Samstag, 8. Dezember 2012

"Hopeless place" ist gar nicht so weit weg


Vieles andere wird unwichtig, wenn Krankheiten in unser Leben treten. Und ich rede hier nicht von einem Infekt, sondern anderen, weitreichenderen, langandauernden, vielleicht nie endenden Krankheiten. Wenn es Menschen in einiger Entfernung trifft, ist der Abstand groß genug, dass es uns nicht überrollt. Wir reden uns ein, dass es nicht uns getroffen hat, und wissen doch, dass es uns irgendwann treffen wird. Keiner weiß, ob und wann uns welche Krankheit trifft. Fakt ist aber, dass wir irgendworan sterben müssen. Der Slogan der diesjährigen ARD-Themenwoche „Leben mit dem Tod“ war genial, verdeutlichte er doch genau diesen Fakt: „Sie werden sterben – Lasst uns darüber reden“. 


Tritt Krankheit in unser eigenes Leben, bei einem selbst oder bei nahen Angehörigen oder Freunden, reicht schon der Verdacht aus, um alles zum Stillstand zu bringen. Bei meinem Vater wurde gestern der Verdacht auf eine bösartige Erkrankung geäußert. Bösartig – wie das klingt! Das reißt mich schon aus der kollektiven Verdrängungsleistung, dass es mich vielleicht doch aus irgendeinem Grund nicht treffen wird. Eben Verdrängung. Kann man nicht so rational erklären, denn aus meiner eigenen Geschichte heraus müsste mir klar sein, dass der Tod wie in jeder anderen auch in meiner Familie vorbeischaut. Gefühlt erst gestern und doch schon 5 Jahre her seit meine Mutter mit 57 Jahren den plötzlichen Herztod stirbt. Zwar nicht „bösartig“, aber bei aller Gutartigkeit leider tödlich. Ihr hätten solche Wortspiele gefallen. Was fange ich nun an mit dem Verdacht bei meinem Vater? Auf meiner Arbeit bin ich tagtäglich mit Menschen konfrontiert, die schwere Krankheiten haben. Ein Verdrängen ist hier schon per se nicht möglich. Alles erinnert daran. Alles dreht sich darum. Komplizierend dazu habe ich mich in den Experten auf diesem Gebiet verliebt. Ja, Flo kennt sich auf diesem Fachgebiet aus. Ich entschloss mich, diese Tatsache zu nutzen. Welche Tatsache? 1. Dass er der Experte ist. 2. Dass ich einen guten Draht zu ihm habe. Diese Argumente haben im Vergleich zu meinem Gefühlschaos überwogen. Bei der nächst besten Gelegenheit habe ich es Flo gesagt, habe ihm von dem Verdacht bei meinem Vater erzählt, habe mir einen Rat von ihm geholt. Er gab mir hilfreiche Informationen und bedauerte mich dann. Dafür ist er gut. Das kann er einfach. Anderen sein Mitleid aussprechen. Ach ich weiß auch nicht. Ich möchte nicht so als Opfer meiner Gefühle und meiner familiären Sorgen vor ihm stehen. Ich möchte als Frau, als Therapeutin von ihm wahrgenommen werden. Ich war auf dem Weg, mich zu stabilisieren. Und jetzt das. Warum? Warum jetzt? Ich habe noch viel zu verarbeiten. Nun bleibt mir nur, die weiteren Untersuchungen in der nächsten Woche abzuwarten. Warten! Grausam! Etwas, was wir von unseren Klienten tagtäglich verlangen. Oft ohne nochmal darüber nachzudenken. Ich will es wissen. Jetzt. Sofort. Am besten gestern!

 

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