Sonntag, 23. Dezember 2012

Da war es plötzlich so als seien wir nur zu zweit.

“Mir fehlen die Worte, 
Ich hab die Worte nicht, 
Dir zu sagen, was ich fühl. 
Ich bin ohne Worte, 
Ich finde die Worte nicht. 
Ich habe keine Worte für dich.
Du bist die Erinnerung an Leichtigkeit, 
Die ich noch nicht gefunden haben, 
Der erste Sonnenstrahl nach langem Regen…“ 

Tim Bendzko 
Wenn Worte meine Sprache wärn


So schön und verwirrend. Ich habe viele Worte und diese haben meine jeweiligen Adressaten auch schon erreicht. Ich weiß nicht mehr, auf wen dieses von mir viel gehörte Lied besser passt. Und da ich das nicht weiß, tue ich das, was ich immer tue, wenn ich meine Gedanken sortieren muss: Schreiben.

Es fällt bei der Dokumentation meiner Liebes- und Leidensgeschichte meist nicht so auf, aber es gibt auch einen großen Bereich in meinem Gefühlsleben, der sich mit Konstantin beschäftigt. Konstantin. Mein Konstantin! Da ich aus einer relativ zufriedenen und glücklichen Partnerschaft stamme, verspürte ich bisher keinen Drang das aufzuschreiben. War ja alles in Ordnung, was ich natürlich jetzt anzweifeln muss. Ich wäre nie selbst drauf gekommen. Erst als sich eine dritte Person gefühlsmäßig in unsere Zweisamkeit drängte, begann ich nachzudenken. Druck verusachen ja eher die Aspekte, die verwirrend, aufregend, aufwühlend sind. Das war zwischen Konstantin und mir nicht so. Und außerdem reden wir ja miteinander, so dass ich für unser zwischenmenschliches Leben das Schreiben bisher nicht benötigte.  Um das Ganze nun etwas gesamtheitlicher zu behandeln, kommt hier die aktuelle Situation zwischen Konstantin und mir. Ganz ohne Flo.

Ich hatte gestern ein gutes Gespräch mit Konstantin, indem ich ihm den Ernst der Lage, meine Gefühlswelt erklären konnte ohne wirklich den Anlass, den Grund, dafür zu benennen. Ich hatte mir auch das natürlich lang und breit überlegt und war zu dem Schluss gekommen, dass es hier zwar Kommunikationsbedarf gab, aber dass es wirklich keinem helfen würde, wenn ich jetzt die ganze Wahrheit auf den Tisch legen würde. Jetzt, wo klar ist, dass zwischen Flo und mir ja völlig korrekt überhaupt nichts passiert ist. Ich hielt es also im Sinne der Schadensbegrenzung für richtig, ehrlich zu bleiben, aber nicht alles zu sagen. Ziwschenzeitlich hatte ich Angst davor, dass ich noch hätte die gesamte Wahrheit sagen müssen, wenn Konstantin gebohrt hätte, aber das tat er nicht. Stattdessen ging es ganz um uns beide, unsere Beziehung, wie wir uns trotz der Elternschaft nicht als Paar verlieren. Ich machte ihm klar, dass ich mich nicht geliebt fühle, dass sich Gewohnheit eingeschlichen habe, dass ich die Verliebtheit vermisse, dass ich um uns kämpfen will und das deswegen anspreche. Dass ich eine solche Situation in einem früheren Leben schon einmal erlebt habe und mir unsere Beziehung zu wichtig sei, um sie einfach so nebenher laufen zu lassen.

Es hat ihn ziemlich getroffen. Ich hätte nicht gedacht, dass es solche Auswirkungen haben könnte. Zuerst ging er völlig aus dem Felde, zog sich an und ging wortlos nach draußen. Diese und andere Reaktionen zeigten mir seine Verletzbarkeit, wo ich doch sonst wenig von seinen Emotionen bemerke, er mir wenig davon zeigt. Ich fand das zuerst sehr positiv, weil es immerhin eine emotionale Reaktion war. Doch nachdem er gegangen war, überkam mich das beklemmende Gefühl, dass ich etwas unwiederbringlich zerstört haben könnte. Und das machte mir dann doch Angst, denn zu keiner Zeit habe ich wirklich daran gedacht mich von Konstantin zu trennen. Meine emotionale Reaktion bestätigte mir selbst, dass ich ihn liebe. Nach einer gewissen Zeit ging ich ihm mit Kai hinterher. Wir hatten am Nachmittag eine Verabredung bei Freunden und verbrachten dort einen relativ normalen Nachmittag. Abends, als Ruhe eingekehrt war, redeten wir weiter. Es fiel mir schwer, meine Probleme zu erklären, wo er sie doch seinerseits gar nicht sah. Es wirkte sicherlich vieles total unkonkret. Ich umschiffte alle Themen, die mit Flo zu tun hatten und sie gehörten auch gar nicht hierher.

Ich sagte ihm dass es mir so vorkommt, dass er nur mit mir ein Haus bauen will, weil ich seine Partnerin bin. Und nicht weil ich die EINE bin. Und ich will die Eine sein. Ich versuchte ihm mehrmals klarzumachen, dass es mir nicht um Vernachlässigung in dem Sinne geht, dass er seine eigenen Sachen und Hobbies verfolgt. Im Gegenteil, ich finde es sogar bereichernd, wenn jeder seine eigenen Bereiche hat. Doch Konstantin brachte dieses Vernachlässigungs-Thema von sich aus. Ich widersprach, dass es mir um die Gefühle gehe. Dass es bei mir nicht mehr kribbeln würde wie am Anfang. Und dass ich nicht ein Haus mit ihm bauen will nur um ein Haus zu bauen. Und dass ich ihn auch nicht nur deswegen heiraten will. Ich glaube ich habe so ziemlich alles, was mir auf dem Herzen lag, gesagt (und Flo feinsäuberlich abgeschnitten). Gestern hatten wir ganz ruhig darüber gesprochen und ich dachte auch, dass es für uns beide demnach o.k. war. Ich fühlte mich erleichtert und ein bisschen zufrieden. Ich hatte das Gefühl, nun abwarten zu können, was passiert. Ich hatte einiges dafür getan, um unsere Beziehung zu retten. Und heute sitze ich gerade in der Küche, um zu schreiben, da kommt unverhofft Konstantin viel zu früh von der Arbeit. Ich erfasste sofort, dass er bereits gefühlsmäßig übermannt war. Er war schon halb am Weinen als er herein kann. Für einen kleinen Moment kamen mir Zweifel, ob vielleicht sich vielleicht trennen wollte. Angst, große Angst bei mir. Seine ersten Worte waren „Ich wollte dir nur sagen, ich komme nicht nach Hause“ dann eine Gedenkpause in der meine Zweifel geschürt wurden (ich sah mich schon als allein erziehende Mutter) „weil du meine Sachen wäscht oder für mich kochen sollst, sondern wegen Dir. Wegen dir komme ich nach Hause.“ Es fiel ihm sichtlich schwer, vermutlich hatte er die ganze Nacht und den ganzen Tag mit sich gerungen, aber er sagte es. Er kämpfte um mich, was mich als ich es erstmal erkannte, unheimlich erleichterte, imponierte, mich ein kleines bisschen glücklicher machte. Natürlich kann ich mich nicht daran erfreuen, dass es ihm schlecht geht, was ja offensichtlich so war, aber es war so wichtig, das zu sehen. Zu sehen wie sehr Konstantin an mir hängt, wie stark er für mich empfindet. Er gab sich große Mühe und die ganze Zeit weinte er. Ich fand das total beeindruckend. Die harte Schale hat so einen weichen Kern und ich war glücklich, dass er ihn mir heute gezeigt hat. Er tat mir auch leid, dass er das jetzt durchmachen musste, aber so war es nun mal. Und wenn das nötig war, um uns wach zu rütteln, war es das wert. Wir nahmen uns in die Arme und verharrten so minutenlang. Ich bin bereit, um unsere Beziehung zu kämpfen, an ihr zu arbeiten. Ich sagte und versicherte ihm, dass ich zu keiner Zeit überlegt habe mich von ihm zu trennen. Ich hatte schon den Eindruck, dass er Angst vor einer Trennung hatte. Ich wollte ihm diese Angst nehmen, sagte ihm wie erleichtert ich schon seit gestern gewesen bin. Und wieder dass es mir sehr leid tue, dass er jetzt so traurig ist. Und das alles meine ich so ehrlich. Da war auch kein Platz für Flo. Da war es wieder so als wären wir wieder nur zu zweit. Ich liebe unsere kleine Familie, unseren Sohn, unsere viel zu kleine Wohnung, die wir schon so lange miteinander teilen. Ich weiß nicht, ob ich Flo ganz aus meinen Gedanken verdrängen kann. Im Moment bin ich aufgrund seiner Abwesenheit und meiner eigenen gefühlsmäßigen Neuorientierung dorthin, wo ich hingehöre, ganz gut von ihm entwöhnt.
Womit ich mich jetzt beschäftigen muß, ist das Arbeiten an meiner Beziehung. Ich habe mir auch überlegt, ob der Reiz einer Verbindung zu Flo gewesen wäre, es überhaupt zu können, es zu schaffen. Was interessiert mich wirklich so sehr an ihm? Ist es die Aufmerksamkeit, die mir Konstantin auch geben kann, jetzt wo er weiß worum es mir geht? Ist es das Flirten, das mit Konstantins Knopfaugen auch hervorragend geht? Und wenn es keines von beiden ist, was bleibt dann noch? Ist es der puren Nervenkitzel im Alltagstrott? Der Anreiz etwas Unerreichbares zu erreichen? Und sollte es Letzteres sein, wusste ich heute als ich Konstantin umarmte, dass ich das nicht bringen kann. Dass ich nicht bringen kann, etwas parallel mit Flo zu haben. Auf Kosten von zwei Partnern und vier Kindern. Es ist fast so als sei ich endlich wach geworden. Die Texte von Tim Bendzko passen plötzlich genauso gut auf mich und Konstantin 

„Keine Ahnung was passiert ist. Wo kommst du denn plötzlich her. 
Einer wie du, der sagt „Ich liebe dich“ gibt's doch eigentlich nicht mehr.“ 
Sag einfach ja


„Ich brauch viel mehr davon, erst dann fang ich zu leben an. 
Ich will viel mehr davon, damit ich atmen kann“ 
Mehr davon

Wie auch immer, ich habe das Gefühl, dass dies einen Abschied bedeutet. Und es wird der Abschied von Flo sein. Meine Gefühle werden sicherlich noch einige Male aufflackern, wie eine Kerze kurz bevor sie erlischt. Ich werde immer wissen, dass sie da gewesen ist und dass ich sehr mutig gewesen bin. Und dass ich alles getan habe. Und das macht mich traurig und zuversichtlich zugleich.

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