Donnerstag, 29. November 2012

Flirten oder Fletschen?


Es wird leichter.

Es wird leichter, wenn man angesichts der Schwere meines Problems von „leichter“ sprechen kann. Das tägliche miteinander gewinnt an Normalität und ein bisschen Normalität tut bei allem Hunger nach Spannung und Veränderung auch gut und Not.  Flo und ich gingen wie so oft vor Ground Zero morgens zusammen in die Ambulanz. Allein. Und ohne Flucht, Sicherheitsabstand und gezielte Verabredung. Einfach so. Gute 2 Wochen nach meinem Geständnis kann ich also sagen: Na, geht doch. Er redete von einer Fortbildung, ich sagte etwas Geistreiches - keine Ahnung was - dazu. Es war wie immer, bevor er gewusst hatte, was ich für ihn empfinde. Ich fühlte mich dabei wohl. Wobei? Dabei, dass wir ganz unverkrampft miteinander kommunizieren können und ES trotzdem wissen. Ich genieße, dass wir dieses Geheimnis miteinander haben. Ja, ich genieße das wirklich. Vielleicht weil es der ganzen Situation den Anstrich des Besonderen gibt. Ich denke nicht, dass irgend eine andere Kollegin, und sollte sie auch genauso empfinden, soweit gegangen ist. Es mag schon einige Leute geben, die heimlich verliebt sind, aber wenige, die das so klar mitgeteilt haben. Natürlich könnte ich mich auch ausgeliefert fühlen, jetzt wo er es weiß, aber dieses Gefühl ist mir irgendwie bei ihm völlig fremd. Warum bloß? Vertrauen ist die Antwort.



Im Umgang miteinander stellt sich mir nunmehr die Frage: Fletschen oder Flirten? Was hat es zu bedeuten wie er sich mir gegenüber verhält, wenn andere Leute mit dabei sind? Ist es ein spannungshaltendes Flirten oder ein vorsichtiges Zähnefletschen, weil ich ihn in diese unmögliche Situation gebracht habe, oder gar ein kleines Löwengebrüll damit die anderen ja nicht merken, dass da etwas zwischen ihm und mir ist? Durch unsere heutige Begegnung am Kaffeetisch, die ich noch immer nicht ganz einordnen kann, wird das vielleicht etwas deutlicher: Wir beide, Flo und Eva, saßen dort mit einigen anderen und sprachen über einen Klienten, der einen spanischen Nachnamen hatte. Flo, der den Klienten noch nicht kannte, fragte, was für ein Landsmann er sei. Und ich darauf ganz spontan, dass er 

„nur mit einer Spanierin verheiratet ist“, deren Namen angenommen habe und ein Deutscher wäre. Und er griff das sofort auf und kommentierte lachend 

„Ach so, das ist ja überhaupt das Schlimmste: verheiratet zu sein.“ 

Ups, aus welcher Ecke kam das denn? Blickkontakt hatten wir dazu keinen, da wir in einer Reihe saßen und uns nicht direkt sehen konnten. Demzufolge bleibt mir diese nonverbale Kommunikationsquelle vorenthalten und ich kann sie nicht für Interpretationszwecke heranziehen. Rein äußerlich musste ich aus einem Impuls heraus lachen, wurde etwas rot und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Humor ist gut, gerade in so verfahrenen Situationen sogar auflockernd. Aber innerlich arbeitete es bereits: Ja, da hat er recht, für mich ist es absolut schlimm, dass er verheiratet ist. Für ihn auch? Warum sagt er so was? Die anderen bemerkten sicherlich nicht diesen einen, explosiven Kern der Sache, das grundsätzliche Problem an diesem Witz. Zieht er mich damit auf? Zieht er sich damit auf? Ich bin nicht diejenige, die verheiratet ist. Nach einigem Gelächter ging es noch weiter um den Klienten, der sehr alt und behäbig wirkt. Ich erklärte, warum er vielleicht so wirkt und dann schaltete Flo sich wieder ein und erzählte (Achtung: Flo gibt etwas Persönliches von sich preis), dass sein ehemaliger Vorgesetzter genauso alt wie er war, jedoch viel älter wirkte. Na, da ist aber jemand von seiner jugendlichen Ausstrahlung überzeugt. Wahrscheinlich war es auch kaum für ihn zu vereinbaren einen gleichaltrigen Vorgesetzten zu haben, könnte man auch ketzerisch vermuten. Soweit so gut, aber dann kam etwas, was ich wirklich nicht wissen wollte. Seine Frau sei nur ein Jahr jünger als er und würde immer 10-15 Jahre jünger geschätzt. Als wer? Als sie selbst? Als er selbst? Oder der Bevölkerungsdurchschnitt? Wenn er schon jünger als er ist geschätzt wird und seine Frau noch mal 15 Jahre jünger als er jünger geschätzt wird, reden wir hier fast von Verführung Minderjähriger. Und überhaupt, was soll dieses ganze "jünger, schneller, weiter"? Na, ich halte das ja für sehr übertrieben. (Hier seht ihr das praktische Beispiel einer selbstwertschonenden Attribution) Und was die Querverbindung zu seiner Frau angeht: Danke auch, du Arsch! Hatte bisher alle Gedanken an seine Frau erfolgreich verdrängt. Musste er mir das so auf die Nase binden? Ich glaube er denkt ziemlich genau darüber nach, wo er welche Informationen platziert. Was sollte das heißen? Was war die Botschaft? "Schau wie toll und jung und glücklich meine Frau und ich sind."? Keine Ahnung! Ich zog mir jedenfalls in Gedanken schon Turnschuhe und Sportsachen an bevor ich den absurden Gedanken, ich müsse mit ihr mithalten, stoppen konnte. Ich wollte das nicht hören, aber mir ist das nun mal nicht egal. Er ist mir nicht egal. Und das ist das Problem. Ich will ja gar keine Kopie seiner Frau sein. Ich will eigentlich gar nichts von „Laura“ wissen. Ich bin ich. Und ich bin sowieso anders. Und das ist auch gut so, denn sollte er sich je für etwas, eine Frau, außerhalb seiner Ehe interessieren, dann wird dies sicherlich kein Abbild dieser, seiner Frau sein. Er ist ja nicht Dieter Bohlen. Es kommt jetzt darauf an, die Spannung aufrecht zu erhalten. Mich interessant und spannend, wie ich nun einmal bin, darzustellen. Und das geht nur über das, was ich kann. Das geht nur über das menschliche, das zwischenmenschliche, für das er sich ja so brennend interessiert. Es geht um interessantes, spannendes, zwischenmenschliches Verhalten. Kann er haben! Hab schon angefangen damit. Und doch muss ich irgendwie die Balance halten und nicht seine Grenzen überschreiten. Ich habe Angst, dass er aggressiv abweisend gegenüber mir werden könnte, wenn ich ihn zu sehr bedränge oder provoziere. Aber das wäre immerhin eine gefühlsmäßige Reaktion. Im Moment ist es ja so als tangiert ihn das gefühlsmäßige überhaupt nicht. Und ich würde ihn zu gerne fragen: „Sag mal, tangiert dich das gefühlsmäßig überhaupt nicht, dass ich mich in dich verliebt habe? Ist da wenigstens irgendwas? Traurigkeit, sich geschmeichelt fühlen, Schuld?  Ich spüre, dass da mehr zwischen uns ist als nur die berufliche Beziehung und du kannst dich nicht ewig davor verschließen. Nicht auf Dauer." Vielleicht wäre das etwas, womit ich zu ihm durchdringen könnte. 

Und dann frage ich mich wieder: er weiß es nun und kann trotzdem so unverblümt weiter Flirten? Oder die Zähne fletschen? Er muss sich bewusst sein, dass ich in Bezug auf ihn nicht außer Gefahr bin. Moment, der arme Kerl kanns mir wohl auch nicht recht machen. Erst am Dienstag hatte ich ihn gebeten, so normal wie vor Ground Zero mit mir umzugehen. Und jetzt bin ich empört, wenn er es tut. Es könnte seine Reaktion auf meinen Wunsch nach Normalität sein und kein Abbild seiner Gefühle. Er versucht es mir in seinen Grenzen recht zu machen? Was genau genommen bedeutet, er versucht es sich recht zu machen. Werde ich je erfahren wie es wirklich in ihm aussieht? Was meint Ihr?

Flirten oder Fletschen. 
Am Ende der Seite bitte abstimmen! Danke,

Eure Eva.

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