Liebe Mathilda,
ich habe nun die Arbeit und damit Flo für die Zeit meines Urlaubes, was genau genommen 2 ziemlich coole Wochen sein werden, verlassen. Und ich bin sehr zufrieden mit meinem heutigen Abgang. Nicht dass ich noch entscheidende Vorstöße gemacht hätte (wenn ich mal davon absehe, dass ich Flo eine sehr persönliche mail in einer sehr beruflichen Angelegenheit geschrieben habe – das fand ich ungemein clever von mir), aber mir wurde diese Woche klar, dass er wohl mittlerweile schlechter mit der Situation umgehen kann als ich. Ich bin wirklich offen und merke dabei wie er immer verstockter wird. Seine zurückhaltenden und KONTROLLIERTEN Reaktionen scheinen nicht damit zu erklären zu sein, dass er mich nicht ermutigen will oder dass er sich um mich sorgt, sondern sind wohl eher sein eigenes Problem. Er hat mir nicht mal einen schönen Urlaub gewünscht oder sonst irgendwas dazu gesagt, obwohl ich es ihm echt auf die Nase gebunden habe und er mehr als reichlich Gelegenheit dazu hatte. Er weiß überhaupt nicht wie er sich verhalten soll und macht dann lieber gar nichts (er denkt er macht gar nichts) – so meine Interpretation. Will ich so einen Kerl wirklich, der nicht erwachsen damit umgehen kann, einen sehr persönlichen Vorschlag zu einer Affäre abzulehnen oder dazu zu stehen? Ich will – Du willst nicht – Schade – Und nun lass uns weitermachen. Stelle ich mir das zu einfach vor? Ist das Leben nicht einfach?
Die Geschichte der Patientin mit dem Demenzverdacht ging noch weiter. Nachdem wir ihr die Diagnose mitteilten, hatte sie mich als Schuldige auserkoren. Als ich sie zufällig auf dem Gang traf, ging sie mich aggressiv an, weil ich ihr das „eingebrockt“ habe. Flo, dem gegenüber sie ebenfalls ausfallend geworden war und der ja ihr behandelnder Arzt ist, machte mir den Vorschlag, dass wir ihr zusammen ein Gespräch anbieten sollten. Es scheiterte daran, dass wir keinen zeitnahen Termin fanden (Flo heute auf Fortbildung und ich ja bekanntlich die nächsten beiden Wochen im Urlaub), was ich sehr schade fand. Und daran, dass mir die Patientin als ich nochmal Kontakt zu ihr suchte in perfekt höflicher Fassade sagte, dass sie keine weiteren Gespräche mit mir wünsche und ihr Anliegen beim Arzt – also bei Flo – besser aufgehoben sei. Ich wollte das vor meinem Urlaub und ohne mit Flo gesprochen zu haben nicht so stehen lassen. Ich entschied mich dafür, ihm eine mail zu schreiben. Und ich habe nicht so lange herumgefeilt wie sonst, was echt ein Fortschritt ist:
Ich fand das wie schon erwähnt ungeheuer clever von mir. Er will die fachliche Ebene? Ich gebe ihm die fachliche Ebene. Doch nicht ohne zwischen den Zeilen einfließen zu lassen, dass ich zu dem was ich sage, stehe und dass ich durchaus um ihn besorgt bin. So ungefähr bildet das auch meine wahrgenommene Position ihm gegenüber ab: Böses Mädchen, dass (fast) überall hinkommt und trotzdem um sein Seelenheil fürchtet, weil es ihm ein "unmoralisches" Angebot gemacht hat. Ich denke kaum darüber nach, ob und was er auf diese mail antwortet. Ich bin ganz bei mir und losgeworden, was ich sagen wollte. Und wenn er antwortet, erreicht ihn nur die Abwesenheitsnotiz (hähä). Ich hoffe ich bin bald durch damit. Der Schmerz nimmt momentan ab, vielleicht auch eine Entspannung, weil ich ihn jetzt länger nicht sehen werde. Ich seh es schon kommen: Ich entferne mich von ihm und er kann deswegen dann wieder auf mich zugehen. Grausam diese Dynamik!
"Lieber Florian,
ich wollte Dir gerne noch den aktuellen Stand zu o.g. Patientin durchgeben: Frau D. lehnte heute in perfekt freundlicher Fassade weitere Gespräch mit mir ab. Sie bezog sich dabei auch auf den Termin bei Dir und „dass das dort besser aufgehoben“ sei. Inzwischen kann ich ganz gut damit umgehen, die „Böse“ zu sein. Trotzdem habe ich das unangenehme Gefühl, dass ich Dich mit dem Fall allein lasse. Ich hätte gerne ein Gespräch mit Dir zusammen gemacht, aber die Patientin entscheidet.
Vielleicht sollten wir für zukünftige Konstellationen überlegen, ob eine Trennung von Diagnostik und Therapie sinnvoll wäre, weil das Testergebnis die therapeutische Beziehung schon erheblich beeinträchtigt. Ich habe mich dazu auch mit einer Kollegin besprochen, die dies für sinnvoll und möglich hält. Ich überlege auch (und bin noch zu keiner Lösung gekommen), was die Übermittlung eines Demenzverdachtes von der Übermittlung einer anderen schlechten Diagnose unterscheidet, da es ja in jedem Fall „bad news“ sind und der „Bote ja bekanntlich geköpft“ wird. Soviel zu meinen Gedanken…
Viele Grüße von Eva"
Ich fand das wie schon erwähnt ungeheuer clever von mir. Er will die fachliche Ebene? Ich gebe ihm die fachliche Ebene. Doch nicht ohne zwischen den Zeilen einfließen zu lassen, dass ich zu dem was ich sage, stehe und dass ich durchaus um ihn besorgt bin. So ungefähr bildet das auch meine wahrgenommene Position ihm gegenüber ab: Böses Mädchen, dass (fast) überall hinkommt und trotzdem um sein Seelenheil fürchtet, weil es ihm ein "unmoralisches" Angebot gemacht hat. Ich denke kaum darüber nach, ob und was er auf diese mail antwortet. Ich bin ganz bei mir und losgeworden, was ich sagen wollte. Und wenn er antwortet, erreicht ihn nur die Abwesenheitsnotiz (hähä). Ich hoffe ich bin bald durch damit. Der Schmerz nimmt momentan ab, vielleicht auch eine Entspannung, weil ich ihn jetzt länger nicht sehen werde. Ich seh es schon kommen: Ich entferne mich von ihm und er kann deswegen dann wieder auf mich zugehen. Grausam diese Dynamik!
Liebe Grüße,
Eva
Hallo meine liebe,
AntwortenLöschenIch finde dich echt mutig und souveraen!!! Und du wächst eindeutig mehr als er! So wie es aussieht scheint er wirklich nicht so schnell erwachsen zu werden;-))
Und nein, die Dinge sind in Wahrheit immer einfach und ziemlich Basic.... Denke ich....
In bezug au die Demenz Patientin hast du gut professionell reagiert und dass du Mutter-Verantwortungsgefühle ;)) für ihn übernimmst ist bei seinem unsicheren verhalten auch einladend!!!
Ich wünsch dir auch einen wunderschönen Urlaub und freu mich dich bald wiederzuseehen!
Umarmung
Mathilda