Es ist schlichtweg kaum zum Aushalten!
Auf mir lastet das Gewicht der ganzen Welt. Ich bin so traurig, dass ich nicht glauben kann, dass es jemals wieder hell wird. Ich weiß rational, dass das vorbeigeht, aber es tut einfach so scheiß weh. Es ist wie laufen lernen unter Schmerzen.
Ich versuche mich zu betäuben,
zu verarbeiten,
zu vergessen,
aber das geht nicht so schnell wie ich es mir wünsche.
Ich gestatte mir aufgrund der Pinkantheit meines Problems nur enge Zeitfenster, in denen ich mich meinen Gefühlen, wie es wirklich in mir drin aussieht, hingebe: beim Autofahren, beim allein zu Hause sein. Und damit erschöpfen sich die Gelegenheiten schon.
Den gestrigen Tag - einen Arbeitstag - habe ich irgendwie überstanden. Der Kontakt zu Flo war letztlich nicht so schwer zu ertragen wie ich es mir vorstellte. Problematisch waren eher die Momente, in denen ich ganz allein war. Da hatte ich mich nicht mehr im Griff und ließ es einfach laufen. Es half mir, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Es gab viel zu tun, was hilfreich war. Ich suchte das Gespräch zu anderen Ärzten, zu Kollegen. Ich regelte viel für meine Klienten. Alles rein mechanische Kompensationsstrategien. Ich heule auf der Fahrt zur Klinik und auf der Fahrt zurück nach Hause. Wenn ich die Autotür schließe, ist es eine Wohltat, dass ich endlich lockerlassen kann. Ich kann mir meine Sadness-Playlist im Auto nicht antun, obwohl ich mich gerne der Traurigkeit hingeben würde. Ich würde zu verheult aussehen sowohl auf der Arbeit als auch zu Hause, was Fragen aufwerfen würde, die ich nicht beantworten kann. Stattdessen laufen die Coldplay- oder die Wombats-Playlist. Damit ist es erträglicher, obwohl es mir die Kehle zuschnürt. Ich kann nicht mal mitsingen oder summen wie ich es sonst tue. Meine Stimme bricht ....Manchmal überkommt es mich und schüttelt mich bis ganz nach unten.
Ich machte mir natürlich Sorgen wie es sein würde Flo wiederzubegegnen. Mein letztes Bild war von vorgestern, wo er an der Sprechstundentür stand als ich fluchtartig die Ambulanz verließ, und er mir betreten "Tschüß" sagte. Gestern dann kam er zu spät zur Frühbesprechung, setzte sich auf den Platz neben mir. Wir begrüßten uns mit einem kurzen, stummen Lächeln. Und ich hatte immer nur den Gedanken, dass er nun weiß, dass ich ihn liebe. Ich versuchte, mich nicht zu sehr in den Gedanken hineinzusteigern. Was ich nicht erwartet hatte, war das Gefühl des absoluten Vertrauens, dass er absolut verschwiegen sein würde. Ich weiß nicht wie ein Vertrauen so stark sein kann. Wahrscheinlich weil es Vertrauen ist. Ich fand es bald angenehm und war auch irgendwie froh, dass nun nicht mehr nur ich an diesem Gedanken verzweifelte, sondern er auch involviert ist. Er wird sich sicherlich seine Gedanken dazu machen. Alles andere würde nicht passen. Ich würde ihn gerne fragen wie es ihm damit jetzt eigentlich geht. Wäre das mir passiert, würde es mich keinesfalls kalt lassen. Ich fühlte mich geschmeichelt und mir täte der Betreffende sehr leid. Ich hätte den Impuls, zu helfen, was Flo ja auch hatte. So langsam kommen noch mehr Erinnerungen an "Ground Zero". Die posttraumatische Amnesie bildet sich zurück. In unserem alles entscheidenden Gespräch fragte er, ob es mir helfen würde, wenn wir mal einen Kaffee trinken gehen würden. Nun ja, bevor er das alles wusste, hätte mir das schon geholfen, aber jetzt? Was soll das bringen? Ich sagte, dass ich es mir überlegen wolle. Und nun beginne ich an der Überzeugtheit seiner Abweisung zu zweifeln. Vielleicht fühlte er sich überrumpelt. Könnte auch bei einem Dr. Mollis so sein. Und dann klingen mir seine Aussagen in Endlosschleife immer wieder in den Ohren:
"Ich kann das nicht erwidern."
"Ich habe mich selbst gerade erst stabilisiert." und
"Es ist schon etwas mehr als nur gut miteinander auskommen."
Das lässt mich an seiner Überzeugtheit zweifeln. Er kann, will oder möchte meine Gefühle nicht erwidern? Das ist was anderes als er erwidert sie einfach nicht. Mich würde interessieren, ob er einfach aufgrund seiner Lebenssituation nicht kann, ob es meine Person betrifft, ich einfach nicht sein Typ bin oder sonst was. Ich weiß nicht, ob ich ihn das jemals fragen kann. Ich muss jetzt abwarten. Ihm die Chance geben, sich auf den Gedanken einzulassen. Mein Schritt ist getan, jetzt muss ich abwarten.
"Ich kann das nicht erwidern."
"Ich habe mich selbst gerade erst stabilisiert." und
"Es ist schon etwas mehr als nur gut miteinander auskommen."
Das lässt mich an seiner Überzeugtheit zweifeln. Er kann, will oder möchte meine Gefühle nicht erwidern? Das ist was anderes als er erwidert sie einfach nicht. Mich würde interessieren, ob er einfach aufgrund seiner Lebenssituation nicht kann, ob es meine Person betrifft, ich einfach nicht sein Typ bin oder sonst was. Ich weiß nicht, ob ich ihn das jemals fragen kann. Ich muss jetzt abwarten. Ihm die Chance geben, sich auf den Gedanken einzulassen. Mein Schritt ist getan, jetzt muss ich abwarten.
Er ist sehr vorsichtig, mit mir in Kontakt zu treten, aber da wir zusammenarbeiten, müssen wir das irgendwie tun. Wir hatten uns ja geeinigt, uns mehr auf der fachlichen Ebene zu begegnen. Und so fand ich erstmals eine handgeschriebene Notiz von ihm in meinem Fach. Mir wird jetzt erst klar, warum er diesen Weg gewählt hatte. Er wollte es mir mitteilen, musste es mir mitteilen und wählte einen Weg, bei dem ich entscheiden konnte wie ich mit ihm in Kontakt trete. Es ging um eine Klientin, bei der ich eine Erkrankung diagnostiziert hatte, dies aber aus dem stationären Befund nicht hervorging. Er schrieb, dass er irritiert sei und versah das Ganze mit einem Smilie. Glaub ich gerne, dass er irritiert ist, jedoch weniger wegen dem Befund als wegen mir und wohlmöglich wegen sich selbst. Naja, eine ganz fachliche Antwort ist das wohl nicht, wenn er solche nonverbalen Zeichen braucht. Aber ich habe mich natürlich drüber gefreut. Ich wollte ihn nach der Morgenbesprechung darauf ansprechen, aber er war irgendwie schon weg. Ich ging in den Aufenthaltsraum und trank mit ein paar Leuten einen Kaffee bis er hineinkam und sich auch einen Kaffee nehmen wollte. Er zögerte und stand am Rand ohne sich zu setzen. Das war meine Gelegenheit die Sache mit dem Befund und der Patientin zu klären. Ich gesellte mich zu ihm, denn ich traute mir die Situation zu: fachliches Thema, Leute drumherum, nicht mit ihm allein sein. Gute Situation, um nicht zu overboarden. Ich erklärte ihm, dass als ich den Befund der Klientin schrieb die Diagnose noch nicht klar war. Ich würde den Befund ändern. Er war mir sofort ganz zugewandt, aufmerksam wie immer, Blickkontakt wie immer, alles wie immer. Chemie stimmt und wir sind uns schnell einig. Gut, der Anfang war gemacht. Ich hatte ihm signalisiert, dass ich durchaus mündlich mit ihm kommunizieren kann.
Es ist für mich eine ganz neue Erfahrung. Ich pflegte noch nie Kontakt zu meinen "Verflossenen" oder jemandem, der mich abgewiesen hatte. Ich hatte immer komplett den Kontakt abgebrochen. Nun ist in meiner heutigen Situation auch noch nicht ersichtlich wie das enden wird, ob ich wirklich auf Dauer weiter mit ihm arbeiten kann. Aber es war schon mal ein erster Schritt.
Es ist für mich eine ganz neue Erfahrung. Ich pflegte noch nie Kontakt zu meinen "Verflossenen" oder jemandem, der mich abgewiesen hatte. Ich hatte immer komplett den Kontakt abgebrochen. Nun ist in meiner heutigen Situation auch noch nicht ersichtlich wie das enden wird, ob ich wirklich auf Dauer weiter mit ihm arbeiten kann. Aber es war schon mal ein erster Schritt.
Wir trafen uns noch mal an dem Tag. Er war mutiger geworden und setzte sich nach einigem Zögern zu mir an den Tisch, an dem ich meinen Mittagssalat aß. Es ging locker zu. Ich weiß nicht wie es kam. Ich glaube er sprach mich nicht direkt an. Ja genau, er wartete ab. Er unterhielt sich darüber wie man denn hier an einen Salatteller kommen würde. In die Kantine gehen usw. Naja, schien schon irgendwie auf mich, die einzige Salatesserin am Tisch, bezogen zu sein. Und da schaltete ich mich ein und sagte: "Oder sich einen mitbringen lassen." wie ich das an diesem Tag getan hatte. Es war so einfach. So locker wie immer. Ja, natürlich fiel es mir schwer das zu sagen, wie alles Sprechen. Es war wohl mehr eine Rolle, die ich spielte. Was ich sonst gesagt hätte, wenn alles in Ordnung gewesen wäre. Er stieg darauf ein und kommunizierte weiter mit mir. Ich ging oft aus dem Blickkontakt, weil ich das einfach nicht aushielt. Muss ich ja auch nicht. Und doch überwog einfach der Wunsch, in seiner Nähe zu sein gegenüber dem Impuls, vor ihm zu flüchten. Er wurde mutiger und fragte mich etwas zu einem Klienten, bei dem ich schon vorgestern gewesen war. "Ach, vorgestern schon?" fragte er überrascht. Ja, Dr. Mollis, vorgestern habe ich dir nicht nur meine Liebe gestanden, sondern vorher auch noch gearbeitet. Ich war in der Situation aber ganz aufs Fachliche konzentriert und berichtete ihm dann von dem Klienten. Als ich merkte, dass ich sprechen konnte, wurde ich mutiger und fragte ihn wie es gestern mit seiner Balint-Patientin gewesen sei. Er erzählte, dass es wieder schrecklich gewesen sei. Er sagte das nur mir allein, obwohl der ganze Tisch voller Leute saß. Natürlich, ich hatte ihn ja auch danach gefragt. Wir hatten Blickkontakt. Einmal etwas zu lange. Ich frage mich, was will er mir mit diesem Blick sagen? Wenn ich nicht wüsste, dass er mich vorgestern abgewiesen hatte, würde ich denken, da stecken einige seiner Gefühle in diesem Blick. Vielleicht ist es aber auch nur Mitleid (nein, wie Mitleid sah es wirklich nicht aus) oder ein Hinterfragen: Ist es wirklich so in Ordnung für dich, wenn wir so miteinander sprechen? Oder dieser Sag-Bescheid-wenn-du-Hilfe-brauchst-Blick. Oder "Eigentlich finde ich Eva doch sehr nett."? Ich weiß nicht. Warum schaut er mich so an? Und dann seine Gestik: Mir ist aufgefallen, dass er mich bewusst oder unbewusst total spiegelt. In der Morgenbesprechung sitzen wir oft in der gleichen Haltung nebeneinander. Arme verschränkt oder Arme auf dem Schoß. Ich sollte mal beobachten wie die anderen Leute so dasitzen. So viele Möglichkeiten gibt es da ja nicht. Und bei unserer Unterhaltung hier am Tisch lehnte er sich an, wenn ich mich anlehnte. Sein Fuß berührte unmerklich meinen. Das war aber wirklich keine Absicht. Ich beugte mich vor, er beugte sich auch vor. Ich griff mir ans Kinn und er auch. Einen Moment hatte ich den Eindruck eine Schwester würde etwas von dieser Synchronität und von der Spannung bemerken und ich zog mich etwas zurück. Ich weiß ja nicht, ob vorgestern jemand beobachtet hat, dass wir so lange bei mir im Büro geredet haben. Der Gedanke kam mir erst gestern, dass auch jemand ohne Flo´s Zutun bemerken könnte, was zwischen uns stattfindet. Aber was findet denn zwischen uns statt? Er bewegt sich, wenn ich mich bewege. Ich würde mich gerne mit ihm in eine Affäre bewegen, fürchte aber, dass er seine Grenzen schon deutlich gemacht hat. Irgendwann beschloss ich, dass es für heute genug mit der Konfrontation war und verließ den Aufenthaltsraum und damit ihn.
Es war ein harter Tag.
Wie laufen lernen unter Schmerzen.
Es war ein harter Tag.
Wie laufen lernen unter Schmerzen.
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