Liebe Mathilda,
so, obwohl wir uns morgen sehen, worauf ich mich nebenbei bemerkt sehr freue, kommt hier noch
ein Update:
Auf der Arbeit hatte ich ja bisher nichts vom Thema Hochzeit gesagt. Ich genoss es, den Ring an meinem Finger zu tragen und es für mich zu behalten. Obwohl ein Teil von mir es auch gerne ausgesprochen hätte. Außer Betty wusste niemand offiziell Bescheid. Eine Intervisionskollegin fragte mich letzte Woche unverblümt, ob ich geheiratet hätte. Ihr war der Ring aufgefallen, der ihrer Meinung nach total verdächtig aussah. Betty meinte dann auch: "Wer den Ring nicht sieht, ist blind." Also ging ich davon aus, dass man den Ring wohl bemerkte, mich aber nicht drauf ansprach. Auch Flo, dem selbst neue Frisuren auffallen, wird dieses Detail wohl entdeckt haben.
Der Kontakt
zwischen Flo und mir war wie beschrieben locker und unkompliziert und nicht
verzweifelt schmachtend. Ich lud ihn nicht mal in mein Zimmer ein als er den
Kopf zur Tür hereinsteckte, um mir von einer Klientin zu berichten. Ich kam
einfach nicht drauf und hatte wohl auch kein Bedürfnis danach, mit meiner
"Freundin" abzuhängen. Der anschließende Smalltalk von der Tür aus
war nicht die Spur prickelnd, allenfalls ein fades Lächeln wert. Gestern stürmte
er dann zu mir und Betty ins Zimmer, um sich zum gemeinsamen Mittagessen
einzuladen. Ich bin locker und lustig, er nicht. An der Essensschlange kommt er
in die Predulie (schreibt man das überhaupt so?), sich zum einsam sitzenden
Prokuristen zu setzen oder mit uns einen neuen Tisch anzufangen. Ich sage ihm,
dass ich mir spannenderes vorstellen kann als mich zum Prokuristen zu setzen.
Er darauf - und das ist wirklich megaabturnend - dass er das nicht machen könne
und es von ihm erwartet werde, sich zu dem Schnösel von Anzugträger zu setzen.
Was für ein Weichei! Da kann mich selbst das körperbetonte Poloshirt (laut
Betty ein No Go) nicht umstimmen. Ich willige etwas angewidert ein, mit an den
Schnöseltisch zu kommen und seine Erleichterung ist spürbar. Das war schon
immer sein Problem, sich zwischen zwei Alternativen, entscheiden zu müssen: die
eine von ihm erwartet, die andere von ihm gewünscht? Eine Klientin meinte
neulich zu mir, dass er alles so abwiegeln würde und das trifft es wohl. Und
ich tue auch, was ich immer tue: in seiner Nähe bleiben. Nur ist dabei wirklich
nichts Prickelndes. Wir unterhalten uns und sehen uns an, aber bei mir regt
sich nichts. Hat sich die ganze Konfrontation am Ende doch gelohnt?
Aber zurück zu
meinem Hochzeitsgeheimnis, das ich bis heute genoss. Wichtig erschien mir auch,
wer es nach Betty hier als erster erfahren sollte. Ich wollte auf keinen Fall,
dass es irgendwer ist. Nein, eigentlich wollte ich es gerne Flo sagen, da sich
das Weichei ja nie trauen würde zu fragen. Heute kam es so, dass ich in Eile,
da 500 Patienten, an seinem offenen Sprechstundenzimmer vorbeilief. Als ich 15m
vorbei bin, höre ich ein leises "Ewa?" Hat er jetzt neben legasthenischen
auch noch logopädische Probleme? Ich gehe mit der Versuchung zurück, ihn zu
fragen, wen er denn meint und ob hier jemand neues arbeitet. Ich gehe hinein
und sage nichts dergleichen. Er fragt mich nach einer Klientin. Klar, was
anderes kriegt er ja nicht hin. Ich setze mich in sicherem Abstand ihm
gegenüber. Und lasse ihn erzählen. Er hatte auf einer anderen Station zu tun
und festgestellt wieviel kooperativer die Schwestern dort wären. Und dass er
das auf unserer Station aufgegeben hätte. Und dass er das schlimm fände. Ich
nehme das auf, finde das auch doof und schlage vor, doch noch mal mit
gemeinsamer Kraft zu versuchen, sich den Pflegekräften zuzuwenden. Das lässt er
wie immer in Raum stehen und entgegnet mir dann, dass er sich jetzt wohl bei
mir entlastet hat. Da ist es für einen Moment wie in alten Zeiten als wir
diesen tollen Auf-einer-Wellenlänge-Kontakt hatten. Ich erinnere mich daran,
bin aber keineswegs geblendet oder gar umgehauen davon. Ich fange an, ihm meine
Situation zu schildern (viel Arbeit, Kollegen krank, fremde Abteilungen, die
Ansprüche erheben, weil deren Therapeutin noch kränker ist). Er staunt, was ich
so alles schultere. Und wie ich mich gestern gewehrt habe (schrieb eine
sachliche, aber sehr bestimmte Mail an 2 Chefärzte). Das imponiert ihm wohl, wo
er nicht mal die Gefahr eingeht, einen Anzugträger beim Mittagessen zu
brüskieren. Jetzt bin ich richtig in Fahrt. Er versteht und hat Mitleid mit
meiner Situation. Inzwischen ist Schwester Pamela ins Sprechzimmer
zurückgekehrt. Wir sind also nicht mehr allein. Jetzt kann ich das mit der
Hochzeit wohl nicht mehr sagen? Oder doch? Gerade weil wir nicht mehr allein
sind? Ich befinde, dass es so viel unverfänglicher ist. Er erfährt es von mir,
muss sich aber nicht wie der Auserwählte vorkommen. Ich sage es ihm, aber ich
sage es nicht ihm allein. Ich schlage zu, mache in meiner Erzählung über die
beruflichen Querelen einen Schwenk, dass ich dass nur durchhalten könne, weil
es mir privat wirklich super geht. "Ich werde dieses Jahr heiraten."
Die Schwester macht einen kleinen Juxer. Flo's Gesichtszüge entgleisen leicht.
Natürlich nur bis er sich sofort wieder im Griff hat. Was bleibt sind seine zum
Schlitz verengten Augen. Keine Ahnung, warum die so sind. Ich lächle und fühle
mich gut. Ich fühle mich sehr begehrt. Zuallererst von Tino. Flo fragt, ob ich
einen Antrag bekommen hätte. Ich bejahe das. Die Details aber behalte ich für
mich. Ich nenne ihm nur den ungefähren Hochzeitszeitpunkt. Tja, und dabei kann
ich einfach nur Grinsen. Es ist auch etwas von "Ätsch, nun bin ich
weg", etwas von Genugtuung dabei. Und ich habe das Gefühl, dass mich das
für ihn keinesfalls unattraktiver machen wird. Kann ich mittlerweile mit
umgehen, mit diesen Nähe und Distanz Bewegungen. Das wird mich nicht umhauen.
Ich bin wohl durch damit. Und das traue ich mich jetzt wirklich zu schreiben.
Ich bin durch damit. Das "so ziemlich" habe ich wieder rausgelöscht.
So ist es, wenn ein Weichei von tollen Plänen erfährt, die ihm die Kinnlade herunterklappen lassen.
Haha!
Bis nachher gleich,
Eva
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