Freitag, 4. Juli 2014

Zottelei, die Zweite

Liebe Mathilda,
 
hier gehts weiter mit der Berufserkundungstour:
 
... und stelle ihn niedrigschwellig ohne Doktortitel und hierarchische Hürden als "unseren Arzt" vor. Beim Sprechen überlege ich mir, was ich eigentlich damit meine. "Unseren Arzt" oder "Meinen Arzt" oder der Arzt, der der 8. Klasse den Arztberuf erklärt? Oder den Frauenarzt von Bischofsbrück? Keine Ahnung. Er beginnt zu erzählen und sitzt ja wie gesagt neben mir, so dass ich ihn nur sehe, wenn ich mich ihm direkt zuwende. Bedeutet im Umkehrschluss natürlich, dass ich ihn "nur" rieche und höre, was ja die beiden hartnäckigen Überbleibsel meiner Verliebtheit für ihn sind. Ach ja, der Flo. In dieser Position könnte man fast meinen, er sei der Alte. Wir erzählen von unseren Tätigkeiten und jetzt stellen die Mädchen auch ein paar Fragen. Flo erzählt vom Ausbildungsweg eines Arztes und dass er zunächst Notfallmediziner werden wollte. Wusste ich auch noch nicht und kann ich mir ja nun gar nicht bei ihm vorstellen. Wohl zuviel Emergency Room geguckt? Irgendwann erwähnt er dann auch, dass er Frauenarzt ist. Damit ist ihm das Gekicher der pubertierenden Mädchen entgültig sicher. Das Ganze driftet bald ab in eine Gruppen-Jugendsprechstunde. Er ist bemüht, das zu begrenzen und behutsam wie immer. Irgendwann fragt er, ob es eine reine Mädchenklasse ist und als das verneint wird, wo denn die Jungs seien. Geht niemand drauf ein, aber der Themenwechsel ist damit gelungen. Wir kommen unabhängig voneinander darauf, dass - wenn man seinen Beruf aussucht - es etwas sein sollte, was man gerne tut (Flo) und was man gut kann (ich) und dass es toll ist, wenn das beides auch noch übereinstimmt. Er geht voll darauf ab und stimmt zu, dass er das, was er beruflich macht, absolut gerne macht und sein Element gefunden hat (Pinguin lässt grüßen). Naja, und ich natürlich auch. Keine Ahnung wie das von Außen wirkt: 2 Kollegen, die sich sowas von am richtigen Platz fühlen... und doch nicht zueinanderkommen können. Ich denke noch immer, dass es einfach so kommen musste, dass ich mich so Hals über Kopf in ihn verliebt hatte. Und wer weiß, wo wir jetzt wären, wenn er mitgemacht hätte. Vielleicht ... bestimmt hätten wir nicht in der Form weiter zusammenarbeiten können wie wir es jetzt täglich tun? Egal wie es ausgegangen wäre. Nach dem jetzigen Stand bleibt ja immer das letzte bisschen Fassade bestehen, dass vielleicht nötig ist, um die berufliche Zeit miteinander bestreiten zu können. Vielleicht versuche ich aber auch nur einen Sinn in dem ganzen Schlamasel zu finden.
 
Was mir ansonsten auffällt, ist so eine komische von oben herab verpackte Sorge um mich oder eher selbstwertsteigernde Arroganz seinerseits? 2 Situationen: Er fragt mich neulich nach einem meiner Vorträge über Reselienz. Ich biete ihm daraufhin an: "Soll ich ihn dir schicken?" Er: "Nee, behalt den mal lieber selber. Wenn du ein Haus baust, wirst du das selber brauchen." Und dann heute fast das Gleiche nur mit anderem Inhalt: Ich bringe mit ihm zusammen meine Kaffeetasse in den Geschirrspüler und schnappe nur so auf, dass er Muskelkater in der Hand hat. Ich frage: "Vom Kirschpflücken?" Er darauf: "Nö, vom Spaten und der Axt [Scheiße, sofort stelle ich mir natürlich den holzhackenden Flo vor! Sehr sexy. Und dazu passt jetzt sogar der Bart.]... Wirst Du auch noch merken." Ich bin heute morgen schlagfertig und gebe ironisch zurück: "Ja, genau, wenn ich dann holzhacke." Was soll das denn bitte? Ich merke gerade selber beim Schreiben, dass es wohl keine Sorge von ihm um mich ist, was ihn antreibt, sondern entweder: "Du wirst schon sehen, was du davon (vom Hausbauen?) hast." oder "Mir ist das selber alles zuviel und ich projezier das jetzt mal auf dich." Der will mir ständig einreden, dass es etwas Waghalsiges, Schlechtes, Überforderndes ist, ein Haus zu bauen. Oder es ist wieder dieses Verfügbarkeitsding (Je mehr ich Haus baue, desto weiter entferne ich mich von ihm). Der ist doch eingeschnappt. oder? Ach egal, soll er doch Holzhacken. Tino und ich haben übrigens ohne Kamin geplant, da ich die "Romantik" einer Holz- und Kohlheizung in meiner Kindheit erleben durfte, ich den Aufwand und den Dreck einfach schon erlebt habe und nicht brauche. Und auf unserem Grundstück steht kein einziger Baum, den man später vielleicht zerlegen müsste. Insofern ist Holzhacken hier völlig fehl am Platz. Eine Gartenschere genügt. Und das kannst Du jetzt auch philosophisch sehen.
 
Ich freu mich auf heute Abend.
 
Bis dann,
Eva

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen