"Die Liebe ist eine Welt, in der starke Emotionen bunte Vorstellungen auslösen.
Das teilt sie mit der Kunst und mit der Religion."
Richard David Precht
aus aktuellem Anlass und weil ich das Land morgen zu einer einwöchigen kürzlich angefragten Fachtagung verlasse, habe ich Herrn M. gestern noch
relativ spontan eine mail geschrieben (Habe nur 10 Minuten Lebenszeit dafür
verbraucht, denn ich will mich damit einfach nicht mehr so lange aufhalten).
Aus 2 Gründen: 1. Ich will, dass er zur Hälfte den Input zu der von ihm
vorgeschlagenen Fortbildung liefert. 2. Ich will ihn mal wieder alleine
treffen.
Ich schrieb also gestern:
Hallo Florian,
ich finde wir sollten uns wegen der Fortbildung unbedingt vorher zusammensetzen
und beraten, was wir vermitteln wollen.
Ich muss über die Thematik noch kurz nachdenken. Hier schon mal einige Fragen,
die mir in den Sinn gekommen sind:
Was passiert (mit den Patienten / mit den Mitpatienten / mit dem
Pflegepersonal), wenn Patienten mit verschiedenen Erkrankungen und Prognosen in
einem Zimmer liegen?
Kann und sollte man die neu-erkrankten Krebspatienten vor einer Konfrontation
mit palliativen Patientinnen schützen?
Und welche Auswirkungen hätte das auf die palliativen Patienten? Wie wäre es
für sie, mit ebenso palliativen Patienten oder mit ganz anders kranken
Patienten konfrontiert zu sein?
Kann man das überhaupt an Erkrankungsstadium und Prognose festmachen?
Wie viel Konfrontation ist notwendig / zumutbar, denn sie kommt zwangsläufig in
Krankenhäusern vor? Wie viel Konfrontation ist vermeidbar und nicht vermeidbar?
Welche Zimmerbelegung kommt den Patienten entgegen?
Was meinst Du? Und wann würde es Dir passen?
Ich finde es übrigens sehr cool, dass wir das zusammen machen!
Schöne Grüße,
Eva
So, und nun hat das
Weichei bis jetzt um 11 Uhr noch nicht geantwortet! Altbekanntes Muster von
ihm, wenn es konkret wird. Warum muss ich bloss so abhängig davon sein? Dies und die Überlegungen in meinem gestrigen Post ("Schmachten für die Ewigkeit") führen mich unweigerlich zu der Frage: Stecke ich fest? Befinde ich mich im Stillstand? Entwickle ich mich nicht
weiter? Ich brauche da wirklich mal eine Rückmeldung. Entschuldigend muss man
sagen, dass Dr. Radio und ein Assistenzarzt ausgefallen sind, der Chef
nicht da ist und die verbleibende Assistenzärztin frisch schwanger ist.
Reicht das aus, um Flo zu schonen?
heute muss ich was von Flo schreiben. Ist halt auch spannend:
Er ist diese Woche wesentlich handzahmer, richtig zugänglich könnte man meinen.
Wir verlebten eine wunderbar leichte Visite (und ich meine das nicht von der
Betroffenheit der Klientinnen, sondern vom Teamgeist her). Es werden kleine
Scherze gemacht und Nettigkeiten ausgetauscht. Oberflächlich natürlich. Da mir das nicht reicht, nutze ich die Gelegenheit und frage ihn unter tollem Blickkontakt nach einem körperlichen Prozess aus, der
für eine Visualisierungsübung bei einer Patientin wichtig ist. Er erklärt mir
alles bereitwillig und ruhig. Die Visite und damit der Chef und die
Assistenzärztin müssen warten, denn wir sind miteinander im Kontakt. Später spricht er mich an, er möchte gerne eine kleine Fortbildung mit mir zusammen machen.
Ich hätte das schon längst mal gerne getan, um unsere Energien in etwas
Produktives umzuleiten. Und nun fragt er mich! Das ist überhaupt das Schönste.
Wir beide – ein Team. Es war fast so wie vor 1 ½ Jahren zwischen uns, bevor die
großen Gefühle Thema wurden. Vielleicht ist er auch erst so motiviert seitdem
ich mit Marc flirte. Dass es so einfach sein könnte, hätte ich mir nach
dem ganzen Krampf nicht vorstellen können. Thema der Fortbildung aus aktuellem Anlass soll sein: Was passiert, wenn Patienten mit verschieden
schlechten Prognosen in einem Patientenzimmer liegen (mit den Patienten, mit
den Mitpatienten, mit dem Pflegepersonal, mit uns Behandlern)? Aufhänger dazu war eine
schwerkranke, palliative Krebspatientin, die mit zwei frisch erkrankten
Krebspatientinnen in einem Zimmer lag und bei denen schlimmste Befürchtungen
auslöste. Ich muss da erstmal drüber nachdenken. Flo.´s Meinung ist, dass
Patientinnen mit so unterschiedlichen Prognosen möglichst nicht zusammengelegt
werden sollten. Ich will mich ungern von ihm instrumentalisieren lassen. Kann und
sollte man die neu-erkrankten Patientinnnen vor einer solchen Konfrontation
schützen? Und was passiert mit den palliativen Patientinnen? Wie ist es für
sie, mit ebenso palliativen Patientinnen konfrontiert zu sein? Kann man das
überhaupt an Erkrankungsstadium und Prognose festmachen? Ich bin schon viel zu
tief im Thema. Halte mich bitte zurück, wenn ich anfange, große Präsentationen
zu entwerfen. Flo soll auch was machen. Und außerdem freue ich mich schon auf
die gemeinsame Vorbereitungszeit, die ich mir einfordern werde.
Und die Fallkonferenz heute war um Welten besser als die in der letzten Woche. Er setzte sich
tatsächlich neben mich, so dass ich schön seiner Stimme lauschen konnte und
nicht von seinem Anblick abgelenkt war. Da gibt es so eine leicht heisere,
samtige Komponente in seiner Stimme, auf die ich unheimlich abfahre. Dies stellte
ich fest als er den bisherigen Behandlungsverlauf eines Klienten verlas und ich
auf das Konferenzprotokoll starrte. Wenn er nicht las, fing er an mit mir zu
tuscheln und zu scherzen. Ist das derselbe Mann wie letzte Woche? Und unterm
Tisch kommt er gefährlich nahe in meinen Bereich, so dass wir fast füßeln.
Und manchmal treffen sich unsere Blicke, wenn wir uns in 20 Metern Entfernung
auf dem Flur begegnen. Nicht zu unterschätzender Schmachtfaktor, den ich ihm da
unterstelle. Und so schmachten wir, weil Flo nicht den Mum hat, dazu zu
stehen. Ich bin es auch leid, da immer wieder Hoffnung aufkommen zu lassen. Das
einzig Gute (und das einzig Tragische) daran ist wohl, dass man auf diese Weise
ewig schmachten kann und im Gefühl der Verliebtheit stecken bleibt. Irgendwann muss man sich entscheiden, ob man schmachten will oder etwas in die Tat umsetzt. Auch auf die Gefahr hin, dass es schief geht. Schief ist besser als gar nicht. Und was kommt nach dem Schiefgehen? In meinem Fall kehrt das Schmachten zurück. Kann ich das wirklich so weitermachen?
Liebe Grüße von Eva
mein Arbeitsleben plänkelt so vor mich hin, wenn auch angenehmer als die ganze
letzte Woche. Tino und ich sind aktuell gedanklich mit dem Hauskauf
beschäftigt. Da ja an gute Immobilien immer schwer ranzukommen ist, habe ich
unseren Wunsch nach einem Haus in der Klinik breit gestreut. Dort arbeiten
Leute, die da wohnen, wo wir hin wollen. So ergab es sich, dass mir
eine Krankenschwester einen privaten link zu jemandem gab, der sein Haus
verkaufen möchte. Die Bilder sahen schon mal super aus und so habe ich ihr
heute die Telefonnummer von dem Hausverkäufer und ein paar
Hintergrundinformationen entlockt.
Ein Abgrund! Da kann jede Soap mithalten.
Ist etwas kompliziert, aber das liebe ich ja gerade an so Geschichten, die das
Leben schreibt. Ich muss glaube ich bei Marc anfangen. Dr. med. Marc Wegener. Erinnerst Du Dich
an ihn, den coolen Oberarzt gegen den ich immun bin? Und der sich als prima
Flirtgegengewicht zu den altbekannten Gefühlsüberwallungen eignet. Hätte nicht
gedacht, dass Marc schon so bald wieder eine Rolle spielt, aber hier kommt nun
sein tragisches Schicksal. Er - 41 oder so - seit ewigen Zeiten verheiratet mit
Dorothee und wie mir scheint kinderlos. Ein Traumpaar, das tatsächlich in den 90ern bei Linda-de-Mol´s
"Traumhochzeit" (habe mal ein Stück vom Video gesehen) geheiratet hat
und natürlich nach außen hin immer perfekt wirkte. Dorothee ist Künstlerin
und durch ihre Ausstellungen eine lokale Berühtmheit. Nun hat sie sich in
ihren Galleristen verliebt. Trennung von Marc und schwanger vom
Galleristen. Ja, und dieser Gallerist verkauft nun sein Haus, weil man
natürlich mit dem alten Leben abschließen und zu zweit neu anfangen will. Ich bin weder mit Dorothee, noch
mit Marc befreundet. Für die Schwester, die mir die Kontaktdaten gab,
scheint es schwieriger zu sein. Wenn ich mir das so durchlese, sollten Tino und
ich besser die Finger von diesem Haus lassen - von wegen der aufgeladenen
Emotionen und der verklebten Beziehungen. Naja, wir schauen es uns am
Wochenende mal an und erspüren die Vibes. Jetzt passen Marc´s
Reaktionen auch besser. Er war in letzter Zeit vom ärztlichen Kumpel zum
sarkastischen Mediziner mutiert. Die Assistenten, die er regelmäßig
runtermacht, sind schon von ihm genervt. Es herrscht einerseits ein harter Ton
und andererseits gewährt er dann tiefe Einblicke. Nach meinem „Kraft in der
Krise“-Vortrag sagte er doch tatsächlich zu mir „Das war das Beste, was ich
seit langem gehört habe.“ Definitiv, der ist auf dem Weg und unterwegs! Und ja,
er war es auch, der mir die Flasche Champagner überreichte, die ich zu
Jahresbeginn gewonnen hatte. Da fällt mir ein, dass es neulich eine Diskussion
auf der Station gab, ob man Sterbenden Prosecco geben dürfe, wenn sie den
Wunsch äußern. Ich natürlich total pro. Marc stand daneben und das hat
offensichtlich seine Champagner-Fantasien angeregt. Fängt er doch an, mir
vorzuschwärmen wie „geil“ es ist, gefrorene Weintrauben in den Sekt zu tun.
Hier ist wohl auch jemand vor dem Ableben durch lange Weile gerettet worden. Also ja, Prosecco für Sterbende, für Marc und alle, denen die letzten Stunden ablaufen. Aber
mal ehrlich, Dr. Marc Wegener ist doch in der Mid-Life-Crisis und auf Frauensuche. Die
Flirterei neulich mit ihm – dazu gehören ja auch immer zwei und nicht nur eine
verzweifelte Therapeutin, die versucht den anderen Arzt - ihr eigentliches
Objekt der Begierde - eifersüchtig zu machen. Ja, langsam ergibt sich ein konsistentes
Bild. Soviel von Dorothee, Marc und dem Galleristen und was das alles mit Prosecco zu tun hat. Ich habs geschafft, nicht
das Flo-Wort zu erwähnen und das bewegte Leben von jemand anderem zu beschreiben.
ein Lichtblick! Nicht nur im Kino, wenn man als Ben-Stiller-Hasser aus unerfindlichen Gründen in seinem Film "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" landet. Auch auf der Arbeit.
Betty begrüßte mich gestern mit den Worten "Die Verhandlung war
eine logische Konsequenz aus dem ganzen gestrigen Tag." Sie hatte so
recht.
Mein Chef war gestern verhindert (was man übrigens im ganzen
Miteinander spürte) und heute Gott sei Dank wieder präsent. Er hatte
meine Angelegenheiten auf dem Schirm und fragte mich gleich morgens wie es gelaufen
ist. Flo war auch dabei und guckte bedröppelt. Ich schilderte ihm den
Ablauf. Ihm, nicht Flo, denn der hatte ja nicht gefragt. Obwohl er interessiert
zuhörte und auch ein paar Worte des Bedauerns fallen ließ. Das reichte bei
weitem nicht, um mich zu besänftigen. Ich hatte mich zunächst für
größtmögliches Ignorieren entschlossen. Ich sah wie Florian auf der
Station umherruderte und an allen Ecken und Enden unrasiert damit beschäftigt
war, die Wogen zu glätten. Er kriegte es gestern ab: von mürrischen Schwestern,
von OP-Leuten, von mir. Wir absolvierten eine Visite ohne große Highlights. Ich
war mutiger und nicht so unsichtbar wie die letzte Zeit und traf
meist ins Schwarze. Am Ende gingen Betty, Flo und ich (wir nehmen ihn in
die Mitte und in die Mangel) zusammen in die Ambulanz. Seine erste Frage
"War denn Dein Tag gestern sonst noch ganz okay?" Ich regte mich
innerlich über die Frage schon wieder auf. Nein, mein Tag war nicht okay und
das auch wegen Dir. Ich wusste was er hören wollte, dieser harmoniesüchtige,
oberflächliche Schleimer. Den Gefallen tat ich ihm nicht. Jetzt musste er´s
ausbaden. Ich sagte "Mein Tag gestern war scheiße!" Er begriff sofort
- seine emotionale Intelligenz ist ja nicht vollständig verloren gegangen -
dass ich nicht vorhatte hier weich zu spülen und griff das leidlich auf
"Och Mensch, ich hatte gestern auch gar keine Zeit mehr an Euch (Eure
Meijestät oder was?) zu denken,... weil ich diese blöde Telefonschulung
hatte." Und er begann tatsächlich das wieder auszuführen. Betty fällt
ihm ins Wort, um Schlimmeres (einen Mord?) zu verhindern: "Ja, das wissen
wir." Mmmh, müssen wir wohl bei meinem Thema bleiben, auch ein
ichzentrierter Florian Mollis! Er wußte, dass jetzt nur noch Zuhören und
Bedauern angesagt war. Naja, den Kübel habe ich jedenfalls mal über ihm
ausgeleert.
Das war der Stand von gestern. Heute ist anders und entschädigt vielleicht
etwas für diese verkorkste Woche. Meine Motivation auf die Arbeit zu fahren,
ist im Moment auf dem Nullpunkt. Ich trage heute Brille, weil ich einfach
intellektuell und streng aussehen und beachtet werden will. Vielleicht ist das auch Walter Mittys Anliegen als er diese schrecklichen 80er-Jahre-Blousons trägt. Ja, schon schlimm,
dass man als Therapeutin sich selber immer so durchschaut. Naja, ich
treffe Flo im Treppenhaus - ich auf dem Weg nach unten (ein Zeichen?), er
auf dem Weg nach oben (auch ein Zeichen?). Ein kurzer netter Gruß und dann
schnell aneinander vorbei. Man könnte ja aneinander kleben bleiben. Dann für
mehrere Stunden gähnende Leere bis ich ihn wegen einer Klientin ansprechen
muss. Ich lauere ihm auf und bekomme meine Informationen von einem wachen
Dreitagebartträger, dessen Augen nicht strahlen. Als das Fachliche geklärt ist,
gehe ich wieder. Doch wir treffen im Aktenzimmer (sehr romantischer Ort) wieder
aufeinander. Ich tüte einen Brief ein, um ihn in das dort befindliche Postfach zu
legen. Flo sortiert sein Fach aus und will etwas in den Mülleimer werfen,
der hinter mir steht. Das sehe ich nicht, denn habe mich hinuntergebeugt und
bin ja mit dem Brief beschäftigt. Als ich hochkommen will, ist Flo bereits
über mir - mit seinem Arm! Anders über mir wär mir natürlich lieber. Wir kommen
uns unbeholfen sehr nahe. Ich gebe einen kurzen angenehmen Schreckenslaut (wenn
es so etwas gibt) von mir. Flo ändert seine Mülleimerwurfstrecke an mir
vorbei. Slapstick ist nichts dagegen. Vor meinem inneren Auge läuft die Walter-Mitty-Interpretation dieses Augenblicks ab, in der ich natürlich ungewöhnlich gut abschneide. Aber in der Realität, die mich bald wieder hat, läuft´s auch nicht schlecht. Als er wieder 3 Meter von mir entfernt
ist, fragt er: "Gehst Du gleich Mittagessen?" Endlich fragt er das
mal! Hat die Brille also doch genützt beim noverbalen "Hallo, hier bin
ich, nimm mich wahr." "Naja, ich warte noch auf Barbara." Muss
ja nicht gleich in seine Arme stürmen. "Ok, dann sag doch einfach
bescheid, ich würde dann nämlich mitkommen." Naja, flirty ist anders. Ich
habe auch immer was zu meckern. Ich war augenblicklich besserer Laune, da die
Aussicht bestand mit ihm zu Mittag zu essen. Kurz darauf meldet sich Barbara,
dass sie von der Station kommt und in der Nähe der Kantine wartet. Cool, ich
werde ihn erstmal für mich allein haben. Ich gehe erneut zu ihm ins Aktenzimmer
und sage "Wollen wir los?" Er unterbricht augenblicklich sein
Gespräch, dass er gerade mit einer Schwester führt. Tut mir auch irgendwie
leid, aber mir sind auch schon so manche Gespräche unterbrochen wurden. Er
sucht einige Papiere zusammen und murmelt vor sich hin, dass er noch kurz zu
sich ins Büro müsse "Ich habe kein Essen dabei ... ähm Geld meine
ich." Ich genieße es durchaus unter den Augen der Schwestern mit ihm
zusammen von der Station zu stolzieren. Das ist ja schon so etwas wie eine
Verabredung. Wir gehen in sein Zimmer, d.h. ich bleibe draußen vor seiner
offenen Tür. Will irgendwie nicht mit rein in seine Bruchbude. Betrachte lieber
das Teamstaffelfoto an seiner Tür. Er kramt sein Zeug zusammen und schließt
dann wieder ab und wir gehen zusammen über den Hof. Ab und zu berühren wir uns.
Ist das nun die Form von Beziehung, die Florain Mollis bereit ist,
mit mir einzugehen? Ab und zu Mittagessen und kurze Berührungen? Wohl alles,
was er sich traut. Wir sammeln Barbara ein und haben eine wirklich
kommunikative Mittagspause. Ich rede mit ihm über Cloud Atlas und dass sich
alles immer wiederholt und wie schön es ist, dass es nie langweilig wird. Da
ist schon mehr Flirten dabei und ein kleines Leuchten in seinen Augen.
Anschließend gehen wir zusammen zurück. Barbara verabschiedet
sich. Flo und ich müssen nochmal auf die Station. Und im Treppenhaus wird
es dann richtig schön, denn ich führe das Thema "Haare", in das wir
gerade vertieft sind, weiter aus: "Du glaubst ja gar nicht wie oft
Deine Haare Thema in den Klientengesprächen sind." Daraufhin seine
fachmännische Einschätzung: "Ja, sie sind jetzt echt lang geworden, ich
lasse sie nächste Woche mal wieder abschneiden. Die meisten Frauen stehen ja
gar nicht auf längere Haare." Narzisst! Ich kann mir ein Grinsen nicht
verkneifen, denn auch ich war zunächst mal abgeschreckt von seiner Haarpracht.
Aber was sagt das schon über "die Frauen" aus. "Auf jeden Fall
hat es Wiedererkennungswert." sage ich. "Ich weiß nicht, ich
habe das eigentlich nie so überlegt." erwidert er. Wie, sind seine Haare
ohne sein Zutun einfach zu dieser Frisur gewachsen? Natürlich will er sich
mit dieser Matte von anderen unterscheiden, schon von klein an der Prinz:
"Wer lange Haare hat, will keine und umgekehrt. Man möchte immer das, was
man nicht hat." ist sein tiefgründiges Fazit aus dieser haarigen
Unterhaltung. Meint er jetzt sich selbst oder mich oder so ganz allgemein? Ich
darauf: "Das Gras ist grüner auf der anderen Seite?" Das ist nun
eindeutig vom Haarthema weg und hin zu Beziehungsthema. Ausbaufähig und wer
weiß auf welche Erkenntnisse wir noch gekommen wären, wenn nicht eine
Ursgesteins-Oberärztin in dem Moment unseren Weg kreuzt und uns
zuwirft: "Na, haben Sie Seelen getröstet?" Ich erfasse nicht
gleich, dass sie mich meint und als ich es begreife, entschwindet Flo bereits
auf die Intensivstation. Mein Weg führt woanders hin. Schade, schöne
Flirtsituation zerstört.
Und trotzdem fühlt sich das um Welten bessern an als Mitte der Woche. Das mag an den paar netten Gesten von Flo liegen, aber mehr noch an meinem wirklich unerwartet beeindruckenden Kinoerlebnis. Walter Mitty ist ein männliches Gretchen-Haase-Männchen (und dann doch wieder genau das Gegenteil von ihr), das innerhalb des Film zum wahren Helden mutiert. Ben Stiller schafft eine Welt voller Bilder, Quotes und Tiefgründigkeiten, die eine beeindruckend gute Stimmung und dieses "Ich-tue-jetzt-was-Gefährliches-was-mir-schon-immer-am-Herzen-lag"-Aufbruchsstimmungsgefühl hinterlassen. Alle Daumen oben für diese wunderbaren Bilder und Töne.