Dienstag, 8. Juli 2014

Bart aber herzlich

Liebe Mathilda,

heute eine Geschichte mit Bart:

Ich komme in unseren Aufenthaltsraum und finde die Verwaltungschefin Schokolade essend vor. Ich nehme ihren Smal talk als Einladung, mir auch einen Merci-Marzipan-Riegel zu genehmigen. Wir genießen und schauen dabei nebeneinanderstehend aus dem Fenster. Vor dem Fenster sehen wir Florian herannahen. Sie beginnt zu kichern.

Chefin: "Der Dr. Mollis ... überlegt mit seinem Bart immer hin und her." Ich bin hier wirklich nicht die einzige, die immer wieder mit diesem Thema anfängt. Ich werde praktisch von allen Seiten dazu angestiftet.

Ich: "Ach ja?"

Chefin: "... ob er ihn abschneiden soll oder nicht." Ich verschlucke mich fast an der Schokolade. Natürlich soll er. Ab damit!

Ich: "Mmmh."

Chefin: "Also ich würde das als Partnerin nicht tolerieren." Hat sie wirklich so gesagt. Sie sieht ihn offensichtlich auch als Mann an. Aber was sage ich von Frau zu Frau, die offensichtlich unzufrieden mit der Gesichtsbehaarung eines Mitarbeiters und meines Objektes der Begierde ist?

Ich: "Och ..." Stotter!

Chefin: "Mir wäre das zu stachelig."

Ich: "Mhhh, bei der Länge ist es doch schon wieder weich." Ich fasse es nicht. Hätte ich jetzt nicht von mir erwartet, dass ich irgendwelche Argumente für seinen Bart finde, aber es kam halt spontan heraus. Was mir jetzt auffällt, ist, dass sowohl ich (aber bei mir ist das ja bekannt) als auch die Verwaltungschefin sich vorgestellt haben, wie es wäre Flo mit der Gesichtsbehaarung zu küssen oder zumindest ziemlichen Kontakt zu seinem Gesicht zu haben. Was bleibt da also außer KÜSSEN? Naja, egal, dann denkt sie halt, dass ich was für den Bart übrig habe. Verwirrung stiften ist wohl immer gut, falls doch mal jemand aus dieser Klinik meinen Blog lesen sollte. Zu weiteren pro-Bart-Argumenten kommt es nicht, denn in dem Moment ist Flo bei uns im Aufenthaltsraum eingetroffen. Ebenso unverhofft wie die Verteidigung des Bartes, kommt nun aus mir heraus:

Ich: "Hallo Flo, wir sprechen gerade über deinen Bart." Geht´s noch?

Flo: "Ach?" Sein Interesse ist geweckt. Ich denke, irgendwer muss ihm doch mal sagen, dass es scheiße aussieht. Schließlich würde ich ihm auch sagen, wenn sein Hosenstall offen ist (nein, dazu müsste ich ihm ja in den Schritt gucken, was ich peinlich genau vermeide) oder einen Krümel im Gesicht hat oder die Wimperntusche verschmiert ist (kleiner Scherz). Woher soll er es sonst wissen? Kann mir nicht vorstellen, dass eine der Schwestern, die auch stündlich über den Bart schimpfen, ihm mal eine direkte Rückmeldung gegeben hat. Aber wie mach ich´s bloß? Wie sage ich es ihm?

Ich: "Es gibt da eine Grafik, die ich Dir zum Thema Bart zeigen muss." Er ist nun noch mehr gespannt und bereits ein bisschen amüsiert. Die Chefin verabschiedet sich. Es wird ihr hier wohl zu bärtig.

Flo: "Wo denn?" Das Buch, in dem die Grafik steht, liegt seit vielleicht 6 Wochen auf dem Fensterbrett meines Büros und wartet darauf, im richtigen Moment gezeigt zu werden. Jetzt ist der richtige Moment bzw. richtiger wirds nicht. Ich öffne die Tür und sage:

Ich: "Warte, ich hole sie." und bin schon raus. Während dessen bin ich mir total sicher, dass das jetzt dran ist. Wieder zurückgekehrt, ist Flo dabei, Kaffee zu kochen und zählt gerade die Löffel mit dem Kaffeepulver ab. Ich will ihn durcheinanderbringen und stelle mich mit dem Buch schön dicht neben ihn. So dass ich den Bart nicht sehe. Ich schlage das Buch auf und sage so etwas wie:

Ich: "So wirkt sich dein Bart auf die eine Hälfte der Menschheit aus."

Flo: "6...7...8" Er will sich nicht durcheinanderbringen lassen und kostet das Zählen der Kaffeelöffel bis zum Ende aus. Dann blickt er in das Buch. Es dauert einige, wirklich schlimme Sekunden, bis er anfängt zu lachen. Nicht so aus vollem Hals, eher so wie halb im Hals stecken geblieben.

Flo: "Aha, so wirkt sich das also aus." Das ist die Stelle, an der bei mir die Sicherungen durchbrennen und ich, was tue ich da?, zurückrudere.

Ich: "Nein ... " Ich kann ihn nicht ansehen. Mir ist das jetzt plötzlich peinlich.

Flo: "Nein?"

Ich: "Ich meine: Ja ..."

Flo: "Ja?" So als möchte er fragen, was denn nun? Möglicherweise ist er daran interessiert wie ich seinen Bart finde.

Ich: "Schau mal, das ist ein Buch mit lauter solchen Grafiken." Was ist denn das für ne dämlich Überleitung. Er beginnt ebenso übersprungshandlungsmäßig darin zu blättern.

Ich: "Ich muss los." Ich ergreife die Flucht. Mein Job, ihn über die Wirkung seines Bartes zu informieren, ist getan.

Er wirft mir noch eine Frage über eine Patientin hinterher, die ich ihm im Gehen beantworte. Dann bin ich weg.

Gut ist, dass ich nicht mehr diese Schmetterlinge im Bauch habe. Verwirrt und verlegen bin ich trotzdem. Ob das jetzt wirklich als Voting gegen seinen Bart bei ihm angekommen ist, bezweifle ich. Es gibt verschiedene Interpretationsmöglichkeiten für mein Verhalten: 1. Ich finde deinen Bart scheiße. 2. Alle finden deinen Bart scheiße. 3. Es funktioniert! Ich bin nicht mehr in dich verliebt seit du den Bart trägst. 4. Rasier dich endlich! Nun ja, er könnte zumindest interpretieren, dass ich nicht auf seinen Bart stehe. Das könnte dazu führen, dass er den Bart nun stehen lassen muss, weil er mich ja nicht ermutigen will, auf ihn zu stehen. Wenn er aber doch daran interessiert ist, wieder "Flo", der Prächtige, der Schöne zu sein und er den Bart nun wieder abrasieren wollen würde - und er überlegt ja zumindest laut Aussage der Chefin - könnte er das jetzt nicht tun. Kann er schon, macht er aber nicht. Vielleicht so in 6 bis 8 Wochen, wenn etwas Gras über meine Antibarthaltung gewachsen ist. Und vielleicht hängt die Entwicklung seiner Gesichtsbehaarung ja auch gar nicht mit mir zusammen.

So, nun habe ich ja wirklich jedes Barthaar einzeln betrachtet. Und ich merke immer wieder, dass es mir solche Freude macht, diese kleinen Situationen des Lebens aufzuschreiben.

Liebe Grüße,
Eva 

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