Liebe Mathilda,
wie es heute dazu kam, dass Flo mich mit seinem Auto abholte, frage ich mich selbst. So unkompliziert, dass ich mich frage, warum sich das in den letzten 3 Jahren noch nie ergab. Es war ein von Erfolg gekrönter Tag. Es konnte gar nicht schiefgehen. Seit ich beschlossen habe, das blog zu beenden, legt sich Flo ziemlich ins Zeug.
Zunächst musste ich morgens einen Vortrag vor meinen Klinikärzten und also auch vor Flo hinter mich bringen. Ich war sattelfest in der Thematik, wusste das der Vortrag und die Präsentation gut und im Vergleich zu den Vorträgen der Ärzte geradezu überirdisch waren.
Nach grandioser Vortragsleistung wird der Tag weiter geplant. Unsere Abteilung hat heute eine öffentlichkeitswirksame Aktion vor, bei der wir auf einer groß aufgezogenen Veranstaltung Menschen auf Vorsorgeuntersuchungen aufmerksam machen wollen. Am Montag fragte ich vorsichtig in die Runde, ob meine Anwesenheit neben zwei Ärzten (darunter Flo) und zwei Schwestern bei dem Event erwünscht sei. Mein Entschluss stand schnell fest als Flo so nett sagte, dass es doch immer nett sei, wenn ich dabei bin. Er bietet gleichzeitig an, dass er wer möchte in seinem Auto mitnehmen könne. Am Abend vorher plante ich noch, mein Auto bei Tino abzustellen und dann mit der Bahn weiterzufahren, weil man in der Innenstadt so schlecht Parkplätze findet, doch es kam anders. Beide Krankenschwestern wollten sein Angebot annehmen und so schloss ich mich an. Mit Schwester S. machte ich mich auf in sein Sprechzimmer, wo er sich in Akten vertieft auf seine Sprechstunde vorbereitend saß. Er blickte auf als wir uns demonstrativ zu ihm an den Schreibtisch setzten. Schwester S. erledigte den Einstieg und das Anliegen. Es wurde ohne mein Zutun ersichtlich, dass ich mich in sein Auto wagen würde. Ein unheimlich großer Schritt für eine so verkorkste kollegiale Beziehung. Ich warf dann ein, dass ich gerne unterwegs aufspringen würde. Er erwartungsvoll verduzt ließ mich ihm meinen Plan erklären. Ich fragte ihn, welchen Weg er nehmen würde und bald wurde ersichtlich, dass er direkt vorbeifuhr, wo ich mein Auto abstellen wollte. Ich beschrieb ihm den möglichen Treffpunkt und zeigte ihm die Stelle auf meinem Smartphone auf Google Maps. Er drehte sich das Telefon so hin wie er es brauchte und nahm einen Stift zur Hand, um wahrscheinlich nicht mit seinen Wurstfingern auf meinem Diplay herumzutippen. In seiner vermuteten Aufregung erwischte er einen wasserfesten Edding und nahm tatsächlich die Kappe ab. Erst dann bemerkte er, dass er im Begriff war, mein Display anzumalen. Ich sagte dann provokativ: "Ja, genau da sollte wir uns treffen." und grinste über seine Verrücktheit. Er nahm dann einen Kuli, um die vereinbarte Straßenkreuzung nochmals festzuklopfen. Dann noch die Sache mit der Erreichbarkeit. Er war ja immer und überall über sein Diensthandy erreichbar. Mich konnte er angeblich nicht erreichen (Nummer, die ich im vor über einem Jahr gab. hat er anscheinend verbummelt). Und so leierte er mir das zweite Mal in seinem Leben meine Telefonnummer aus den Rippen. Und ich ließ leiern. Herrlich! Es würde eine zeitlich enge Angelegenheit, da er bis kurz vor Ultimo im OP steckte. Ich sagte ihm, dass ich 10 min vor ihm losfahren würde, was total unsinnig war, denn wer wusste schon, wann er losfahren würde. Wie meine Großmutter immer zu sagen pflegte, dass "Kirmes am Sunnig (Sonntag) vorm ersten Schnee" sei. Zumindest kündigte Flo aus dem OP die Sekretärin anrufend gegen 13 Uhr an, dass er 15 min später abfahrtbereit wäre. Ich machte mich etwas aufgeregt auf den Weg. Von da an nur noch traumhaft:
Ich stehe an der Straßenecke in der herrlichen Sonne und bin von Betty über seine tatsächliche Abfahrtszeit informiert. Ich lese Wolfgang Herrndorfs Blog "Arbeit und Struktur", einerseits um mich abzulenken und mich nicht in die Tatsache hineinzusteigern, dass ich gleich im Auto neben ihm sitzen werde, andererseits weil es wirklich berührend ist. Ich schaue aufgeregt alle drei Zeilen auf, um Flo nicht zu verpassen. Und da steht er "seit 10 Minuten" wie er lachend sagt, als ich den Beifahrersitz besteige. Angenehmer Sitz, etwas hoch. Ist seine Frau nur 1,50 groß und hat eine Sitzerhöhung? Ich stoße mit meiner Frisur fast oben an. Liegt aber vielleicht auch an meiner Frisur, die vom Wind etwas verwegen zerwühlt ist. Mit Sonnenbrille (er übrigens auch) fühlen wir uns beide wohl ziemlich cool (und verstecken die Augen, die vielleicht zuviel verraten könnten, wenn man so nah aufeinanderhockt. Ja, das ist schon ein großer Schritt für Eva und Flo auf dem steinigen Weg in eine freundschaftlich-kollegiale Beziehung, deren Platoniegrad noch nicht ausgefochten scheint. Er bricht das coole Schweigen und fängt an, von meinem Vortrag zu schwärmen. Er beschreibt und lobt mich in den höchsten Tönen. Ich hätte echt Talent dafür und sollte das ausbauen. Während er den Sack voll Komplimenten über mich schüttet, betrachte ich ihn genüsslich von der Seite. Er sieht echt cool und zum Anschmachten aus. Er fährt etwas rasant, aber ich komme während der ganzen Fahrt nicht auf die Idee, auf den Tacho zu schauen. Kontrolle überlasse ich ihm, mein Part ist das Vertrauen, dass ich ihm gegenüber aus irrationalen Gründen schon immer hatte. Die Reisekaugummis, die ich wegen meiner zuweilen ausgeprägten Reiseübelkeit immer bei mir trage, brauche ich heute überhaupt nicht. Beste Vorraussetzung für mich, die Fahrt als Beifahrer gut zu überstehen: Er fährt geschmeidig, ohne große Beschleunigungs- und Bremsmanöver. Er lächelt. Er guckt unter seiner Sonnenbrille hervor und sieht mich an. Ich genieße, genieße, genieße - mir völlig bewusst, dass sich das Verhältnis zu Flo nicht ausweiten lässt. Ich habe mit der Hoffnung abgeschlossen. Ich bin in der Realität angekommen und genieße das, was geht.
Als wir am Eventort ankommen, lässt Flo uns aussteigen und begibt sich dann allein auf Parkplatzsuche. Ich zwänge mich in eines der viel zu kleinen T-Shirts des Veranstalters. Größe M sieht gut aus und fühlt sich gut an. Ich bin ein weißer Engel und spreche wildfremde Leute auf ihr Vorsorgewissen an. Dann kommt auch Flo an, der sich ebenfalls in eines der T-Shirts zwängt. Dabei werfe ich einen Seitenblick auf seine delikate Rückansicht. Nett anzusehen, aber wie war das mit der V-Form? Er zieht sein Jacket wieder über das Shirt und ich frage mich warum. Von vorbeistreunenden Polizisten wird er deswegen für den Hauptverantwortlichen der Veranstaltung gehalten. Ich amüsiere mich mit ihm darüber und der Satz "Du bist doch hier der Hauptverantwortliche." gilt ab sofort als Running gag auf alle ungeklärten Fragen. Er streunt mit seiner Befragungsmappe auf dem Platz herum, sucht sich die 4-Augen-Gespräche mit Passanten, die ihm am meisten liegen. Ich erkenne ihn in der Masse, auch aus dem Augenwinkel heraus. An dieser Aufmerksamkeitsfokussierung muss ich noch arbeiten. Von Weitem hat er mit seiner Aufklärungsmappe etwas von einem Missionar. Ja klar, und ich denke gleich an die Stellung. An dieser Fokussierung muss ich wirklich noch arbeiten.
Etwas später geselle ich mich zu ihm als er gerade allein steht. Wir rücken ziemlich nah zusammen, was eindeutig von ihm ausgeht. Er mag wohl Körperkontakt mit mir. Er gesteht mir, dass ihm warm ist. Ich sage: "Zieht dich doch aus." Er grinst (durchaus erotisch, aber nein, meine Gedanken gehen mit mir durch) und meint, sein Jacket brauch er als Schutz. Was? Hat er Angst, dass ich ihn fresse? Und außerdem würde er sonst nicht wissen, wo er sein immer-bereites Diensthandy hinstecken solle. Mit Beulen in den Hosentaschen wolle er nicht herumlaufen. Schnösel! Ich deute auf meinen Beckenknochen (Präsentieren von sekundären Geschlechtmerkmalen? - Mann, da ging wohl das gattungsgeschichtliche Programm mit mir durch!) wo sichtbar mein Smartphone in der Hosetasche prangt. Er schaut sich das interessiert an und sagt: "Bei Dir ist das ja auch ... weniger verfänglich." Was soll das jetzt heißen? Er hat (im Gegensatz zu mir) eine Ehre zu verlieren? Er hat einfach Schiss, sich auszuziehen? Und trotzdem flirtet er heftig, macht er ja laut eigener Aussage gerne. Aber nur in Schutzkleidung bitte.
Es folgen vertraute Gesten ohne Ende. Er ißt einen Schokoriegel und fragt mich danach, ob er irgendwo Schoki im Gesicht hätte. Ich krieche daraufhin in sein Gesicht, bestimmt bis auf 7 cm heran. Ich merke wie sich meine Augen scharf stellen müssen bei der geringen Entfernung. Sein Bart sieht von der Nähe sehr gepflegt und ein bisschen weich aus. Ich koste den Moment aus und komme dann zu dem Resümee "Nö, alles in Ordnung... außer natürlich, dass der ganze Bart vollhängt."
So könnte ich das noch weiterführen. Es war einfach ein toller Tag mit ihm, ein wichtiger Schritt der Annäherung mit fein säuberlich abgesteckten Grenzen. Ich fühle mich wirklich gut. Am Ende bleiben bei aller Euphorie:
Pluspunkte:
- Er schwärmt von meinen Vortragskünsten.
- Er fährt gekonnt Auto, aber ohne das mir schlecht wird.
- Er flirtet.
- Er fragt vertraut nach meiner Meinung.
- Er kommt ganz nah an mich heran.
Und Minuspunkte:
- Sein Oberkörper gleicht beim Wechseln des T-Shirts nicht wirklich einer V-Form.
- Er kann offenbar nicht tanzen und hat kein Rhythmusgefühl (gesehen beim abschließenden Bewegungstanz mit Musik, bei dem er sich in der hintersten Reihe versteckt.)
Hach, so liebe Grüße,
Eva
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