Mittwoch, 21. November 2012

Drei Fragen von gefühlten 1000!



Ich habe gerade mit Mathilda gesprochen, so von Frau zu Frau, am Telefon. Seither fühle ich mich etwas erleichtert, wenn man in meinem Zustand überhaupt von Erleichterung sprechen kann. Meine Wangen sind ganz rot von meiner aufgeregten Schilderung von "Ground Zero". Ich habe ihr nochmals die Kurzfassung von meinem Geständnis letzte Woche gegeben. Ich muss das einfach immer und immer wieder erzählen. Es drängt mich geradewegs dazu, wobei es immer ein Unterschied ist, ob ich es aufschreibe oder ausspreche. Schreiben fällt mir unendlich leichter. Ich brauche nur eine Tastatur und schon fliest das ganze Zeug direkt aus meinem Kopf hinaus aufs Papier. Mathildas stärkende Worte: „Du bist so mutig und einfach krass.“ bedeuten mir äußerst viel und helfen mir wieder zu erkennen, warum ich diesen Schritt gegangen bin und ich jetzt so leide. 


„Liebe kann nicht widerlegt werden, nur enttäuscht.“
Richard David Precht






Ich denke so viel nach, dass sich schon allein aus der Masse an Gedanken die Notwendigkeit für eine Art Drainage ergibt. Schreiben scheint da einiges zu Tage zu fördern. Heute sind es vorwiegend diese 3 Fragen, die mich beschäftigen:


1. Wie schaffe ich es, auf der sachlichen Ebene zu bleiben?

2. Warum hat er während unseres Gespräches so reagiert wie er reagiert hat? Warum war er so kontrolliert?

3. Wie geht es ihm und wie geht es mir jetzt damit? Und wie sage ich ihm wie es mir geht?


zu 1. Mit Flo auf der sachlichen Ebene bleiben. Die Intention ist klar: Etwas Struktur und Stabilität in die ganze Beziehung bringen, die äußeren Rahmenbedingungen einhalten usw. Hilfreich? Wohl eher gezwungen. Wenn ich mir das genauer überlege, ist es wirklich total sinnlos für mich nur auf der fachlichen Ebene zu bleiben, denn ich bin ja sowieso in ihn verliebt. Und schlimmer kann das ja gar nicht mehr werden. Ich kann mich nicht noch mehr in ihn verlieben als es sowieso schon passiert ist. Ich kann es auch nicht rückgängig machen. Muss ich mich auch noch mit der Reduktion des Kontaktes zu ihm bestrafen? Einzig ihm könnte es schwerfallen, mit seinem neuen Wissen weiter mit mir umzugehen und weiter zu flirten. Und er könnte sich in die Gefahr bringen, dass er doch etwas für mich empfindet. Ich will mich natürlich nicht aufdrängen, aber ich habe schon das Gefühl, dass wir gut zusammenarbeiten können. Okay, im Moment sind wir gelinde gesagt etwas befangen, aber das muss ja nicht so bleiben. Wir sind ständig in Kontakt, begegnen und so 10 bis 50mal am Tag. Ich merke einfach, das mir manchmal tolle, spontane Reaktionen auf seine Äußerungen auf den Lippen liegen und ich sie aktuell nicht äußere, weil wir vereinbart haben, uns mehr auf der fachlichen Ebene zu begegnen. Ich möchte ihm bei Gelegenheit mal mitteilen, dass das von meiner Seite aus ziemlich gestelzt wirkt. Dass ich das so empfinde, sollte Grund genug sein, es nochmal anzusprechen. Wirklich, ich muss mich nicht selbst beschränken. Ich bin nicht für seine Gefühlswelt verantwortlich. Nicht, dass es mir egal ist, aber ich muss mich einfach um mich selbst kümmern. Mit diesem Gedanken fühle ich mich jetzt irgendwie gestärkt. Ich kann es rational nachvollziehen, dass die Idee ist, auf emotionalen Abstand zugehen, aber das wird nichts an den Gefühlen ändern, die beim einen da sind und beim anderen nicht. Hat was von "Zuckerbrot und Peitsche". Komm mir ja nicht zu nah (emotionale Ebene), aber geh bitte nicht weg (Kannst ja fachlich mit mir kommunizieren). Vielleicht sollte ich auf sein Angebot zurückkommen und doch einen Kaffee mit ihm trinken gehen? Und was soll das bringen? Erst Kaffee trinken und dann ins Bett oder was? Fazit: Aus Fragen entstehen noch mehr Fragen.

zu 2. Ich würde zu gerne seine Gedanken kennen. Was um alles in der Welt hat er gedacht als ich ihm meine Verliebtheit gestanden habe? Ihr dürft hier ruhig auch Eure Eindrücke schildern. Es interessiert mich sehr, was andere Menschen denken, die nicht so in dieser Situation feststecken.
Entweder hat er wirklich ein Geständnis oder so etwas erwartet, was wohl schwer möglich an meinen Reaktionen zu erkennen gewesen sein dürfte (oder doch?), oder er ist total überfordert gewesen. Auf jeden Fall dürfte es in ihm arbeiten. So etwas dürfte selbst Mr. Perfect nicht alle Tage passieren. Wenn ich mir vorstelle wie es mir gehen würde. Ich könnte jedenfalls nicht mehr unbefangen mit der betreffenden Person umgehen. Und das ist ja gerade das Spannende. Und auch das Gespaltene, das Kranke: Dass wir rein äußerlich normal zu funktionieren scheinen und unsere Arbeit tun. Dass wir uns durch diese vermeintliche Normalität Struktur geben. Dass uns das vermutlich hilft, die Situation zu ertragen. Ganz schön viel "uns". Und innerlich? Ob er es will oder nicht, ich glaube er beschäftigt sich gedanklich mit mir. 
Es fällt mir schwer, klar zu denken. Ich versuche mich in Flo hineinzuversetzen und es gelingt mir nicht. Um mir seine Reaktion besser erklären zu können, ist die Frage wichtig: Wie hätte ich reagiert, wenn mir ein relativ gutaussehender (ja, das bin ich, wenn meine Augen wieder abgeschwollen sind), intelligenter (ja, das bin ich sowieso und auch unter Tränen) Kollege, mit dem ich mich zudem gut verstehe, seine Liebe gestanden hätte?
Es fällt mir schwer, mich da hineinzuversetzen. Das ist schon etwas außergewöhnlich. Die meisten Menschen würden wohl nicht diesen Weg wählen. Was wäre also, wenn ich die Worte "Ich habe mich in dich verliebt." gehört hätte? Ab wann in solch einem Gespräch wäre mir bewusst geworden, dass es hier um etwas sehr Privates geht, um das einzig Unausweichliche? Ich glaube ich hätte schon bei den ersten Worten gespürt, worum es geht. Nein, eigentlich schon davor. Schon, wenn mich jemand um so eine Unterredung gebeten hätte, wäre ich irgendwie hellhörig gewesen. Das ist auch gut so. Gesetzt den Fall, es war bei Flo genauso, hatte er somit Zeit, sich etwas zu besinnen. Wobei er sich nicht gerade besonnen hat, sondern ja am liebsten sofort erfahren hätte, worum es ging. Wer weiß, vielleicht kann er sich auch in kurzer Zeit auf solche Situationen einstellen. Das würde zumindest seine ruhige, gefasste Art erklären.
Ich hätte mich unheimlich geschmeichelt gefühlt, dass sich jemand derart für mich interessiert. Ich wäre wohl aufgewühlt gewesen, hätte gut überlegt wie ich reagiere. Alles weitere hängt davon ab wie ich gegenüber der betreffenden Person empfinden würde. Fakt ist, dass wir gut miteinander auskommen, sogar mehr als das, laut seiner Aussage. Es wäre also ein sehr sympathischer, gutaussehender, intelligenter Kollege, mit dem ich flirte, der mir seine Liebe gesteht. Wen das nicht aufregt, der tut mir leid. Wenn ich absolut sattelfest in meiner Beziehung / Ehe oder was auch immer wäre, würde ich etwas sagen wie, dass ich mich sehr geschmeichelt fühle und es mir sehr leidtut, dass er das durchmacht, aber ich seine Gefühle nicht erwidern könne. Und das ist, so hart es klingt, genau das, was Flo zu mir sagte. War es tatsächlich so vage formuliert, weil er mich nicht zusätzlich verletzen wollte? Wenn ich nicht sattelfest wäre, wäre ich wirklich verwirrt gewesen. Das kann man auch sein, wenn man sattelfest ist. Und dann hätte ich es wohl mehr offen gelassen, was ich empfinde. Weil ich mir ja unsicher gewesen wäre. Wenn ich nur im Entferntesten unsicher gewesen wäre, hätte ich wenigstens so etwas wie "Ich bin jetzt total überrascht und muss erstmal darüber nachdenken." gesagt. Oder er empfand das als zu gefährlich und musste sich gleich schützen und sagen, dass er meine Gefühle nicht erwidern kann. Mache ich mir nichts vor, er hat deutlich gesagt, dass daraus nichts wird und dass ich solche Spitzfindigkeiten hier erörtere, ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass ich es nicht wahrhaben will.
Vielleicht muss ich es auch noch deutlicher hören, dass ich ihn als Frau überhaupt nicht interessiere. Warum will ich mir das antun? Um sicher zu sein, alles getan zu haben? Vielleicht würde es mir ja auch reichen, wenn er sagt, er könne sich uns beide vorstellen, wenn wir keine Partner und keine Familien hätten. Erst mal steht das gar nicht zur Debatte und dann ist es ja wohl kaum zu glauben, dass ich mich dann damit zufrieden geben würde. Ich würde so lange baggern bis es ihm egal wäre, dass er eine Partnerin hat. - Das habe ich jetzt nicht wirklich geschrieben oder? Was bin ich bloß für ein Monster? Wie kann ich mich in so kurzer Zeit nur so verändern? Das hätte ich nie von mir gedacht.
Was wäre denn, wenn ich den Betreffenden abgewiesen hätte und wir uns tagtäglich auf der Arbeit begegnen würden? Ich wäre sehr vorsichtig. Ich würde mir schon sehr Gedanken um ihn machen. Er täte mir sehr leid. Ich würde überlegen wie ich ihm begegnen kann. Ich würde wahrscheinlich abwarten wie er reagiert und mich dann darauf einstellen. Ich wäre sofort zu weiteren Gesprächen bereit, wenn ihm das helfen würde. Ja, ich würde ihn ja unterstützen wollen in seiner Verarbeitung. Das nehme ich auch gerade bei Flo wahr, dass er mich kaum von sich aus anspricht. Er hält den Abstand, den ich vorgebe. Aber ich will gar keinen Abstand. Ich muss ihm bei nächster Gelegenheit sagen wie ich die Situation empfinde und ihn fragen wie das für ihn ist.

zu 3. Das führt mich geradewegs zu meinem dritten Gedanken: Wie geht es ihm und wie geht es mir? Er wird vielleicht irgendwann fragen wie es mir geht. Das ist zumindest mein Wunsch. Und auch ich möchte ihn zu gerne fragen wie es ihm jetzt damit geht. Ich möchte gerne hören wie es in ihm arbeitet. Ich merke, dass da nicht mehr nur Spannung und Neugier in meinem Gefühl liegen, sondern auch etwas Lust zur Provokation. Jetzt schon eine Entwicklung? Ich warte mal mit meiner Bewertung bis ich ihm das erste Mal allein begegne. Was könnte ich denn sagen, wenn er mich fragt wie es mir geht?:

  • "Es tut schweinemäßig weh!" 
  • "Ich leide und verarbeite und entwickle mich weiter."
  • "Ich muss sagen ich bin etwas erleichtert seit ich es dir erzählt habe. Ich bereue es nicht. Aber sag mal wie geht´s dir eigentlich damit?"
  • "Ich finde das schon etwas merkwürdig, dass du es jetzt weißt. Manchmal wirkt es für mich etwas technisch, dass wir nur übers Fachliche kommunizieren. Ich hätte eher den Impuls, dir wie vorher zu begegnen und ich weiß nicht, warum ich das nicht tun soll. Es kann ja auch nicht mehr schlimmer werden, denn ich bin ja bereits in dich verliebt. Darum bitte ich dich, dass wir einfach so wie vorher weitermachen."
  • "Ich finde es schon etwas gezwungen, dir mehr so auf der fachlichen Ebene zu begegnen. Ich habe meistens den Impuls so zu reagieren wie wir bisher miteinander umgegangen sind. Es wirkt so als beäugen wir uns ängstlich wie der andere reagiert während wir über Klienten reden. Ich kann das natürlich nur für mich sagen. Wie ist das denn für dich?"
  • "Hast du mit deiner Frau darüber gesprochen?" (Eine Frage, die hier überhaupt nichts zu suchen hat, aber aufgrund ihrer Schlagkraft immer wieder durchkommt. Ich würde das zu gerne wissen und hoffe, dass er es nicht getan hat.)
  • "Ach du, ich versuche alles Mögliche, um es zu verarbeiten. Ich heule und leide, aber ich merke dadurch, dass ich sehr lebendig bin. Jede Liebe macht uns ein kleines bisschen menschlicher, egal wie sie ausgeht."
  • Bitte nicht so was wie: "Es geht schon..." Es geht nämlich einfach nicht.
  • "Es geht mir gut, wenn ich dich sehe." (zu devot)
  • "Ich versuche das alles zu verarbeiten. Es ist schmerzhaft. Ich rede, schreibe, heule und höre sehr viel Musik, um meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Letzte Woche war es Chasing Pavements, diese Woche ist es Rosenstolz - Wir sind am Leben. Hast du das mal gehört? Interessante Fragen, die die da stellen."
  • "Naja, sage ich es so: Ich würde gerne mal auf den Kaffee zurückkommen, den du mir angeboten hast."

Wenn ich mir das jetzt nochmal überlege - und das tue ich ständig, das alles ist wirklich der Super-GAU des Jahrzehnts für mich -, ist es das Beste, was ich machen konnte, dass ich ihm meine verletzlichste Seite gezeigt habe. Ein beträchtliches Risiko, dass sich schon jetzt gelohnt hat? Es tickt ihn an, wenn ich ihn so richtig einschätze. Ich will nicht sagen, dass er drauf steht (oder doch?). Er fühlt sich auf jeden Fall schnell und tief ein, versucht sein Gegenüber zu verstehen. Er hat eine ganze Menge Mitleid, aber möchte ich das haben? Ich möchte eigentlich seine Zuneigung. Ich habe auf jeden Fall seine Aufmerksamkeit. Er ist sehr vorsichtig, sehr kontrolliert. Es scheint so, dass alles in ihm arbeitet. Nicht die ganze Zeit, aber es berührt ihn. Wir müssen damit aufhören uns so ängstlich zu beäugen. Und wir müssen damit aufhören, uns so zu verstellen. Ich möchte gerne wie vorher über die kleinen Alltagssachen reden, wie das Wochenende war usw. Das ist immerhin etwas, was einen beachtlichen Teil unseres Glückes ausmacht, laut Eckart von Hirschhausen zumindest. Das wird er mir doch nicht wirklich verwehren können. Das ist doch das Mindeste. Ich merke gerade, dass mir die Situation sogar ein bisschen gefällt. Es kann nicht schlimmer werden als es ist! Ich habe alles getan und er und ich, wir müssen nun damit leben. Ich bin nicht dazu da, die kleinen und großen Entscheidungen von ihm fernzuhalten. Ich bin für mein eigenes Glück verantwortlich. Wie jeder andere auch. Und ich habe es in die Hand genommen.

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