Donnerstag, 20. Dezember 2012

Was ist bloß ... mit Dr. Perfect los?

Ach, ich weiß auch nicht. Eigentlich ging es heute ganz viel versprechend mit einem Lächeln zwischen uns los. Ich war froh, dass ein neuer Tag angebrochen war. Es zog mich auf die Arbeit und ich fühlte mich dabei nicht mal mehr schlecht. Eine neue Errungenschaft, wenn ich auf die Qualen der letzten Monate zurückblicke. Es ist ja auch nicht so, dass es mir nicht gefällt, wenn ich zu Hause bin. Aber das Herzklopfen, das Gefühl lebendig zu sein, ist woanders. Ist das richtig? Kann das überhaupt richtig sein? Und wieso soll etwas, was sich so gut anfühlt, verkehrt sein?


Morgens in der Besprechung hatte ich die Wahl, mich ihm direkt gegenüber zu setzen oder eine andere Person dorthin zu lassen. Ich war mutig und entschied mich dafür, ihm so nah wie möglich zu sein. Wir lächelten uns zu. Als ich dann jedoch etwas zu sagen hatte, war ich plötzlich nicht mehr so überzeugt von meiner konfrontativen Vorgehensweise. Ich schaute an ihm vorbei und vermied damit den direkten Blickkontakt, weil ich es nicht ausgehalten hätte. Einen Millisekundenmoment kreuzen sich doch unsere Blicke. Er sah mich an und sagte etwas Anerkennendes zu mir. Doch den Rest des Tages kam er mir irgendwie distanziert vor. Keine Ahnung, er wirkte überarbeitet. Es schien ihm nicht gut zu gehen. Bartstoppelig und mehr unterwegs als greifbar, so dass ich ihn kaum sah.
Ein unerwartetes, spontanes Treffen war mir am Nachmittag dann doch noch vergönnt als ich ihn auf dem Gelände traf und wir zusammen unseren gemeinsamen Weg fortsetzten. In einem Anflug meines zurückeroberten konfrontativen Mutes fragte ich ihn spontan, ob er auf der morgigen Fortbildungsveranstaltung, die noch nach einer verantwortlichen Person aus unserem Team dürstete, die Blumen überreichen könnte. Als ich ihn mir nach meiner Frage von der Seite genau betrachtete und auf eine Antwort wartete, wirkte er irgendwie erschöpft, fertig und sagte stimmig, dass er gesundheitlich angeschlagen sei. Da bemerkte ich erst, dass er einen kleinen Schal trug. Schön abgestimmt auf sein hellblaues Hemd.  Er lehnte meine Bitte mit der Begründung ab, dass er morgen um die anvisierte Zeit bereits zu Hause sein wollte. Oder wenn er es noch bewerkstelligen könnte zum Vortrag einer von ihm sehr geschätzen Ärztin fahren wolle. Es gefiel mir natürlich überhaupt nicht, dass er zu ihrem Referat gehen wollte, hatte sie doch erst gestern erhebliche, bisher unbekannte Eifersuchtsgefühle in mir ausgelöst, als sie mich fragte, wo er sei und sich sogleich nach meiner Antwort in sein Zimmer aufmachte. Wow, was für ein starkes Gefühl! Ich merke schon, dass ich glaube, ich habe das Recht in ihn verliebt zu sein, gepachtet. Und jetzt wagt sich diese Ärztin in sein Zimmer. 1. Wie kann sie das wagen, wo ich mir das noch überhaupt nicht getraut habe? 2. Was will sie von ihm? Wahrscheinlich ist alles sehr harmlos. Ich bemerke an dieser meiner Reaktion, dass er mir keinesfalls egal ist und dass ich, wenn ich schon unglücklich verliebt in ihn bin, doch bitte die Einzige sein möchte. Macht es das besser? Für sie vielleicht eine Lapalie. Aber das ist es eben nicht für mich. Ich bin entbrannt und weiß nicht, ob ich es abstellen würde, wenn ich könnte. Aber zurück zur eigentlichen Situation. Ich sah seine Not und dass er eigentlich ziemlich fertig aussah. Wahrscheinlich hätte er sowieso nach Hause gehört. Ich wünschte ihm mit einem Gesichtsausdruck, der ihm transportieren sollte „Mensch, das tut mir leid. Gute Besserung." Auf jeden Fall war es heute eher so, dass ich ihn stützen musste und nicht umgekehrt wie sonst in den letzten Wochen. War auch mal ein gutes Gefühl wieder auf Augenhöhe zu sein bzw. die offensichtlich Stabilere von uns beiden zu sein. Ich kann mich natürlich nicht daran erfreuen, wenn es ihm schlecht geht, aber wenn es denn so ist, begebe ich mich automatisch auf Ursachensuche, warum es ihm schlecht geht.

Ich würde seine Erschöpfung natürlich gerne so interpretieren, dass er mir etwas von seinen Gefühlen zeigt, muss es aber auch als weitere Ablehnung akzeptieren. Ach was, er ist einfach erschöpft von der ganzen Arbeit. Gerne würde ich darin auch irgendwelche Gefühlsverwirrungen erkennen, die ihn an der Erholung hindern und den Abstand zu mir suchen lassen. Aber wahrscheinlich muss ich akzeptieren, was es ist: nämlich dass ich auch nur eine Kollegin für ihn bin. Bin ich das? Es klingt mir noch in den Ohren wie er sagte „Es ist schon etwas mehr als nur gut miteinander auskommen.“ Ja, schön wär's. Wie auch immer, es fehlte die locker-fluffige Stimmung zwischen uns. Vielleicht kann das ja auch nicht immer so sein. Zur Überbrückung bis ich herausgefunden habe - falls ich das jemanls tun werde - warum er wirklich so hinüber ist, könnte Tim Benzko `s „Auf den ersten Blick“ einen Lösungsansatz bieten. Ist das nicht ein Titel über den momentanen Flo?:

„Er war so sehr mit sich und seiner Welt im Reinen. 
Er war so sehr von sich selbst überzeugt. 
Er wollte immer mehr und hat sich nie dafür verbogen. 
Das fiel ihm nicht schwer, ihm ist das Glück zugeflogen.

Auf den ersten Blick sieht man nicht, dass nichts davon wahr ist, 
wie groß die Gefahr ist, dass er fällt, wenn er die falsche Richtung wählt. 
Auf den ersten Blick sieht man nicht, dass er genau wie du und ich noch nicht angekommen ist. 
Und dass er eigentlich nur den Weg nach Hause sucht. 

Ich war so sehr damit beschäftigt so wie er zu sein,
Denn ich war so sehr von ihm überzeugt. 
Ich wünschte mir sehr, ich wäre mit ihm geflogen, 
Doch dann habe ich bemerkt, auch er blieb am Boden. 

Wann fällt dir auf, dass euch nichts unterscheidet? 
Wann hörst du auf, all die anderen zu beneiden? 

Denn nur auf den ersten Blick sieht man nicht, dass nichts davon wahr ist, 
wie groß die Gefahr ist, dass er fällt, wenn er die falsche Richtung wählt. 
Auf den ersten Blick sieht man nicht, dass er genau wie du und ich noch nicht angekommen ist. 
Und dass er eigentlich nur den Weg nach Hause sucht."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen