Es wird leichter.
Es wird leichter, wenn man angesichts der Schwere meines Problems
von „leichter“ sprechen kann. Das tägliche miteinander gewinnt an Normalität
und ein bisschen Normalität tut bei allem Hunger nach Spannung und Veränderung
auch gut und Not. Flo und
ich gingen wie so oft vor Ground Zero morgens zusammen in die Ambulanz. Allein.
Und ohne Flucht, Sicherheitsabstand und gezielte Verabredung. Einfach so. Gute
2 Wochen nach meinem Geständnis kann ich also sagen: Na, geht doch. Er redete
von einer Fortbildung, ich sagte etwas Geistreiches - keine Ahnung was - dazu.
Es war wie immer, bevor er gewusst hatte, was ich für ihn empfinde. Ich fühlte
mich dabei wohl. Wobei? Dabei, dass wir ganz unverkrampft miteinander
kommunizieren können und ES trotzdem wissen. Ich genieße, dass wir dieses
Geheimnis miteinander haben. Ja, ich genieße das wirklich. Vielleicht weil es
der ganzen Situation den Anstrich des Besonderen gibt. Ich denke nicht, dass
irgend eine andere Kollegin, und sollte sie auch genauso empfinden, soweit
gegangen ist. Es mag schon einige Leute geben, die heimlich verliebt sind,
aber wenige, die das so klar mitgeteilt haben. Natürlich könnte ich mich auch
ausgeliefert fühlen, jetzt wo er es weiß, aber dieses Gefühl ist mir irgendwie
bei ihm völlig fremd. Warum bloß? Vertrauen ist die Antwort.
Im Umgang miteinander stellt sich mir nunmehr die Frage: Fletschen
oder Flirten? Was hat es zu bedeuten wie er sich mir gegenüber verhält, wenn
andere Leute mit dabei sind? Ist es ein spannungshaltendes Flirten oder ein
vorsichtiges Zähnefletschen, weil ich ihn in diese unmögliche Situation
gebracht habe, oder gar ein kleines Löwengebrüll damit die anderen ja nicht
merken, dass da etwas zwischen ihm und mir ist? Durch unsere heutige Begegnung am
Kaffeetisch, die ich noch immer nicht ganz einordnen kann, wird das vielleicht
etwas deutlicher: Wir beide, Flo und Eva, saßen dort mit einigen anderen und
sprachen über einen Klienten, der einen spanischen Nachnamen hatte. Flo, der
den Klienten noch nicht kannte, fragte, was für ein Landsmann er sei. Und ich
darauf ganz spontan, dass er
„nur mit einer Spanierin verheiratet ist“, deren
Namen angenommen habe und ein Deutscher wäre.
Und er griff das sofort auf und kommentierte lachend
„Ach so, das ist ja überhaupt das Schlimmste: verheiratet zu
sein.“
Ups, aus welcher Ecke kam das denn? Blickkontakt hatten wir dazu keinen,
da wir in einer Reihe saßen und uns nicht direkt sehen konnten. Demzufolge
bleibt mir diese nonverbale Kommunikationsquelle vorenthalten und ich kann sie
nicht für Interpretationszwecke heranziehen. Rein äußerlich musste ich aus
einem Impuls heraus lachen, wurde etwas rot und vergrub mein Gesicht in meinen
Händen. Humor ist gut, gerade in so verfahrenen Situationen sogar auflockernd.
Aber innerlich arbeitete es bereits: Ja, da hat er recht, für mich ist es
absolut schlimm, dass er verheiratet ist. Für ihn auch? Warum sagt er so was?
Die anderen bemerkten sicherlich nicht diesen einen, explosiven Kern der Sache,
das grundsätzliche Problem an diesem Witz. Zieht er mich damit auf? Zieht er
sich damit auf? Ich bin nicht diejenige, die verheiratet ist. Nach einigem
Gelächter ging es noch weiter um den Klienten, der sehr alt und behäbig wirkt.
Ich erklärte, warum er vielleicht so wirkt und dann schaltete Flo sich wieder
ein und erzählte (Achtung: Flo gibt etwas Persönliches von sich preis), dass
sein ehemaliger Vorgesetzter genauso alt wie er war, jedoch viel älter wirkte.
Na, da ist aber jemand von seiner jugendlichen Ausstrahlung überzeugt.
Wahrscheinlich war es auch kaum für ihn zu vereinbaren einen gleichaltrigen
Vorgesetzten zu haben, könnte man auch ketzerisch vermuten. Soweit so gut, aber
dann kam etwas, was ich wirklich nicht wissen wollte. Seine Frau sei nur ein
Jahr jünger als er und würde immer 10-15 Jahre jünger geschätzt. Als wer? Als
sie selbst? Als er selbst? Oder der Bevölkerungsdurchschnitt? Wenn er schon
jünger als er ist geschätzt wird und seine Frau noch mal 15 Jahre jünger als er
jünger geschätzt wird, reden wir hier fast von Verführung Minderjähriger. Und
überhaupt, was soll dieses ganze "jünger, schneller, weiter"? Na, ich
halte das ja für sehr übertrieben. (Hier seht ihr das praktische Beispiel einer
selbstwertschonenden Attribution) Und was die Querverbindung zu seiner Frau
angeht: Danke auch, du Arsch! Hatte bisher alle Gedanken an seine Frau erfolgreich verdrängt. Musste er mir das so auf die Nase binden?
Ich glaube er denkt ziemlich genau darüber nach, wo er welche Informationen
platziert. Was sollte das heißen? Was war die Botschaft? "Schau wie toll
und jung und glücklich meine Frau und ich sind."? Keine Ahnung! Ich zog
mir jedenfalls in Gedanken schon Turnschuhe und Sportsachen an bevor ich den
absurden Gedanken, ich müsse mit ihr mithalten, stoppen konnte. Ich wollte das
nicht hören, aber mir ist das nun mal nicht egal. Er ist mir nicht egal. Und
das ist das Problem. Ich will ja gar keine Kopie seiner Frau sein. Ich will
eigentlich gar nichts von „Laura“ wissen. Ich bin ich. Und ich bin sowieso
anders. Und das ist auch gut so, denn sollte er sich je für etwas, eine Frau,
außerhalb seiner Ehe interessieren, dann wird dies sicherlich kein Abbild
dieser, seiner Frau sein. Er ist ja nicht Dieter Bohlen. Es kommt jetzt darauf
an, die Spannung aufrecht zu erhalten. Mich interessant und spannend, wie ich
nun einmal bin, darzustellen. Und das geht nur über das, was ich kann. Das geht
nur über das menschliche, das zwischenmenschliche, für das er sich ja so brennend
interessiert. Es geht um interessantes, spannendes, zwischenmenschliches
Verhalten. Kann er haben! Hab schon angefangen damit. Und doch muss ich
irgendwie die Balance halten und nicht seine Grenzen überschreiten. Ich habe
Angst, dass er aggressiv abweisend gegenüber mir werden könnte, wenn ich ihn zu
sehr bedränge oder provoziere. Aber das wäre immerhin eine gefühlsmäßige
Reaktion. Im Moment ist es ja so als tangiert ihn das gefühlsmäßige überhaupt
nicht. Und
ich würde ihn zu gerne fragen: „Sag mal, tangiert dich das gefühlsmäßig
überhaupt nicht, dass ich mich in dich verliebt habe? Ist da wenigstens
irgendwas? Traurigkeit, sich geschmeichelt fühlen, Schuld? Ich spüre,
dass da mehr zwischen uns ist als nur die berufliche Beziehung und du kannst
dich nicht ewig davor verschließen. Nicht auf Dauer." Vielleicht wäre das
etwas, womit ich zu ihm durchdringen könnte.
Und dann frage ich mich wieder: er weiß es nun und kann
trotzdem so unverblümt weiter Flirten? Oder die Zähne fletschen? Er muss sich
bewusst sein, dass ich in Bezug auf ihn nicht außer Gefahr bin. Moment, der
arme Kerl kanns mir wohl auch nicht recht machen. Erst am Dienstag hatte ich
ihn gebeten, so normal wie vor Ground Zero mit mir umzugehen. Und jetzt bin ich
empört, wenn er es tut. Es könnte seine Reaktion auf meinen Wunsch nach
Normalität sein und kein Abbild seiner Gefühle. Er versucht es mir in seinen
Grenzen recht zu machen? Was genau genommen bedeutet, er versucht es sich recht
zu machen. Werde ich je erfahren wie es wirklich in ihm aussieht? Was meint
Ihr?
Flirten oder Fletschen.
Am Ende der Seite bitte abstimmen! Danke,
Eure Eva.
Am Ende der Seite bitte abstimmen! Danke,
Eure Eva.
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