, ob man Sterbenden Prosecco geben dürfe, wenn sie den Wunsch äußern. Ich natürlich total pro. Marc stand daneben und das hat offensichtlich seine Champagner-Fantasien angeregt. Fängt er doch an, mir vorzuschwärmen wie „geil“ es ist, gefrorene Weintrauben in den Sekt zu tun. Hier ist wohl auch jemand vor dem Ableben durch lange Weile gerettet worden. Also ja, Prosecco für Sterbende, für Marc und alle, denen die letzten Stunden ablaufen. Aber mal ehrlich, Dr. Marc Wegener ist doch in der Mid-Life-Crisis und auf Frauensuche. Die Flirterei neulich mit ihm – dazu gehören ja auch immer zwei und nicht nur eine verzweifelte Therapeutin, die versucht den anderen Arzt - ihr eigentliches Objekt der Begierde - eifersüchtig zu machen. Ja, langsam ergibt sich ein konsistentes Bild. Soviel von Dorothee, Marc und dem Galleristen und was das alles mit Prosecco zu tun hat. Ich habs geschafft, nicht das Flo-Wort zu erwähnen und das bewegte Leben von jemand anderem zu beschreiben.
"Das alles wär nie passiert.
Ohne Prosecco"
Annett Louisan - Prosecco
Liebe Grüße von Eva
Spannend spannend - auch ohne flo��!!
AntwortenLöschenBin gespannt was du über das Haus berichten wirst! Könntest ja jemand zum ausräuchern etc kommen lassen!