Donnerstag, 31. Juli 2014

Und Schluss!

Liebe Mathilda,
Liebe Leser,

es wird Zeit, einen Abschluss zu finden. Drei Jahre sind genug für eine unerwiderte Liebe, der ich täglich begegne. Drei Jahre sind genug, um dieser unerwiderten Liebe ebenbürtig und selbstbewusst und manchmal auch mit tiefem Gefühl zu begegnen. Ich weiß nicht wie es geht, aber es geht. Es funktioniert. Ich kann Flo begegnen wie einem Kollegen, einem Freund, einem mir sehr zugetanen beruflichen Begleiter. Ich trete ihm gegenüber und sage ihm die Dinge, die ich beruflich und privat mit ihm besprechen will. Und sobald ich Kontakt zu ihm suche, sieht er mich wie stets so intensiv an als wolle er ergründen, ob da noch Platz für ihn in meinem Herzen ist. Ja, es ist ein Platz für ihn da, aber die Tür ist zu. Verschlossen wie eine kleine Kostbarkeit. Und wenn er noch so schön guckt und mit seinen Augen das Feuer neu zu entfachen versucht, sehe ich da einfach keine Entwicklung bei ihm. Ich bin nicht mehr die Frau von vor drei Jahren. Ich habe mich entwickelt, habe den Umgang damit gefunden. 
Dieses Blog war mir eine Herzensangelegenheit und für mich als Therapeutin eine wichtige Methode, diese ganze Zeit überhaupt zu überstehen. Es half mir oft, die Dinge klarer zu sehen. Ich habe unendlich viel geheult und mich andererseits unendlich viel amüsiert. Es war wie ein Abtauchen in eine andere Welt. Ich habe viel Zeit darin investiert. Es war eine Art Langzeittherapie mit gutem Erfolg. Ihr werdet es ahnen, ich habe die Namen und die Zeit in meiner ansonsten wahren Geschichte verändert. In meiner Realität, in der ich bis heute mit Flo zusammenarbeite, bin ich schon ein Jahr weiter. Und er sieht mich immer noch so an. Und ich muss jetzt nicht mehr wegschauen, sondern kann seinem Blick standhalten, ohne darin zu versinken. Ich bin wieder aufgetaucht. Ich bin wieder ich. Ich bin Eva.
So hatte es also heute ein Ende als ich mit Dir, Mathilda, die restlichen Visitenkarten, die einst auf die bloße Existenz meines Blogs hinwiesen, von der Potsdamer Brücke in den Landwehrkanal warf.

Etwas ziehen lassen, damit Platz für Neues ist!


Es war befreiend (vor allem die "guten" Wünsche, mit denen das Werfen begleitet war) und sie zogen dahin wie kleine Schiffchen, die wer weiß was zum Ziel hatten. Weit würden sie nicht kommen, denn die meisten begannen sich umgehend aufzulösen. Wir sahen ihnen nach, wie manche mit Hilfe des Windes gegen die Strömung ankämpften, und doch waren sie alle bald verschwunden. Platz für Neues, nicht nur den Kanal entlang, sondern in meinem ganzen Leben.

Ich möchte allen Lesern danken. Ich hätte nie gedacht, dass dies hier 10.000 Leute lesen würden! Ich möchte Dir, Mathilda, danken, dass Du mich zu dem Projekt Blog ermutigt hast und dir die ganze Flo-Geschichte immer wieder angehört hast bis es dir für mich niemals sichtbar aus den Ohren kam. Und ich möchte Konstantin danken, der mich dieses Blog hat schreiben lassen und dabei immer an meiner Seite geblieben ist. Nie habe ich so viel Toleranz und Akzeptanz für mein Tun gefunden. Es war genau das Richtige und hat mich zurück in deine Arme geführt, von denen ich kurze Zeit nicht wusste, wo sie waren, und die wir gemeinsam wiedergefunden haben. Wir werden in 2 Monaten heiraten und danach in unser neues Haus ziehen. Es gibt ein Leben nach einer unglücklichen Liebe. Und es gibt unendlich viele Themen für neue Blogs.

Letzte Grüsse von Eurer Eva.

Mittwoch, 30. Juli 2014

Der allerletze Epilog: Autofahrt ins Glück

Liebe Mathilda,

wie es heute dazu kam, dass Flo mich mit seinem Auto abholte, frage ich mich selbst. So unkompliziert, dass ich mich frage, warum sich das in den letzten 3 Jahren noch nie ergab. Es war ein von Erfolg gekrönter Tag. Es konnte gar nicht schiefgehen. Seit ich beschlossen habe, das blog zu beenden, legt sich Flo ziemlich ins Zeug.

Zunächst musste ich morgens einen Vortrag vor meinen Klinikärzten und also auch vor Flo hinter mich bringen. Ich war sattelfest in der Thematik, wusste das der Vortrag und die Präsentation gut und im Vergleich zu den Vorträgen der Ärzte geradezu überirdisch waren.
Nach grandioser Vortragsleistung wird der Tag weiter geplant. Unsere Abteilung hat heute eine öffentlichkeitswirksame Aktion vor, bei der wir auf einer groß aufgezogenen Veranstaltung Menschen auf Vorsorgeuntersuchungen aufmerksam machen wollen. Am Montag fragte ich vorsichtig in die Runde, ob meine Anwesenheit neben zwei Ärzten (darunter Flo) und zwei Schwestern bei dem Event erwünscht sei. Mein Entschluss stand schnell fest als Flo so nett sagte, dass es doch immer nett sei, wenn ich dabei bin. Er bietet gleichzeitig an, dass er wer möchte in seinem Auto mitnehmen könne. Am Abend vorher plante ich noch, mein Auto bei Tino abzustellen und dann mit der Bahn weiterzufahren, weil man in der Innenstadt so schlecht Parkplätze findet, doch es kam anders. Beide Krankenschwestern wollten sein Angebot annehmen und so schloss ich mich an. Mit Schwester S. machte ich mich auf in sein Sprechzimmer, wo er sich in Akten vertieft auf seine Sprechstunde vorbereitend saß. Er blickte auf als wir uns demonstrativ zu ihm an den Schreibtisch setzten. Schwester S. erledigte den Einstieg und das Anliegen. Es wurde ohne mein Zutun ersichtlich, dass ich mich in sein Auto wagen würde. Ein unheimlich großer Schritt für eine so verkorkste kollegiale Beziehung. Ich warf dann ein, dass ich gerne unterwegs aufspringen würde. Er erwartungsvoll verduzt ließ mich ihm meinen Plan erklären. Ich fragte ihn, welchen Weg er nehmen würde und bald wurde ersichtlich, dass er direkt vorbeifuhr, wo ich mein Auto abstellen wollte. Ich beschrieb ihm den möglichen Treffpunkt und zeigte ihm die Stelle auf meinem Smartphone auf Google Maps. Er drehte sich das Telefon so hin wie er es brauchte und nahm einen Stift zur Hand, um wahrscheinlich nicht mit seinen Wurstfingern auf meinem Diplay herumzutippen. In seiner vermuteten Aufregung erwischte er einen wasserfesten Edding und nahm tatsächlich die Kappe ab. Erst dann bemerkte er, dass er im Begriff war, mein Display anzumalen. Ich sagte dann provokativ: "Ja, genau da sollte wir uns treffen." und grinste über seine Verrücktheit. Er nahm dann einen Kuli, um die vereinbarte Straßenkreuzung nochmals festzuklopfen. Dann noch die Sache mit der Erreichbarkeit. Er war ja immer und überall über sein Diensthandy erreichbar. Mich konnte er angeblich nicht erreichen (Nummer, die ich im vor über einem Jahr gab. hat er anscheinend verbummelt). Und so leierte er mir das zweite Mal in seinem Leben meine Telefonnummer aus den Rippen. Und ich ließ leiern. Herrlich! Es würde eine zeitlich enge Angelegenheit, da er bis kurz vor Ultimo im OP steckte. Ich sagte ihm, dass ich 10 min vor ihm losfahren würde, was total unsinnig war, denn wer wusste schon, wann er losfahren würde. Wie meine Großmutter immer zu sagen pflegte, dass "Kirmes am Sunnig (Sonntag) vorm ersten Schnee" sei. Zumindest kündigte Flo aus dem OP die Sekretärin anrufend gegen 13 Uhr an, dass er 15 min später abfahrtbereit wäre. Ich machte mich etwas aufgeregt auf den Weg. Von da an nur noch traumhaft:

Ich stehe an der Straßenecke in der herrlichen Sonne und bin von Betty über seine tatsächliche Abfahrtszeit informiert. Ich lese Wolfgang Herrndorfs Blog "Arbeit und Struktur", einerseits um mich abzulenken und mich nicht in die Tatsache hineinzusteigern, dass ich gleich im Auto neben ihm sitzen werde, andererseits weil es wirklich berührend ist. Ich schaue aufgeregt alle drei Zeilen auf, um Flo nicht zu verpassen. Und da steht er "seit 10 Minuten" wie er lachend sagt, als ich den Beifahrersitz besteige. Angenehmer Sitz, etwas hoch. Ist seine Frau nur  1,50 groß und hat eine Sitzerhöhung? Ich stoße mit meiner Frisur fast oben an. Liegt aber vielleicht auch an meiner Frisur, die vom Wind etwas verwegen zerwühlt ist. Mit Sonnenbrille (er übrigens auch) fühlen wir uns beide wohl ziemlich cool (und verstecken die Augen, die vielleicht zuviel verraten könnten, wenn man so nah aufeinanderhockt. Ja, das ist schon ein großer Schritt für Eva und Flo auf dem steinigen Weg in eine freundschaftlich-kollegiale Beziehung, deren Platoniegrad noch nicht ausgefochten scheint. Er bricht das coole Schweigen und fängt an, von meinem Vortrag zu schwärmen. Er beschreibt und lobt mich in den höchsten Tönen. Ich hätte echt Talent dafür und sollte das ausbauen. Während er den Sack voll Komplimenten über mich schüttet, betrachte ich ihn genüsslich von der Seite. Er sieht echt cool und zum Anschmachten aus. Er fährt etwas rasant, aber ich komme während der ganzen Fahrt nicht auf die Idee, auf den Tacho zu schauen. Kontrolle überlasse ich ihm, mein Part ist das Vertrauen, dass ich ihm gegenüber aus irrationalen Gründen schon immer hatte. Die Reisekaugummis, die ich wegen meiner zuweilen ausgeprägten Reiseübelkeit immer bei mir trage, brauche ich heute überhaupt nicht. Beste Vorraussetzung für mich, die Fahrt als Beifahrer gut zu überstehen: Er fährt geschmeidig, ohne große Beschleunigungs- und Bremsmanöver. Er lächelt. Er guckt unter seiner Sonnenbrille hervor und sieht mich an. Ich genieße, genieße, genieße - mir völlig bewusst, dass sich das Verhältnis zu Flo nicht ausweiten lässt. Ich habe mit der Hoffnung abgeschlossen. Ich bin in der Realität angekommen und genieße das, was geht.

Als wir am Eventort ankommen, lässt Flo uns aussteigen und begibt sich dann allein auf Parkplatzsuche. Ich zwänge mich in eines der viel zu kleinen T-Shirts des Veranstalters. Größe M sieht gut aus und fühlt sich gut an. Ich bin ein weißer Engel und spreche wildfremde Leute auf ihr Vorsorgewissen an. Dann kommt auch Flo an, der sich ebenfalls in eines der T-Shirts zwängt. Dabei werfe ich einen Seitenblick auf seine delikate Rückansicht. Nett anzusehen, aber wie war das mit der V-Form? Er zieht sein Jacket wieder über das Shirt und ich frage mich warum. Von vorbeistreunenden Polizisten wird er deswegen für den Hauptverantwortlichen der Veranstaltung gehalten. Ich amüsiere mich mit ihm darüber und der Satz "Du bist doch hier der Hauptverantwortliche." gilt ab sofort als Running gag auf alle ungeklärten Fragen. Er streunt mit seiner Befragungsmappe auf dem Platz herum, sucht sich die 4-Augen-Gespräche mit Passanten, die ihm am meisten liegen. Ich erkenne ihn in der Masse, auch aus dem Augenwinkel heraus. An dieser Aufmerksamkeitsfokussierung muss ich noch arbeiten. Von Weitem hat er mit seiner Aufklärungsmappe etwas von einem Missionar. Ja klar, und ich denke gleich an die Stellung. An dieser Fokussierung muss ich wirklich noch arbeiten.
Etwas später geselle ich mich zu ihm als er gerade allein steht. Wir rücken ziemlich nah zusammen, was eindeutig von ihm ausgeht. Er mag wohl Körperkontakt mit mir. Er gesteht mir, dass ihm warm ist. Ich sage: "Zieht dich doch aus." Er grinst (durchaus erotisch, aber nein, meine Gedanken gehen mit mir durch) und meint, sein Jacket brauch er als Schutz. Was? Hat er Angst, dass ich ihn fresse? Und außerdem würde er sonst nicht wissen, wo er sein immer-bereites Diensthandy hinstecken solle. Mit Beulen in den Hosentaschen wolle er nicht herumlaufen. Schnösel! Ich deute auf meinen Beckenknochen (Präsentieren von sekundären Geschlechtmerkmalen? - Mann, da ging wohl das gattungsgeschichtliche Programm mit mir durch!) wo sichtbar mein Smartphone in der Hosetasche prangt. Er schaut sich das interessiert an und sagt: "Bei Dir ist das ja auch ... weniger verfänglich." Was soll das jetzt heißen? Er hat (im Gegensatz zu mir) eine Ehre zu verlieren? Er hat einfach Schiss, sich auszuziehen? Und trotzdem flirtet er heftig, macht er ja laut eigener Aussage gerne. Aber nur in Schutzkleidung bitte.
Es folgen vertraute Gesten ohne Ende. Er ißt einen Schokoriegel und fragt mich danach, ob er irgendwo Schoki im Gesicht hätte. Ich krieche daraufhin in sein Gesicht, bestimmt bis auf 7 cm heran. Ich merke wie sich meine Augen scharf stellen müssen bei der geringen Entfernung. Sein Bart sieht von der Nähe sehr gepflegt und ein bisschen weich aus. Ich koste den Moment aus und komme dann zu dem Resümee "Nö, alles in Ordnung... außer natürlich, dass der ganze Bart vollhängt."
So könnte ich das noch weiterführen. Es war einfach ein toller Tag mit ihm, ein wichtiger Schritt der Annäherung mit fein säuberlich abgesteckten Grenzen. Ich fühle mich wirklich gut. Am Ende bleiben bei aller Euphorie:
Pluspunkte:
- Er schwärmt von meinen Vortragskünsten.
- Er fährt gekonnt Auto, aber ohne das mir schlecht wird.
- Er flirtet.
- Er fragt vertraut nach meiner Meinung.
- Er kommt ganz nah an mich heran.

Und Minuspunkte:
- Sein Oberkörper gleicht beim Wechseln des T-Shirts nicht wirklich einer V-Form.
- Er kann offenbar nicht tanzen und hat kein Rhythmusgefühl (gesehen beim abschließenden Bewegungstanz mit Musik, bei dem er sich in der hintersten Reihe versteckt.)
Hach, so liebe Grüße,
Eva

Montag, 28. Juli 2014

Epilog: Der letzte Lauf

Liebe Mathilda,

einmal muss ich noch schreiben nach langer Zeit (Ihr Leser kommt hier in den Genuss, nicht warten zu müssen, aber eigentlich liegen zwischen diesem und dem letzten Post knapp 6 Monate). Der heutige Tag war ein einziges Gefühlsbad. Hoch und runter ist gar kein Ausdruck für das, was ich heut alles durchgemacht habe.

Alles fing an mit meiner gut geplanten Anreise auf die Arbeit. Ich hatte vor bis um 12 Uhr zu arbeiten, dann zu einem Kongress zu fahren, wo ich vor 400 Leuten einen Vortrag halten wollte, um anschließend mit meinem Team am diesjährigen Teamstaffellauf teilzunehmen. Unser Team bestand neben mir aus Betty, Krankenschwester Isabell, Ärztin Sarah und natürlich Flo. Ich versorgte heute morgen mein Team mit Powerriegeln. Da in diesem Jahr unser seit Jahren anführender Teamleiter nicht teilnahm, kam ich gegen 11 Uhr auf die Idee einmal nachzuforschen, ob wir auch alle Startunterlagen beisammen hatten. Damit begann ich einen Telefonmarathon, den ich nicht zu Ende führen konnte und dann Betty übergab. Die verantwortliche Dame im Unternehmen sagte mir, dass eine Rückmeldung hätte erfolgen müssen. Und zwar von keinem Geringeren als Herrn Dr. Florian Mollis. Ob er diese Rückmeldung vorgenommen hätte, wusste kein Mensch. Als ich ihn bald daraufhin suchte, war er unerreichbar im OP verschwunden. Hier konnte ich nichts mehr ausrichten. Gefühlsmäßig war ich auch bereits im Vortragsmodus und bereits sehr enttäuscht, wenn der Lauf für uns bis an die Zähne Trainierten ausfallen würde. Und nur weil es Flo nicht in die Reihe bekommen hat, unsere Anmeldung zu bestätigen. Da meldete sich mein unerschütterliches "Ich-sehe-nur-das-Gute-in-Flo". Denn vielleicht hatte er unsere Staffel ja doch bestätigt und es wusste nur niemand. Ich konnte das hier nicht weiter vorantreiben, übergab alles weitere an Betty und bestieg mein Auto. Man muss loslassen und die Dinge laufen lassen können.

Mein Auto wollte ich Tino auf die Arbeit bringen, um dann mit Sack und Pack mit der Bahn weiterzufahren. Zwischen Vortragsende und Staffelbeginn war nicht genügend Zeit, um Stau und Parkplatzsuche einzubauen. Die Übergabe klappte gut und ich hatte auch ein gutes Gefühl mit Tino. Nicht dieses Gefühl des Halbertapptwerdens, weil ich mich zu meinem Vergnügen in die Nähe meines Objektes der Begierde begebe. Ich fuhr dann Bahn wie der erste Mensch. Klar war ich nicht mehr regelmäßig mit diesem Verkehrsmittel unterwegs, aber dass ich mich gleich mehrmals verfuhr, rechne ich meiner Aufregung zu. Beim Umsteigen war ich ein bisschen zu risikofreudig, was meistens in die Hose ging. Zudem geht meine Iphone-Uhr seit neuestem 5 Minuten vor und ich finde keinen Weg, sie umzustellen. Weiß jemand wie das geht? Oder ist es eine Apple-Verschwörung, die uns in ein neues Zeitalter bringen will? Irgendwie kam ich in dem entlegenen Stadtbezirk, in dem der Kongress stattfand, an. Sogar rechtzeitig, dass ich die Atmosphäre und einige Vorträge in mich einsaugen konnte. In der Pause vor dem letzten Block, in dem mein Vortrag an letzter Stelle stattfand, stellte ich mich bei der Moderatorin vor und ging noch mal aufs Klo, wo ich prompt meine Karten mit den Vortragsstichpunkten vergaß. Als ich das bemerkte, wurde mir ganz anders. Mit Isabell, die an dem Kongreß teilnahm und später mit mir in der Teamstaffel laufen würde, startete ich eine Suchaktion, die nach wenigen Minuten glücklich endete. Und trotzdem: Dieses Hoch und Runter, das mich schon den ganzen Tag begleitete, machte mich echt fertig. Dann kam die Nachricht von Betty, dass sie aktuell die Staffelteilnehmer neu anmelden und die Reihenfolge der Läufer festlegen würde. Ich war mir sicher, Betty würde das schaffen. Gleichzeitig ärgerte ich mich über Flo, der es tatsächlich verpeilt hatte. So eine Schnarchnase! Aber egal, ich hatte jetzt keine Zeit, mich darüber aufzuregen, denn mein Vortrag stand unmittelbar bevor. Ich redete mir ein, dass es ganz einfach sein würde. Ich war gut vorbereitet, hatte eine Präsentation, die sich von meinen Vorrednern um Welten unterschied, und ich würde die Leute berühren. Es kam nur auf den ersten Satz an. Wenn dieser gelang, würde alles wie von selbst laufen. Ich erspürte die Situation und legte mir meine Einstiegsworte zurecht. Und die waren so klasse, dass ich sie in Gedanken gebetsmühlenartig wiederholte. Dann war es soweit. Ich wurde von der Moderatorin angekündigt und währenddessen mit einem Mikrofon verkabelt. So ein kleines, spaciges Knubbelchen, was einem an den Kopf geschnallt wird. Vorzugsweise in einem Nude-Ton, damit es nicht so auffällt, aber dadurch erst recht wie eine große Warze wirkt. Ich stehe im Rampenlicht und mir fällt ein, dass ich das schon als Kind mochte. Als ich mit meiner Tanzgruppe oder dem Chor auftrat. Und wenn ich einen Solopart hatte, mochte ich es ganz besonders. Tief im Inneren hatte ich das Gefühl, dass ich es konnte. Und dieses Gefühl hatte mich auch hier in den Saal mit 400 Zuschauern begleitet. Ich bedankte mich bei der Moderatorin für die Vorstellung und begann mit meinem zurechtgelegten Satz und ab da lief es. So einfach! Ich schaffte es, die Aufmerksamkeit der bereits müden Zuhörerschaft zu bekommen. Als die ersten gewollten Lacher und Reaktionen aus dem Publikum kamen, wusste ich, dass ich richtig lag. Ich genoß es. Ich genoß sogar die Pausen, die ich als dramatisches Element in meine Präsentation einbaute. Ich sah in viele gespannt-freundliche, vielleicht auch faszinierte Gesichter. Ich erntete Applaus und zahlreiche interessierte Fragen. Am Ende bedankten sich mehrere Leute persönlich bei mir. Die Teilnehmer waren offensichtlich erwacht wie in den letzten 4 Vorträgen nicht mehr. Ich fühlte mich als Expertin, standfest und sicher, in dem was ich tat. Wenn ich von meiner Arbeit berichte, kann man mir nicht mehr viel vormachen. Das hat sich wirklich verändert in den letzten 13 Jahren, die ich den Beruf der Therapeutin ausübe. Meine Diagnose: Ich bin eine gesunde Narzisstin!
Der Vortrag war also geschafft. Jetzt hieß es schnell in die Sportklamotten schlüpfen und dann zusammen mit Isabell in die Stadtmitte fahren, wo der groß aufgezogene Staffellauf stattfand. Das war eine Phase des Tages, in der ich mal entspannen konnte. Die Bahn fuhr selbst und Isabell schützte mich vor verkehrtem Umsteigen. Noch ein Powerriegel und dann würde wohl alles klappen. Ich dachte an Betty, die zu dieser Zeit mit Flo IN SEINEM AUTO!!! aus der Klinik auch in die Stadtmitte angefahren kam. Naja, ein bisschen beneidet habe ich sie darum schon. Später erzählte sie mir, dass mir bei seinem Fahrstil unter Garantie übel geworden wäre und dass er lustig, aber echt machomäßig fährt und dabei eine in die Jahre gekommene Sonnebrille trägt. Oldfashioned! Meine und Isabells Anfahrt war auf die Minute getimet. Isabell meinte, dass sie sich wie bei "Shopping Queen" vorkäme mit diesem ewigen "Wieviel Zeit haben wir noch." Wir tauften das ganze in "Running Queen" um. Ein letzter Zeitpuffer ging für die Sucherei auf dem großen Gelände drauf, auf dem sich 30 000 Menschen tummelten. Es kam bereits eine bange SMS von Betty "Wo seid Ihr?". 
Bald daruf finden wir unser Lager. Ich sehe als erstes Flo und er sieht uns. Er wirkt erleichtert und freudig uns zu sehen. Wir umarmen uns spontan. Uhhhh! Hatte allenfalls nach dem Lauf damit gerechnet. Das wirft mich in ein neues Gefühlsbad. Wann habe ich ihn eigentlich zuletzt umarmt? Vor knapp einem Jahr als ich ihm zum Geburtstag gratulierte. Ja, ich merke mir solche Sachen! Und hier im Tiergarten unter 30 000 Leuten umarmen sich Eva und Flo ganz selbstverständlich wie gute und halbprivate Kollegen. Seine borstigen Haare kitzeln an meiner Wange und ich kann nur genießen. Er trägt nichts drunter unter seinem T-Shirt. Das spüre ich als eine meiner Hände auf seinem Rücken langfährt. Ok, Adrenalin vom Vortrag, Endorphine durch Flo-Umarmung. Werde wohl Bestzeit laufen. Flo zeigt Isabell und mir daraufhin unsere Startnummern und sucht uns die Sicherheitsnadeln heraus, die ich ganz unzittrig in mein Shirt ramme. Betty und Sarah sind nun auch da. Und Betty gibt mit einem Augenzwinkern die Startreihenfolge preis. Flo fällt ihr ins Wort und sagt ihr, dass es wie vor 2 Jahren sein wird als ich an 4. und er a 5. Position lief. Ja, Betty hat es so eingerichtet, dass ich meinem Flo entgegenlaufe. Danke, Betty! Es ist einfach toll mit Dir! Und Flo scheint auch glücklich über die Startreihenfolge. Und er hat ein Gedächtnis wie ein Elefant für die Tatsache, dass er nie mehr von mir wollte. Nun beginnt die Diskussion, an welcher Stelle wir uns den Stab übergeben und mit welchem Erkennungsmerkmal. Bei tausenden Staffeln kann das schon mal unübersichtlich werden. Flo hält den großen Wimpel, den Betty als Erkennungsmerkmal mitgebracht hat, für unnötig. Er gibt nochmal zum Besten, dass wir uns doch vor 2 Jahren auch so gut gefunden hätten. Ich sag ja, ELEPHANT! Will er tatsächlich nochmal hören, was ich ihm letztes Jahr schon einmal daraufhin gesagt hatte? Vor einem Jahr fragte er skeptisch, ob solche Erkennungszeichen notwendig seien: "Du hast mich doch gut gefunden oder?" Und ich darauf: "Dich finde ich doch sowieso." Nö, das kriegt er jetzt nicht noch mal zu hören. Bei seinem Erinnerungsvermögen ist es ihm ja eh bekannt, was ich antworten würde. Ich komme nun aus einer anderen Richtung und sage: "Du kannst ruhig sagen, wenn Dir der Wimpel peinlich ist." Er grinst mich an. Ich weiß, dass das noch nicht das Ende der Wimpel-Geschichte ist.
Schließlich gehts los. Sarah geht als Erste ins Rennen. Wir begleiten sie, nun leicht hysterisch, noch bis zum Eingang. Flo schleicht hinter uns her. Manchmal rempeln wir ein bisschen. Ich genieße selbst das Rempeln. Rempelromantik eben. Wir warten lange auf Sarah, haben schon Angst, dass sie auf der Strecke geblieben ist. Doch dann übergibt sie an Betty. Und Betty übertrifft ihre Bestzeit, was sie mir nicht glauben will. Zwischendrin Small talk mit Flo, bei dem ich ihn von ziemlich nah betrachten kann. Liebliche Fältchen umringen seine lachenden Augen. Er ist älter geworden in den drei Jahren, die ich in ihn verliebt war. Er trägt nun ein Longsleeve und eine lockere lange Sporthose über seiner Laufkleidung. Das Longsleeve in Grau ohne ablenkende Aufschriften, nicht eng und doch die Körperform abbildend - tödlich für mich. Er spürt wohl selbst, wenns reicht. Diesmal kann ich den Kontakt nicht von meiner Seite abbrechen. Ich will mehr. Dann ist Betty im Ziel und Isabell ins Rennen gestartet. Abklatschen mit Betty, die mir lieber nicht erzählt, was auf der Strecke los ist. Als ich in den Übergabebereich gehe, herrscht dort noch übelstes Gedränge. Die 10 Minuten, die ich dort warte, verbringe ich auf Zehenspitzen, den Wimpel in die Höhe reckend. Dann sehe ich Isabell und rufe ihren Namen. Stab übergeben, alles super geklappt. Ich laufe los, starte die Runtastic-App und meine Posttraumatic-Run-Playlist (Bin ja vorbereitet). Mich begleiten Walter Mitty, Sisters of Mercy, Mando Diao, James Blunt, Deichkind und als am Ede kaum noch was geht Martin Garrix "Animals". Es ist sauschwer! Bereits nach einem Kilometer bemerke ich die schweren Beine und die noch nicht ganz abgeklungene Erkältung, aber wer will schon sein Team im Stich lassen? Ich bin ständig der Versuchung nahe, ein paar Schritte zu gehen, schleppe mich mit Mühe und Not auf die Kilometer 2 und 4, wo Wasser angeboten wird. Ich liege gut in der Zeit, aber das ist einfach zuviel für mich heute. Ich werde motiviert durch Umstehende. Der Gedanke, dass Flo im Ziel steht, hilft nur bedingt. Zumindest das hat sich im Vergleich zu vor 2 Jahren geändert, wo mir diese Tatsache einen richtigen Kick gab. Damals lief ich die 5 Kilometer in 27 Minuten, was ich bisher nie wieder schaffte. Heute waren es knapp 29 Minuten. Ich werde getragen von der Masse, die mich anfeuert. Ich klatsche Betty, Sarah und Isabell ab, die ca. 100 Meter vor dem Ziel an der Bande stehen und mir zujubeln. Nur noch ein paar Meter! Mein Kopf explodiert fast und ich ringe mir ein Lächeln ab. Dann biege ich um die letzte Kurve und sehe Flo und vielleicht noch 5 andere im Übergabebereich warten. Er und der Wimpel! Als er mich sieht, fängt er wild an zu winken und zu wedeln. Ich auch. Als sei es ein irrsinniges Glück, dass wir uns unter den 5 Leuten gefunden haben. Ich bin bei ihm, übergebe ihm den Stab und sage außer Atem: "Ich hätte dich fast gar nicht gefunden." Er lacht und läuft los. Während seiner knappen Laufzeit, erhole ich mich etwas. Mir ist richtig schlecht. Ich bin heute über meine Grenze gegangen. Als ich mich an die Bande zum Anfeuern begebe, läuft Flo bereits ins Ziel. Nicht mal rot im Gesicht! Er ist bald bei uns, seinem Team und schlägt vor, dass wir ein Foto machen sollten, bevor es dunkel wird und alle auseinanderstürzen. Das setzen wir prompt um. Flo neben mir. Ich spüre seine Wärme. Er stinkt nicht mal! Wie kann das sein? Ich stank heute unheimlich nach meinem Vortrag. Und er kehrt gerade von seinem 5-Kilometer-Lauf zurück und ich habe das Gefühl, dass sich sein Deo erst so richtig entfaltet hat. Wir machen mehrere Fotos. Ich kann lange, Seite an Seite, neben ihm stehen. Die Arme haben wir umeinandergelegt. Ich neige den Kopf zu ihm, damit mein Gesicht auch im Bild ist und nicht von Isabell verdeckt wird. Puuhh! Ganz schön heiß für eine abgekühlte Liebe. Ich weiß, dass morgen alles nach den Fotos giert. Ich werde Dir eins schicken und Du wirst mich in die Realität zurückholen und sagen, dass er das ja dann wieder an seine Wand hängen kann. Ich muss in mich hineingrinsen, denn Du hast so recht!
Danach machen wir uns über die jedem Team mitgelieferte Picknickbox her. Es gibt eine kleine Diskussion wann der schlechte Wein getrunken wird. Flo ist dafür, die Flasche aufzuheben und freitagnachmittags nach der Arbeit zu trinken. Ich sage "Och nö, da muss ich ja wieder Auto fahren." Er darauf "Ach darum gehts also." Keine Ahnung welche Erkenntnis das für ihn ist. Sie führt jedenfalls dazu, dass er die Flasche doch öffnet. Er schenkt mir und den anderen ein. Wir stoßen an, so dass unsere Becher fast übereinanderfliegen. Etwas zuviel Schwung vielleicht. Wir esssen Brot und Knackwürste und trinken schlechten Wein. Es ist gemütlich und aufgelockert. Flo schenkt mir weiter ein und macht irgendeine lustige Bemerkung zu mir. Ich muss mit vollem Mund aus tiefstem Herzen grinsen. So ein Lächeln, was von ganz unten kommt, bei dem man nicht taktiert, ob das jetzt angemessen ist. Und da haben wir ihn wieder, den einzigartigen Blickkontakt. Das ist die Stelle, wo in Filmen die Geigen einsetzen. Ist das jetzt eine Übereinkunft zwischen uns?: Ich fühl mich wohl bei ihm - er fühlt sich wohl bei mir - wir werden uns dann und wann schmachtend ansehen und damit das auch so bleibt, werden wir nie weiter gehen? So könnte man wohl unsere wie auch immer geartete Beziehung beschreiben. Damit hören dann die Geigen abrupt wieder auf, so als würde man die Nadel von der Schallplatte ziehen.

Wir packen zusammen und laufen alle fünf in die gleiche Richtung. Mal wieder ist Rempeln angesagt. Am Rande der Absperrungen trennen sich unsere Wege. Betty und ich gehen in die eine, Flo, Isabell und Sarah in die andere Richtung. Die Verabschiedungszeremonie setzt ein. Ich umarme die kleine, fast winzige Sarah. Dann sehe ich Flo und er sieht mich. Zeit für einen abschließenden Körperkontakt. Ich umarme ihn und er mich, wünscht mir, dass ich gut nach Hause komme. "Ich Dir auch" sage ich halbbenommen. Ich spüre wieder seine borstigen Haare an meiner Wange und atme seinen Duft. Es ist eine Frechheit wie er sich so in mein olfaktorisches Zentrum schleicht. Ich lasse das graue Longsleeve, in dem Flo steckt, wieder los. Ein letzter Blick und das wars. Betty und ich ziehen durch die laue Nacht. Wir haben noch 2 km zu laufen bis zu unserer Bahnstation. Ich stelle sinnigerweise fest, dass ich so selten nachts in der Stadtmitte bin. Der krönende Ausklang ist mit einer Freundin durch die laue Nacht zu ziehen und sich gegenseitig zu beglückwünschen. Mann, was sind wir toll! Als wir die groben Punkte ausgewertet haben, kommt aus der Nacht ein leeres Funrad, eines dieser runden Gruppenfahrräder, wo sechs Leute mitfahren können, an uns vorbeigefahren. Der Chauffeur hält inne und fragt, ob wir mitfahren wollen. Ich bin heute risiko- und unternehmungslustig und ziehe Betty mit auf das Rad. Unsere Mitnahmegebühr arbeiten wir durch Treten ab. Ich wollte das schon immer mal tun. Mit solch einen Rad fahren. Man hat eine gewisse Überbreite, die den Radweg weit überschreitet. Dann und wann bleiben Bettys und mein aufgeschnallter Rucksack an einem Laternenmast hängen. Was für ein Spaß. Der Fahrer liefert uns direkt an die Bahnstation. Ich komme aus dem Lachen nicht mehr raus. Schlechter Wein und diese sureale Fahradfahrt sind der einzig mögliche Abschluss für diesen verrückten Tag. Wir steigen in die Bahn, haben noch immer Themen zum Auswerten. Hätten wir wahrscheinlich noch bis zum Nordkap. Zwischen Betty und mir scheint es so etwas wie simultane Logorrhoe mit dem absoluten Bezug aufeinander zu geben. Doch irgendwann müssen auch wir uns trennen, um in unsere jeweiligen Wohnstätten zu finden. Danach smsen wir weiter. Ich rufe über mein zeitloses Iphone bereits unsere Laufzeiten im Internet ab. Dadurch verpasse ich auszusteigen und laufe zurück. Allgemeine Orientierungslosigkeit. Komisches Gefühl. Ich frage mich, ob das alles tatsächlich an einem einzigen Tag stattgefunden hat. Ich muss mich mindestens 3 Tage von allem erholen. Aber schon morgen geht es wieder auf die Arbeit und das Leben geht weiter.
 
Liebe Grüße von Eva

Freitag, 25. Juli 2014

Weichei mit offener Kinnlade



Liebe Mathilda,

so, obwohl wir uns morgen sehen, worauf ich mich nebenbei bemerkt sehr freue, kommt hier noch ein Update:

Auf der Arbeit hatte ich ja bisher nichts vom Thema Hochzeit gesagt. Ich genoss es, den Ring an meinem Finger zu tragen und es für mich zu behalten. Obwohl ein Teil von mir es auch gerne ausgesprochen hätte. Außer Betty wusste niemand offiziell Bescheid. Eine Intervisionskollegin fragte mich letzte Woche unverblümt, ob ich geheiratet hätte. Ihr war der Ring aufgefallen, der ihrer Meinung nach total verdächtig aussah. Betty meinte dann auch: "Wer den Ring nicht sieht, ist blind." Also ging ich davon aus, dass man den Ring wohl bemerkte, mich aber nicht drauf ansprach. Auch Flo, dem selbst neue Frisuren auffallen, wird dieses Detail wohl entdeckt haben.
Der Kontakt zwischen Flo und mir war wie beschrieben locker und unkompliziert und nicht verzweifelt schmachtend. Ich lud ihn nicht mal in mein Zimmer ein als er den Kopf zur Tür hereinsteckte, um mir von einer Klientin zu berichten. Ich kam einfach nicht drauf und hatte wohl auch kein Bedürfnis danach, mit meiner "Freundin" abzuhängen. Der anschließende Smalltalk von der Tür aus war nicht die Spur prickelnd, allenfalls ein fades Lächeln wert. Gestern stürmte er dann zu mir und Betty ins Zimmer, um sich zum gemeinsamen Mittagessen einzuladen. Ich bin locker und lustig, er nicht. An der Essensschlange kommt er in die Predulie (schreibt man das überhaupt so?), sich zum einsam sitzenden Prokuristen zu setzen oder mit uns einen neuen Tisch anzufangen. Ich sage ihm, dass ich mir spannenderes vorstellen kann als mich zum Prokuristen zu setzen. Er darauf - und das ist wirklich megaabturnend - dass er das nicht machen könne und es von ihm erwartet werde, sich zu dem Schnösel von Anzugträger zu setzen. Was für ein Weichei! Da kann mich selbst das körperbetonte Poloshirt (laut Betty ein No Go) nicht umstimmen. Ich willige etwas angewidert ein, mit an den Schnöseltisch zu kommen und seine Erleichterung ist spürbar. Das war schon immer sein Problem, sich zwischen zwei Alternativen, entscheiden zu müssen: die eine von ihm erwartet, die andere von ihm gewünscht? Eine Klientin meinte neulich zu mir, dass er alles so abwiegeln würde und das trifft es wohl. Und ich tue auch, was ich immer tue: in seiner Nähe bleiben. Nur ist dabei wirklich nichts Prickelndes. Wir unterhalten uns und sehen uns an, aber bei mir regt sich nichts. Hat sich die ganze Konfrontation am Ende doch gelohnt?

Aber zurück zu meinem Hochzeitsgeheimnis, das ich bis heute genoss. Wichtig erschien mir auch, wer es nach Betty hier als erster erfahren sollte. Ich wollte auf keinen Fall, dass es irgendwer ist. Nein, eigentlich wollte ich es gerne Flo sagen, da sich das Weichei ja nie trauen würde zu fragen. Heute kam es so, dass ich in Eile, da 500 Patienten, an seinem offenen Sprechstundenzimmer vorbeilief. Als ich 15m vorbei bin, höre ich ein leises "Ewa?" Hat er jetzt neben legasthenischen auch noch logopädische Probleme? Ich gehe mit der Versuchung zurück, ihn zu fragen, wen er denn meint und ob hier jemand neues arbeitet. Ich gehe hinein und sage nichts dergleichen. Er fragt mich nach einer Klientin. Klar, was anderes kriegt er ja nicht hin. Ich setze mich in sicherem Abstand ihm gegenüber. Und lasse ihn erzählen. Er hatte auf einer anderen Station zu tun und festgestellt wieviel kooperativer die Schwestern dort wären. Und dass er das auf unserer Station aufgegeben hätte. Und dass er das schlimm fände. Ich nehme das auf, finde das auch doof und schlage vor, doch noch mal mit gemeinsamer Kraft zu versuchen, sich den Pflegekräften zuzuwenden. Das lässt er wie immer in Raum stehen und entgegnet mir dann, dass er sich jetzt wohl bei mir entlastet hat. Da ist es für einen Moment wie in alten Zeiten als wir diesen tollen Auf-einer-Wellenlänge-Kontakt hatten. Ich erinnere mich daran, bin aber keineswegs geblendet oder gar umgehauen davon. Ich fange an, ihm meine Situation zu schildern (viel Arbeit, Kollegen krank, fremde Abteilungen, die Ansprüche erheben, weil deren Therapeutin noch kränker ist). Er staunt, was ich so alles schultere. Und wie ich mich gestern gewehrt habe (schrieb eine sachliche, aber sehr bestimmte Mail an 2 Chefärzte). Das imponiert ihm wohl, wo er nicht mal die Gefahr eingeht, einen Anzugträger beim Mittagessen zu brüskieren. Jetzt bin ich richtig in Fahrt. Er versteht und hat Mitleid mit meiner Situation. Inzwischen ist Schwester Pamela ins Sprechzimmer zurückgekehrt. Wir sind also nicht mehr allein. Jetzt kann ich das mit der Hochzeit wohl nicht mehr sagen? Oder doch? Gerade weil wir nicht mehr allein sind? Ich befinde, dass es so viel unverfänglicher ist. Er erfährt es von mir, muss sich aber nicht wie der Auserwählte vorkommen. Ich sage es ihm, aber ich sage es nicht ihm allein. Ich schlage zu, mache in meiner Erzählung über die beruflichen Querelen einen Schwenk, dass ich dass nur durchhalten könne, weil es mir privat wirklich super geht. "Ich werde dieses Jahr heiraten." Die Schwester macht einen kleinen Juxer. Flo's Gesichtszüge entgleisen leicht. Natürlich nur bis er sich sofort wieder im Griff hat. Was bleibt sind seine zum Schlitz verengten Augen. Keine Ahnung, warum die so sind. Ich lächle und fühle mich gut. Ich fühle mich sehr begehrt. Zuallererst von Tino. Flo fragt, ob ich einen Antrag bekommen hätte. Ich bejahe das. Die Details aber behalte ich für mich. Ich nenne ihm nur den ungefähren Hochzeitszeitpunkt. Tja, und dabei kann ich einfach nur Grinsen. Es ist auch etwas von "Ätsch, nun bin ich weg", etwas von Genugtuung dabei. Und ich habe das Gefühl, dass mich das für ihn keinesfalls unattraktiver machen wird. Kann ich mittlerweile mit umgehen, mit diesen Nähe und Distanz Bewegungen. Das wird mich nicht umhauen. Ich bin wohl durch damit. Und das traue ich mich jetzt wirklich zu schreiben. Ich bin durch damit. Das "so ziemlich" habe ich wieder rausgelöscht.

So ist es, wenn ein Weichei von tollen Plänen erfährt, die ihm die Kinnlade herunterklappen lassen.

Haha!

Bis nachher gleich,
Eva

Mittwoch, 23. Juli 2014

Nachtrag zum Thema "Freundinnen"



Liebe Mathilda,
doch noch kein Ende zum Thema Flo und ich auf der Patientenveranstaltung:

Gerade eben als ich in meinem Büro sitze, kommt er zu mir herein. Er sieht gelöster aus, will sich bei mir bedanken und erkundigt sich nach dem gestrigen Abschluss und den Rückmeldungen der Patientinnen. Schon eine skurile Situation, denn ich habe gerade das blog auf meinem Bildschirm aufgeklappt (habe ihn als ich ihn herannahen hörte schnell weggeklickt) und ich mit ihm dann eine echt schöne, lange Unterhaltung habe (in dem Wissen, dass ich dir auch gleich den Unterhaltungsinhalt schreiben werde). Ich bin völlig ruhig, bleibe bequem sitzen. Er steht neben meinem Schreibtisch. Heute ohne Schutz-Kittel, in kariertem Hemd und enger Jeans. Verdammt, er hat seinen Geruch hiergelassen, der mich jetzt einnebelt. Ok, Freudinnen ... können auch gut riechen. Wir reden über Patientinnen und wie der Vortrag rübergekommen ist. Er sagt, dass er seinen alten Vortrag zu dem Thema komplett überarbeitet habe und jetzt mehr Bilder verwende. Lustig, dass ich das gestern schon geschrieben habe. Er hat viel Arbeit rein gesteckt. Wir sprechen über einzelne Patientinnen. Ich erzähle ihm von einem Zerwürfnis mit einer meiner Patientinnen, das wichtig für die Therapie war. Er scheint beeindruckt. Dann meint er, dass wenn die Referenten aus unserem eigenen Team kommen Blumen doch nicht nötig wären. Er berichtigt sich, dass Blumen für ihn nicht nötig wären. Doch ich erkläre, dass in einem Team, wo schon die Teilnahme an einer Fortbildung stark motiviert werden muss, ich einen Dank mit Blumen für so viel Arbeit nur gerecht finde. Da ich das Gefühl habe, dass er mit Blumen vielleicht insgesamt nichts anfangen kann, sage ich, dass er den Strauß doch auch an jemanden weiterreichen kann. Und ich denke dabei tatsächlich an seine Frau. Das kann doch wirklich nur eine (platonische) Freundin denken. Oder eine Masochistin. Er erwidert daraufhin, dass er sich schon an den Blumen freue und sie jetzt bei ihm auf dem Schreibtisch stünden. Schön zu wissen, dass da etwas von mir auf seinem Schreitisch steht, was ihn freut. Und schön, dass er sie nicht an seine Frau weitergegeben hat. Also bin ich doch keine Masochistin, sondern eine Testerin, was er mit meinen Blumen anstellt.

Insgesamt eine sehr gelungene Teamarbeit zweier "Freudinnen". Ja, vielleicht könnte ich damit leben.

Liebe Grüße von Eva

Dienstag, 22. Juli 2014

Unter Freundinnen



Liebe Mathilda,

Und nun? Das war´s dann also? Keine aufgeregten Geschichten mehr aus dem romantischen Klinikalltag?

Die wie auch immer geartete Beziehung zwischen Flo und mir ändert sich weiter. Mit etwas Abstand zu Flo und mit meinen persönlichen Erlebnissen, allen voran Tinos lnagersehnten Antrag natürlich, wird der Blick klarer. Viel mehr von meinem Unterbewusstsein lässt sich wohl nicht zutage fördern. Und es reicht auch einfach! Das verrät auch dieser Traum: 

Flo und ich hatten einen schönen Arbeitstag mit schönen (und in der Tendenz eher platonischen) Begegnungen verlebt. Als Resümee dieses Tages treten wir uns gegenüber und ich sage zu ihm: "Wenn es immer so wäre, könnte ich damit leben." Ich finde meinen Satz filmreif. Florian gibt mir allerdings zu verstehen, dass er nicht so leben könne und beginnt (und hier dreht noch immer mein Wunschdenken frei) sich mir noch mehr anzunähern ... und ich weiß nicht, wollte oder hat er mich geküsst?
Ein bisschen geschehen ist es ja, auch wenn ich es nur geträumt habe. Eigentlich kann ich mir ja alles vorstellen und muss es gar nicht in der Realität erleben. Wie damals mit dem sehr heilsamen, mehlichen Kuss. Als Tendenz hätte ich sowohl Lust, ihn abzuweisen und in seinen Tanzbereich zurückzuschieben als auch, es einfach gut sein zu lassen. Wie soll also meine Geschichte enden?

Im realen Leben mache ich mir Gedanken wie es zwischen Flo und mir denn nun sein könnte. In unserer Klinik gibt es gerade Abwanderungen vom Chefarzt und einigen anderen. Wer denkt da nicht auch ans Weggehen? Für mich wäre es ein großer Verlust, wenn Flo jetzt gehen würde. Naja, bisher ist er ja da und es ist ganz okay zwischen uns. Er umarmt mich weiterhin nicht, aber alle anderen. Ich will das nicht seiner Distanz zuschreiben, sondern seiner Angst. Der hat einfach Schiß, dass es nochmal feurig zwischen uns wird. Und ich frage mich, kann ich jemals "normal" mit ihm umgehen? Wenn ich einem männlichen Wesen begegne und man irgendwelche zwischenmenschlichen Nuancen austauscht, fühle ich mich doch immer wie eine Frau. Das schwingt doch immer mit. Oder? Kennst Du Beziehungen, die da völlig von frei sind. Nehmen wir mal "Peter", den Hausarbeiter, der immer brav den Konferenzraum für die Veranstaltungen umräumt. Der ist immer supernett und himmelt vermutlich die halbe weibliche Belegschaft an. Ich versuche freundlich zu sein, ihn aber nicht zu ermutigen. Er ist wirklich ein bisschen verrückt und er täte mir einfach leid. Mit anderen Männern, die ich wahrscheinlich attraktiver finde und denen ich auch zutraue das zu verkraften, verfalle ich schon mal ins Flirten. Es ist einfach anders als wenn ich mit weiblichen Kolleginnen zu tun habe. Mein Körper straft sich irgendwie und ich versuche gut auszusehen. Ich will offensichtlich gefallen. Habe wohl gerade wieder einen Eisprung, dass mir das so auffällt. Kann es also mit Männern nie rein platonisch sein? Schwingt da immer was Sexuelles mit? Und wie ist das für lesbische Frauen? Haben die das dann bei anderen Frauen? Diese Fragen führten mich zu der Überlegung, ob ich nicht versuchen sollte, mir Flo als Freundin!! vorzustellen, damit mal dieses unerwiderte sexuelle Gebahren da aus unserer Beziehung kommt. Klingt abgefahren, aber vielleicht könnte ich mich auf diese Art mehr wie ich selbst verhalten und müsste mir nicht ständig Gedanken machen, ob ich ne Grenze überschreite. Ich könnte einfach ich selbst sein und Späße machen und lachen. Und er würde mitlachen wie eine "Freundin". Brauche ich denn noch eine Freundin? Nein, aber ich möchte ihn lieber als "Freundin" als gar nicht. Und irgendwie passt das auch, ihn sich als Freundin zu wünschen, denn er ist schon sehr weich und weiblich.

Dieser Gedanke half mir als ich mich heute entschloss zur Patientenveranstaltung dazubleiben und Flo - "die Referentin" - anzumoderieren, ihn in Absicht voller Habituation 90 Minuten referieren zu sehen und ihm dann die Blumen zu überreichen. Ich teilte ihm das am Montag schon mal mit, damit er sich drauf einstellen konnte, denn bei seinem letzten Vortrag hatte ich ihm sich selbst überlassen, weil mir das zuviel war, ihn 90 Minuten anzuschmachten. Gestern aber meinte er, dass er das auch allein machen könne und ich ja nicht bleiben müsse. Ich war versucht ihn zu fragen, ob er ein Problem damit hat, wenn ich dabei bin, aber die Sekretärin stand daneben. Vielleicht wollte er auch einfach nett sein und mir Arbeit ersparen. Vielleicht bin ich aber auch zu nett und er wollte mich tatsächlich nicht dabei haben. Oder es setzt ihn zumindest unter Druck.
Heute dann sah ich ihn den ganzen Tag nicht. Gegen 15 Uhr beschließe ich, mal in seinem Zimmer nachzusehen. Ich werde reingebeten, schließe die Tür hinter mir und sehe ihn an dem Vortrag arbeiten. Ich: "Ich wollte mal gucken, ob Du überhaupt da bist." Er: "Ja, ich bin da (und grinst) ... und arbeite noch an dem Vortrag." Er hat Schiß vor seinem eigenen Vortrag! Er fragt, ob ich ihn anmoderiere und im gleichen Moment bietet er mir nochmals an, nicht bleiben zu müssen und dass er das auch allein hinbekommt. Er ist aufgeregt und weiß wohl selbst nicht, was er will. Er sagt es nett, nicht so als wolle er mich nicht dabei haben, sondern um mir einen Ausweg zu lassen. Ich mag hier jedoch keinen Ausweg. Ich trete weiter in den Raum und lehne mich an eine Wand zu großformatigen Bilderrahmen, die seit wer weiß wie langer Zeit aufgehängt werden möchten. Dann setze ich an, um mit seiner Vermutung aufzuräumen, dass er das nicht allein schaffen könnte und sage ihm: "Ich traue Dir das natürlich allein zu, aber ... es ist ein Statement." Ich erkläre ihm daraufhin, dass ich mich über die Schwestern geärgert hatte als die übliche Liste, in die man sich für die jeweilige Patienten-Veranstaltung als Verantwortlicher eintragen kann, fast leer zu mir zurückgekommen war. Mit meinem Erscheinen will ich mich einfach hinter meine eigene Veranstaltungsreihe stellen und dass er nun gerade den auserkohrenen Vortrag hält, ist das Sahnehäubchen. Das mit dem Sahnehäubchen sage ich ihm nicht. Ich will ja nicht, dass er kolabiert. Als ich ihm das so erklärt habe, wirkt er erleichtert. Und ich auch. Und dann will ich ihn möglichst ungestört weiterarbeiten lassen. Ich öffne die Tür und stiere wie immer auf unser Staffellauf-Bild mit dem danebenhängenden Kalender von 2012! Was hat er eigentlich 2013 gemacht?

Später strömen die Teilnehmer in den Konferenzraum, so dass fast jeder Platz besetzt ist. Ein guter Auftakt. Ich bereite alles vor und mache Smalltalk mit den mir gut bekannten Patientinnen. Um drei vor 5 beschließe ich ihn abzuholen bzw. nachzusehen, ob er nicht doch kolabiert ist. Ich trete in sein Zimmer, wo er sich echt flomäßig am besten noch den obersten Knopf von seinem Kittel zuknöpft. Ein bisschen Schutzkleidung braucht er halt. Ich sage: "Dein Fanclub ist da." Er lacht und lockert sich etwas. Der hat echt Vortragsangst. Der Arme. Auf den 20 Metern bis zum Konferenzsaal erzähle ich ihm, dass "die Hütte voll ist". Flooding nennt man das wohl. Es ist aufgelockert und ein bisschen so als wäre ich der Trainer und er der Boxer, der gleich in den Ring steigt. Ich frage scherzhaft, ob ich ihn noch etwa pushen soll. Wie das unter "Freundinnen" halt so ist. Im Vortragsraum dann noch ein letztes Einschwören. Eine Absprache wie und als was ich ihn vorstelle ist nicht nötig. Stattdessen überreiche ich ihm den Schlüssel für den Raum, da ich vermutlich nicht ganz bis zum Schluss bleiben werde.

Wenige Augenblicke später beginne ich aus dem Stehgreif mit meiner Rede (irgendwie muss ich doch noch auf die Bühne). Ich produziere wohlformulierte Sätze und mache das richtig gut. Ich baue einen Spannungsbogen auf, um dann die "Torte" von Arzt zu präsentieren. Als ich ihn vorstelle, sehen wir uns tief in die Augen. Hach, ich fühl mich toll. Mit einer Freundin wäre das nicht ganz so erotisch. Er bedankt sich für die einleitenden Worte und hält einen guten Vortrag. Er verwendet mittlerweile mehr Bilder (hat er von mir abgeguckt) und schöne Metaphern (und ganz ohne meine Hilfe). Und die Patientinnen trauen sich zwischenzufragen. Wenn er auf Fragen eingeht, ist er richtig gut. Die Patientinnen sind begeistert. Er erklärt´s medizinisch, aber so dass sie es verstehen. Am Ende kommt nochmal mein Part und ich überreiche ihm die Blumen mit den spontanen Worten: "Ohne Blumen kommst Du hier nicht weg. Vielen Dank." Bei der Überreichung berühren sich unsere Hände. Er hat eiskalte Finger. Also doch die Vortragsangst. Oder Vampir!

Liebe Grüße,
Eva