Liebe Mathilda,
heute muss ich was von Flo schreiben. Ist halt auch spannend:
Er ist diese Woche wesentlich handzahmer, richtig zugänglich könnte man meinen. Wir verlebten eine wunderbar leichte Visite (und ich meine das nicht von der Betroffenheit der Klientinnen, sondern vom Teamgeist her). Es werden kleine Scherze gemacht und Nettigkeiten ausgetauscht. Oberflächlich natürlich. Da mir das nicht reicht, nutze ich die Gelegenheit und frage ihn unter tollem Blickkontakt nach einem körperlichen Prozess aus, der für eine Visualisierungsübung bei einer Patientin wichtig ist. Er erklärt mir alles bereitwillig und ruhig. Die Visite und damit der Chef und die Assistenzärztin müssen warten, denn wir sind miteinander im Kontakt.
Später spricht er mich an, er möchte gerne eine kleine Fortbildung mit mir zusammen machen. Ich hätte das schon längst mal gerne getan, um unsere Energien in etwas Produktives umzuleiten. Und nun fragt er mich! Das ist überhaupt das Schönste. Wir beide – ein Team. Es war fast so wie vor 1 ½ Jahren zwischen uns, bevor die großen Gefühle Thema wurden. Vielleicht ist er auch erst so motiviert seitdem ich mit Marc flirte. Dass es so einfach sein könnte, hätte ich mir nach dem ganzen Krampf nicht vorstellen können. Thema der Fortbildung aus aktuellem Anlass soll sein: Was passiert, wenn Patienten mit verschieden schlechten Prognosen in einem Patientenzimmer liegen (mit den Patienten, mit den Mitpatienten, mit dem Pflegepersonal, mit uns Behandlern)? Aufhänger dazu war eine schwerkranke, palliative Krebspatientin, die mit zwei frisch erkrankten Krebspatientinnen in einem Zimmer lag und bei denen schlimmste Befürchtungen auslöste. Ich muss da erstmal drüber nachdenken. Flo.´s Meinung ist, dass Patientinnen mit so unterschiedlichen Prognosen möglichst nicht zusammengelegt werden sollten. Ich will mich ungern von ihm instrumentalisieren lassen. Kann und sollte man die neu-erkrankten Patientinnnen vor einer solchen Konfrontation schützen? Und was passiert mit den palliativen Patientinnen? Wie ist es für sie, mit ebenso palliativen Patientinnen konfrontiert zu sein? Kann man das überhaupt an Erkrankungsstadium und Prognose festmachen? Ich bin schon viel zu tief im Thema. Halte mich bitte zurück, wenn ich anfange, große Präsentationen zu entwerfen. Flo soll auch was machen. Und außerdem freue ich mich schon auf die gemeinsame Vorbereitungszeit, die ich mir einfordern werde.
Und die Fallkonferenz heute war um Welten besser als die in der letzten Woche. Er setzte sich tatsächlich neben mich, so dass ich schön seiner Stimme lauschen konnte und nicht von seinem Anblick abgelenkt war. Da gibt es so eine leicht heisere, samtige Komponente in seiner Stimme, auf die ich unheimlich abfahre. Dies stellte ich fest als er den bisherigen Behandlungsverlauf eines Klienten verlas und ich auf das Konferenzprotokoll starrte. Wenn er nicht las, fing er an mit mir zu tuscheln und zu scherzen. Ist das derselbe Mann wie letzte Woche? Und unterm Tisch kommt er gefährlich nahe in meinen Bereich, so dass wir fast füßeln.
Und manchmal treffen sich unsere Blicke, wenn wir uns in 20 Metern Entfernung auf dem Flur begegnen. Nicht zu unterschätzender Schmachtfaktor, den ich ihm da unterstelle. Und so schmachten wir, weil Flo nicht den Mum hat, dazu zu stehen. Ich bin es auch leid, da immer wieder Hoffnung aufkommen zu lassen. Das einzig Gute (und das einzig Tragische) daran ist wohl, dass man auf diese Weise ewig schmachten kann und im Gefühl der Verliebtheit stecken bleibt. Irgendwann muss man sich entscheiden, ob man schmachten will oder etwas in die Tat umsetzt. Auch auf die Gefahr hin, dass es schief geht. Schief ist besser als gar nicht. Und was kommt nach dem Schiefgehen? In meinem Fall kehrt das Schmachten zurück. Kann ich das wirklich so weitermachen?
Liebe Grüße von Eva
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