Donnerstag, 29. November 2012

Flirten oder Fletschen?


Es wird leichter.

Es wird leichter, wenn man angesichts der Schwere meines Problems von „leichter“ sprechen kann. Das tägliche miteinander gewinnt an Normalität und ein bisschen Normalität tut bei allem Hunger nach Spannung und Veränderung auch gut und Not.  Flo und ich gingen wie so oft vor Ground Zero morgens zusammen in die Ambulanz. Allein. Und ohne Flucht, Sicherheitsabstand und gezielte Verabredung. Einfach so. Gute 2 Wochen nach meinem Geständnis kann ich also sagen: Na, geht doch. Er redete von einer Fortbildung, ich sagte etwas Geistreiches - keine Ahnung was - dazu. Es war wie immer, bevor er gewusst hatte, was ich für ihn empfinde. Ich fühlte mich dabei wohl. Wobei? Dabei, dass wir ganz unverkrampft miteinander kommunizieren können und ES trotzdem wissen. Ich genieße, dass wir dieses Geheimnis miteinander haben. Ja, ich genieße das wirklich. Vielleicht weil es der ganzen Situation den Anstrich des Besonderen gibt. Ich denke nicht, dass irgend eine andere Kollegin, und sollte sie auch genauso empfinden, soweit gegangen ist. Es mag schon einige Leute geben, die heimlich verliebt sind, aber wenige, die das so klar mitgeteilt haben. Natürlich könnte ich mich auch ausgeliefert fühlen, jetzt wo er es weiß, aber dieses Gefühl ist mir irgendwie bei ihm völlig fremd. Warum bloß? Vertrauen ist die Antwort.



Im Umgang miteinander stellt sich mir nunmehr die Frage: Fletschen oder Flirten? Was hat es zu bedeuten wie er sich mir gegenüber verhält, wenn andere Leute mit dabei sind? Ist es ein spannungshaltendes Flirten oder ein vorsichtiges Zähnefletschen, weil ich ihn in diese unmögliche Situation gebracht habe, oder gar ein kleines Löwengebrüll damit die anderen ja nicht merken, dass da etwas zwischen ihm und mir ist? Durch unsere heutige Begegnung am Kaffeetisch, die ich noch immer nicht ganz einordnen kann, wird das vielleicht etwas deutlicher: Wir beide, Flo und Eva, saßen dort mit einigen anderen und sprachen über einen Klienten, der einen spanischen Nachnamen hatte. Flo, der den Klienten noch nicht kannte, fragte, was für ein Landsmann er sei. Und ich darauf ganz spontan, dass er 

„nur mit einer Spanierin verheiratet ist“, deren Namen angenommen habe und ein Deutscher wäre. Und er griff das sofort auf und kommentierte lachend 

„Ach so, das ist ja überhaupt das Schlimmste: verheiratet zu sein.“ 

Ups, aus welcher Ecke kam das denn? Blickkontakt hatten wir dazu keinen, da wir in einer Reihe saßen und uns nicht direkt sehen konnten. Demzufolge bleibt mir diese nonverbale Kommunikationsquelle vorenthalten und ich kann sie nicht für Interpretationszwecke heranziehen. Rein äußerlich musste ich aus einem Impuls heraus lachen, wurde etwas rot und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Humor ist gut, gerade in so verfahrenen Situationen sogar auflockernd. Aber innerlich arbeitete es bereits: Ja, da hat er recht, für mich ist es absolut schlimm, dass er verheiratet ist. Für ihn auch? Warum sagt er so was? Die anderen bemerkten sicherlich nicht diesen einen, explosiven Kern der Sache, das grundsätzliche Problem an diesem Witz. Zieht er mich damit auf? Zieht er sich damit auf? Ich bin nicht diejenige, die verheiratet ist. Nach einigem Gelächter ging es noch weiter um den Klienten, der sehr alt und behäbig wirkt. Ich erklärte, warum er vielleicht so wirkt und dann schaltete Flo sich wieder ein und erzählte (Achtung: Flo gibt etwas Persönliches von sich preis), dass sein ehemaliger Vorgesetzter genauso alt wie er war, jedoch viel älter wirkte. Na, da ist aber jemand von seiner jugendlichen Ausstrahlung überzeugt. Wahrscheinlich war es auch kaum für ihn zu vereinbaren einen gleichaltrigen Vorgesetzten zu haben, könnte man auch ketzerisch vermuten. Soweit so gut, aber dann kam etwas, was ich wirklich nicht wissen wollte. Seine Frau sei nur ein Jahr jünger als er und würde immer 10-15 Jahre jünger geschätzt. Als wer? Als sie selbst? Als er selbst? Oder der Bevölkerungsdurchschnitt? Wenn er schon jünger als er ist geschätzt wird und seine Frau noch mal 15 Jahre jünger als er jünger geschätzt wird, reden wir hier fast von Verführung Minderjähriger. Und überhaupt, was soll dieses ganze "jünger, schneller, weiter"? Na, ich halte das ja für sehr übertrieben. (Hier seht ihr das praktische Beispiel einer selbstwertschonenden Attribution) Und was die Querverbindung zu seiner Frau angeht: Danke auch, du Arsch! Hatte bisher alle Gedanken an seine Frau erfolgreich verdrängt. Musste er mir das so auf die Nase binden? Ich glaube er denkt ziemlich genau darüber nach, wo er welche Informationen platziert. Was sollte das heißen? Was war die Botschaft? "Schau wie toll und jung und glücklich meine Frau und ich sind."? Keine Ahnung! Ich zog mir jedenfalls in Gedanken schon Turnschuhe und Sportsachen an bevor ich den absurden Gedanken, ich müsse mit ihr mithalten, stoppen konnte. Ich wollte das nicht hören, aber mir ist das nun mal nicht egal. Er ist mir nicht egal. Und das ist das Problem. Ich will ja gar keine Kopie seiner Frau sein. Ich will eigentlich gar nichts von „Laura“ wissen. Ich bin ich. Und ich bin sowieso anders. Und das ist auch gut so, denn sollte er sich je für etwas, eine Frau, außerhalb seiner Ehe interessieren, dann wird dies sicherlich kein Abbild dieser, seiner Frau sein. Er ist ja nicht Dieter Bohlen. Es kommt jetzt darauf an, die Spannung aufrecht zu erhalten. Mich interessant und spannend, wie ich nun einmal bin, darzustellen. Und das geht nur über das, was ich kann. Das geht nur über das menschliche, das zwischenmenschliche, für das er sich ja so brennend interessiert. Es geht um interessantes, spannendes, zwischenmenschliches Verhalten. Kann er haben! Hab schon angefangen damit. Und doch muss ich irgendwie die Balance halten und nicht seine Grenzen überschreiten. Ich habe Angst, dass er aggressiv abweisend gegenüber mir werden könnte, wenn ich ihn zu sehr bedränge oder provoziere. Aber das wäre immerhin eine gefühlsmäßige Reaktion. Im Moment ist es ja so als tangiert ihn das gefühlsmäßige überhaupt nicht. Und ich würde ihn zu gerne fragen: „Sag mal, tangiert dich das gefühlsmäßig überhaupt nicht, dass ich mich in dich verliebt habe? Ist da wenigstens irgendwas? Traurigkeit, sich geschmeichelt fühlen, Schuld?  Ich spüre, dass da mehr zwischen uns ist als nur die berufliche Beziehung und du kannst dich nicht ewig davor verschließen. Nicht auf Dauer." Vielleicht wäre das etwas, womit ich zu ihm durchdringen könnte. 

Und dann frage ich mich wieder: er weiß es nun und kann trotzdem so unverblümt weiter Flirten? Oder die Zähne fletschen? Er muss sich bewusst sein, dass ich in Bezug auf ihn nicht außer Gefahr bin. Moment, der arme Kerl kanns mir wohl auch nicht recht machen. Erst am Dienstag hatte ich ihn gebeten, so normal wie vor Ground Zero mit mir umzugehen. Und jetzt bin ich empört, wenn er es tut. Es könnte seine Reaktion auf meinen Wunsch nach Normalität sein und kein Abbild seiner Gefühle. Er versucht es mir in seinen Grenzen recht zu machen? Was genau genommen bedeutet, er versucht es sich recht zu machen. Werde ich je erfahren wie es wirklich in ihm aussieht? Was meint Ihr?

Flirten oder Fletschen. 
Am Ende der Seite bitte abstimmen! Danke,

Eure Eva.

Mittwoch, 28. November 2012

Everything and nothing - Aufbauarbeit nach Ground Zero

Die letzten beiden Tage waren wie ein einziges großes Gefühlsbad. Ich war auf der Flucht vor ihm, obwohl ich eigentlich bei ihm sein will. Zwei Tatsachen, die sich eigentlich nicht miteinander vereinbaren lassen. Und dementsprechend fühle ich mich auch. Ich dachte wieder mal, das könne nicht so weitergehen und nahm mir deshalb vor, ihn darauf anzusprechen. Das tat ich auch heute Morgen in der ersten Besprechung des Tages. Er saß neben mir. Nach dem offiziellen Teil der Besprechung wand ich mich zu ihm: 

"Hast Du nachher kurz Zeit?" 

Ich hielt den Blickkontakt, sah ihn für meine Begriffe ziemlich intensiv an, um möglichst frühzeitig zu erkennen wie er auf diese Frage reagieren würde. Er war sofort ganz bei mir und stimmte ohne die geringsten Einwände zu:

"Ja, klar."

So als sei das das Leichteste, Verständlichste und Normalste der Welt. Es war so einfach. Wie auf eine offene Tür zu rennen. Er macht es mir leicht, mit ihm Kontakt aufzunehmen, aber er lässt kaum etwas von sich durchblicken. Langsam nervt es, dass ich so gar nichts von ihm erfahre. Aber warum auch? Er hat ja deutlich gemacht, dass er nicht so empfindet. Hat er das? Ich zermartere mir wirklich das Hirn darüber und finde kein Ende. Deswegen war es gut, dass wir miteinander gesprochen haben. 

Ich folgte ihm auf die Station wie wir das immer morgens tun. Er wurde von einer Assistenzärztin um etwas gebeten, das sie am liebsten sofort erledigt wissen wollte. Flo ruderte zurück und verschob es auf später. Er müsse zunächst erst in seine Sprechstunde. Sieh an, er benutzte sogar eine kleine Notlüge für mich, denn - ich weiß nicht wodurch, verbal war es jedenfalls nicht zwischen uns kommuniziert - es war irgendwie klar, dass wir gleich zu zweit allein zu mir gehen würden. Und so verabschiedeten wir uns beide von der Station und gingen los. Es war einfach, meine Gedanken bereits auf dem Weg in Worte zu fassen. Da war ich nicht so sehr mit seinen Augen konfrontiert und konnte meine Gedanken besser ordnen. Und außerdem hilft Bewegung beim Spannungsabbau. 

Ich lerne gerade sehr viel über mich selbst. Ich wachse über mich hinaus. Ich hätte nie von mir gedacht, dass ich so offen und konfrontativ mit einer so außergewöhnlichen Situation umgehen kann. Ich merke, dass er sich, dass ich mich verändere und das in einem Tempo, das ich mich manchmal frage, ob das nicht zu schnell geht. 

Noch beim Gehen konnte ich ihm sagen, dass ich die Situation als merkwürdig empfinde:

"Weißt Du, manchmal komme ich mir wie auf der Flucht vor Dir vor, obwohl ich das gar nicht möchte."

"Ja, das ist mir auch aufgefallen... Deswegen bin ich dir auch neulich nicht nachgegangen, weil ich dachte du möchtest das nicht." 

Er spielte auf die peinliche Situation an, in der ich ihm auf seinem Flur, vor seinem Zimmer begegnet war und fluchtartig die Szene verließ. Als ich hörte, dass er offensichtlich daran dachte, mir hinterherzugehen bzw. es ihm wichtig schien, mir seinen Impuls mitzuteilen, stiegen sofort romantische Fantasien in mir auf wie er mir hinterherrennt und mich aufhält: Vielleicht erreicht er mich auf dem Hof, auf dem es natürlich in Strömen regnet. Ich drehe mich um, nachdem er dramatisch und zärtlich zugleich meinen Namen gerufen hat. Er ist mein Ritter und mein Retter. Musik muss her – es erklingt The Boom Circuits` "Everything and nothing". 
Mir laufen die Regentropfen und die Tränen übers Gesicht als er immer näher auf mich zukommt. Er fängt die Tränen und die Regentropfen mit dem sanften Griff seiner rechten Hand an meine Wange auf. Wir sind bereits klitschnass, aber das ist uns egal, denn wir sehen uns an und wissen, dass wir zusammen gehören. (Vorsicht: Ich habe wohl ein bisschen viel "Doctors Diary" gesehen und glaube langsam, dass ich die Reinkarnation von Gretchen Haase und Flo die von Dr. Marc Meier ist. Elke Fischer war gestern.)



Aber weiter in der realen Situation, in der Flo und ich noch immer den Weg entlang gehen und miteinander sprechen:

"Ich mache mir so viele Gedanken. ...Und eine Frage, die mich richtig bedrückt, ist wie das für Dich eigentlich war."

"...Naja...es war schon sehr anstrengend an dem Tag, weil... (er führt die ganzen fachlichen Sachen an, die an dem Tag zu erledigen waren), aber wenn Du mit so etwas Dringendem an mich herantrittst, wollte ich es natürlich unbedingt gleich möglich machen." 

Als er das sagte, waren wir auf unserem Weg genau an der Stelle, wo ich ihn um das erste Gespräch bat. Und daher wusste ich auch sehr gut, was ich damals zu ihm gesagt hatte:

"Moment, ich sagte, dass es nicht dringend, aber wichtig ist und etwas Zeit braucht." Ich sage das lächelnd, weil ich es in meinen Gesprächsvorbereitungen so oft durchgekaut habe und es schon erstaunlich ist, dass das jetzt von ihm aufgegriffen wird.

"Ja, ...aber Deine Körpersprache hat was anderes gesagt." erwidert er grinsend.  

Oh. Was soll ich dazu sagen? Was habe ich da bloß körpersprachentechnisch von mir gegeben. Ich fühle mich sofort ertappt und kontrolliere die Position meiner Arme und Beine und meinen Gesichtsausdruck. Ich denke schon, dass ich mich halbwegs unter Kontrolle hatte. Naja, und er war ja auch sichtlich gespannt.
Wir gehen in das Gebäude und er meldet mir zurück, dass das Setting, das Gespräch in meinem Zimmer zu führen, wohl etwas unglücklich gewesen ist. Warum? Hätte er es gerne auf neutralem Boden gehabt? Was gibt es für Alternativen? Er hätte gerne auch ein romantisches Restaurant wählen könne. Trotzdem wählte er, sich dieser Erfahrung bewusst, wieder die gleiche Umgebung. Wir gingen, jeder bewaffnet mit einem Kaffee, wieder in mein Büro. Ich bedankte mich, dass er so schnell und sofort dazu bereit war, sich wieder mit mir zusammenzusetzen. 

"Also,... was hast Du denn erwartet als ich Dich um das Gespräch gebeten habe?"

"Ich dachte es geht um irgendeinen schlimmen Teamkonflikt, mit den Schwestern oder so, auf den Du mich vorbereiten willst oder so." 

Nun ja, "Teamkonflikt" und "schlimm" kann man es für unser Zweierteam auch nennen. Widerum, ein Teamkonflikt, der so schlimm ist, dass er sich bereits in meiner Körpersprache abzeichnet? Wie passt das denn zusammen?

"Und was hat das mit Dir gemacht. Ich meine, wie ging es Dir damit?"

Er sagte nicht unbedingt, dass es ihn fertig gemacht habe. Obwohl, indirekt schon. 

"Es war hier auf der Arbeit soviel zu tun. Ich musste die beiden Ärzte vertreten. Und abends habe ich auch noch diesen anspruchsvollen Film gesehen. Es war echt anstrengend. Ich hätte mir gewünscht, dass schon Wochenende gewesen wäre." 

Es hat ihn fertig gemacht, aber er lässt sich wirklich schwer etwas entlocken. Manchmal macht mich das etwas wütend, dass ich ihm alles aus der Nase ziehen muss. Und ich hätte nicht selten Lust ihn zu provozieren. Wut ist ein gutes Gefühl, denn es bedeutet nicht mehr nur Traurigkeit. Ich würde gerne genauer über seine Gefühle Bescheid wissen. Ob es da Schuld, Scham, sich geschmeichelt fühlen gibt? Aber das ist es ja gerade, ich habe kein Recht darauf seine Gefühle zu erfahren. Ich kann das nicht erzwingen. Ich habe mich vor ihm entblättert und er zeigt so wenig von sich. So ist das bei unerwiderter Liebe. 

"Du bist so ... kontrolliert." ist das, was mir von meiner Wut über seine fassadenreiche Haltung über die Lippen kommt.


"Ja, ich bin da tatsächlich sehr kontrolliert." Wer weiß, was ich da in meinen romantischen Fantasien in ihn hineinprojeziere., was er niemals sein kann. Wer weiß, warum er sich so stark kontrollieren muss?

Wenn er sich kontrolliert, ist es jedenfalls ungefährlicher für ihn. In unserem Gespräch sehe ich wie er nachdenkt und nur ein Bruchteil, ein zensierter Bruchteil, kommt über seine Lippen. Und das macht mich schlichtweg wahnsinnig. Er dreht den Spieß um:

"Wie gehts Dir denn jetzt?"

Das ist meine Frage. Ich bin vorbereitet.

"Ich leide, und rede, und schreibe ganz viel darüber." und mir treten dazu wieder die Tränen in die Augen. Das reicht schon, um ihm auf mehreren Ebenen begreiflich zu machen, dass es mir natürlich schlecht geht.

"Tagebuch?" fragt er ein bisschen hilflos oder gar angstvoll?

"Ja, so in der Art..." was nicht mal gelogen ist. Trotzdem wechsle ich das Thema, denn es geht mir nach Ground Zero auf jeden Fall besser als vorher.

"Ich bin erleichtert seitdem ich es Dir gesagt habe. Ich bereue nichts. Ich habe mir die Konsequenzen schlimmer ausgemalt als sie nun sind. Ich habe da schon sehr großes Vertrauen zu Dir." sage ich etwas ratlos, weil ich gar nicht weiß, wo dieses ganze Vertrauen zu ihm herkommt. Es ist einfach da.

"Manchmal fühlt es sich an als sei ich vor Dir auf der Flucht. Und das, weil ich mich begrenzen wollte nur auf der Sachebene mit Dir umzugehen wie wir das vereinbart hatten."

Ich finde keinen Abstand, der für uns beide angemessen ist, also vergrößere ich ihn ins Unermeßliche und Unerträgliche. 

"Ich empfinde das irgendwie als unnatürlich und technisch. Ich würde mir wünschen, dass wir versuchen ganz normal, wie bisher, miteinander umzugehen." 

Das ist doch eine ganze Menge. Es fällt mir absolut schwer zu akzeptieren, dass er meine Gefühle nicht erwidern wird. Ich möchte das nicht, ich kann mich noch nicht damit abfinden Und ständig suche ich mir ein gedankliches Schlupfloch und hoffe von neuem.

Donnerstag, 22. November 2012

Mails nach Ground Zero



Rein äußerlich tue ich meine Arbeit und das, was allgemein erwartet wird. Was wird erwartet? Dass ich diese Veranstaltung vorbereite. Die Veranstaltung auf der ER referiert. Deswegen waren einige Absprachen zwischen ihm und mir notwendig. Absprachen sind aktuell schwierig, weil wir wie zwei verängstigte Kaninchen umeinander herumschleichen. Warum aber diese notwendigen Absprachen weiter hinausschieben? Durchs Aufschieben wird es nicht besser. Nachdem mir das klar war, wählte ich gestern den mail-Weg, um in dieser Angelegenheit Kontakt zu ihm aufzunehmen. Ihr wisst ja: Schreiben ist für mich leichter als sprechen. Er sagte ja selbst, ich solle ihm ruhig unverblümt mails schreiben, wenn das für mich leichter sei. Nun wollte ich aber wegen der am Dienstag erörterten Gründe nicht nur so sachlich bleiben. Immerhin habe ich ihm letzte Woche meine Gefühle gestanden. Und jetzt so ganz sachlich bleiben, empfand ich als nicht angemessen? Wozu den sachlich bleiben? In mails, die nur uns beide was angehen, muss ich die Rolle nicht weiterspielen. Außer ich überlege mir, wer die mails noch lesen könnte. Mit so einer geheimen Gefühlssache kann man schon paranoid werden. 
Was tut man also in so einem Fall? Sich erstmal sowas von überhaupt nicht an seine Aussage "unverblümt mails schreiben" halten und ca. 1 Stunde an einer 4zeiligen Nachricht herumformulieren. Danach noch ca. 2 Stunden überlegen, ob man die mail auch wirklich so abschickt und sich schließlich in der einen Sekunde, in der man denkt, dass das nun auch nichts mehr schlimmer machen kann, auf "senden" klicken. Nur um sich in der selben Sekunde einen Strom- oder Datennetzausfall zu wünschen. Ich begrüßte ihn mit 

"Lieber Florian, mal was Fachliches :-)..." 

und dann, dass ich diesen Text für die Referentenliste geschrieben habe und ihn bitte, ihn sich anzusehen, ob das so in Ordnung ist. 

"Vielen Dank und liebe Grüße, Eva" 

Na, ihr werdet denken, da hat sie sich mit ihrer "unsachlichen" Äußerung in Form eines Smilies und einer kleinen, versteckten Ironie wohl ordentlich aus dem Fenster gelehnt. Mehr geht aktuell einfach nicht! Mit der Spannung, ob und was er darauf antwortet, verließ ich nach meinem Klick die Klinik. Warten ist jetzt einfach nicht zum Aushalten.

Und heute morgen als ich in die Klinik kam, die große Überraschung: Er hatte noch nicht auf meine mail geantwortet. Ich dachte "Ups, das ist ja sonst gar nicht so seine Art." Ich schob es auf den stressigen Arbeitstag. Immer schön selbstwertschonend. Alle anderen Interpretationen für die mail-losigkeit versuchte ich nicht zuzulassen. Ich musste schließlich arbeiten. Und dann war er auch einfach nicht da und ich bekam schon leichte Panik, ich würde gar keine Antwort bekommen, er redet nie wieder ein Wort mit mir und ich sehe ihn nie wieder. Jetzt wisst ihr, warum ich solche Interpretationen vermeide. Gegen 8 Uhr war ich gerade bei der Seelsorgerin, um mit ihr über eine Klientin zu sprechen, deren Büro auf dem gleichen Flur wie seines liegt. Ich will mich gerade von ihr verabschieden, da sehe ich ihn draußen vor dem Fenster vorbeilaufen. Ich registriere, dass er also gerade erst zur Arbeit kommt und mache mich gezielt auf den Weg über den Flur, um ihm zu begegnen. Leider habe ich seinen Weg unterschätzt und so begegnen wir uns erst ziemlich spät, nämlich genau vor seiner Tür. Man hätte es so interpretieren können, dass ich auf diesem Flur herumlungere, um ihn zu sehen. Das war nun wirklich nicht so, aber es sah garantiert so aus. Als Flo um die Ecke bog und mich sah, begrüßte er mich mit einem Lächeln. Ok, er lächelt, wenn wir uns allein begegnen. Er muss das nicht tun, muss keine Rolle spielen, denn wir sind allein. Wir sagten zeitgleich "Na?", was schon eine merkwürdige Begrüßung ist. Er fragte sofort "Was machst Du denn hier?" Schon klar, er denkt, dass ich hier auf ihn warte. Wir gingen immer noch aufeinander zu. Ich sagte ihm wie aus der Pistole geschossen "Ichwarbeiderseelsorgerin!" und lief dann fluchtartig und peinlich lächelnd an ihm vorbei. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, ihn allein zu sprechen, aber ich fühlte mich hochgradig unwohl in der Situation. Was für ein Durcheinander. Auf jeden Fall scheint er mir immer noch freundlich gesonnen zu sein. Warum auch nicht? 

Ich sah ihn nur noch einmal kurz gegen 8.15 Uhr im Aufenthaltsraum sitzend. Es war kein Platz mehr frei. Deswegen zog ich mit meinem Kaffee von dannen. Für ihn muss es sicherlich so aussehen als wenn ich seine Nähe gerade nicht ertragen kann. Und dabei will ich nichts lieber als das. Vielleicht antwortete er dann auf meine mail, um mich ein bisschen aufzumuntern. Vielleicht hat er sich auch die ganze Nacht die Formulierung, eine schlagfertige Antwort überlegt. Oder kann er sich so etwas plötzlich ausdenken? Er schrieb:  
"Liebe Ewa"

Noch immer verirrt sich ein "w" anstelle des "v" in meinen Namen. Dann erklärte er, dass es unlogisch sei, dass er als Facharzt große Erfahrungen hat, sondern er wollte den Facharzt eher in Kommas eingerahmt wissen. Soviel zum Fachlichen. Nun das zwischen den Zeilen. Ich hatte ja in meiner Formulierung der Referentenbeschreibung von "langjähriger" Erfahrung gesprochen. Der Text war rot markiert, weil ich ihn aus dem Dokument kopiert hatte, in dem alle noch nicht abgesegneten Texte so markiert sind. Er begann mit einem Smilie

" :-) Und "langjährig" ist relativ und lässt mich eher das Hautkolorit deiner verwendeten Textfarbe annehmen.“  

Boah! Was ist das denn? Hat er vor sich selber und seiner Kompetenz Angst? Fühlt er sich dadurch alt? Zu viel des Guten? Offensichtlich bringt ihn das in Verlegenheit, was mir sehr sympathisch ist. Er hatte mir schon mal die selbstzweiflerische Seite von sich gezeigt als er erzählte, dass er sich in der Probezeit hier nicht sicher fühlen würde. Mein Gefühl sagt mir, dass er an dieser mail doch erheblich herum formuliert hat. Auf jeden Fall ist er auf meine unsachliche Ebene mitgekommen. 
Ich hatte sofort den Impuls zu antworten, wollte ihn aber ein bisschen zappeln lassen. Was sind das denn für Spielchen? So wartete ich noch ein ein halb Stunden und schrieb dann  

„Lieber Florian, 
o.k., ich übernehme es so. Und wenn es deine Gesichtsfarbe gefährdet, kann ich "langjährig" auch streichen oder ersetzen durch „fundiert“, „fortwährend“… Wenn dich das weniger erröten lässt? :-) 
Liebe Grüße von Eva“ 

Er hatte in seiner mail auf die lieben Grüße verzichtet und viele Grüße daraus gemacht. Sonst waren es immer liebe Grüße. Er scheint schon etwas vorsichtig zu sein, aber er flirtet weiter (das ist doch Flirten oder?), obwohl wir das ja eigentlich lassen wollten. 

Mittwoch, 21. November 2012

Drei Fragen von gefühlten 1000!



Ich habe gerade mit Mathilda gesprochen, so von Frau zu Frau, am Telefon. Seither fühle ich mich etwas erleichtert, wenn man in meinem Zustand überhaupt von Erleichterung sprechen kann. Meine Wangen sind ganz rot von meiner aufgeregten Schilderung von "Ground Zero". Ich habe ihr nochmals die Kurzfassung von meinem Geständnis letzte Woche gegeben. Ich muss das einfach immer und immer wieder erzählen. Es drängt mich geradewegs dazu, wobei es immer ein Unterschied ist, ob ich es aufschreibe oder ausspreche. Schreiben fällt mir unendlich leichter. Ich brauche nur eine Tastatur und schon fliest das ganze Zeug direkt aus meinem Kopf hinaus aufs Papier. Mathildas stärkende Worte: „Du bist so mutig und einfach krass.“ bedeuten mir äußerst viel und helfen mir wieder zu erkennen, warum ich diesen Schritt gegangen bin und ich jetzt so leide. 


„Liebe kann nicht widerlegt werden, nur enttäuscht.“
Richard David Precht






Ich denke so viel nach, dass sich schon allein aus der Masse an Gedanken die Notwendigkeit für eine Art Drainage ergibt. Schreiben scheint da einiges zu Tage zu fördern. Heute sind es vorwiegend diese 3 Fragen, die mich beschäftigen:


1. Wie schaffe ich es, auf der sachlichen Ebene zu bleiben?

2. Warum hat er während unseres Gespräches so reagiert wie er reagiert hat? Warum war er so kontrolliert?

3. Wie geht es ihm und wie geht es mir jetzt damit? Und wie sage ich ihm wie es mir geht?


zu 1. Mit Flo auf der sachlichen Ebene bleiben. Die Intention ist klar: Etwas Struktur und Stabilität in die ganze Beziehung bringen, die äußeren Rahmenbedingungen einhalten usw. Hilfreich? Wohl eher gezwungen. Wenn ich mir das genauer überlege, ist es wirklich total sinnlos für mich nur auf der fachlichen Ebene zu bleiben, denn ich bin ja sowieso in ihn verliebt. Und schlimmer kann das ja gar nicht mehr werden. Ich kann mich nicht noch mehr in ihn verlieben als es sowieso schon passiert ist. Ich kann es auch nicht rückgängig machen. Muss ich mich auch noch mit der Reduktion des Kontaktes zu ihm bestrafen? Einzig ihm könnte es schwerfallen, mit seinem neuen Wissen weiter mit mir umzugehen und weiter zu flirten. Und er könnte sich in die Gefahr bringen, dass er doch etwas für mich empfindet. Ich will mich natürlich nicht aufdrängen, aber ich habe schon das Gefühl, dass wir gut zusammenarbeiten können. Okay, im Moment sind wir gelinde gesagt etwas befangen, aber das muss ja nicht so bleiben. Wir sind ständig in Kontakt, begegnen und so 10 bis 50mal am Tag. Ich merke einfach, das mir manchmal tolle, spontane Reaktionen auf seine Äußerungen auf den Lippen liegen und ich sie aktuell nicht äußere, weil wir vereinbart haben, uns mehr auf der fachlichen Ebene zu begegnen. Ich möchte ihm bei Gelegenheit mal mitteilen, dass das von meiner Seite aus ziemlich gestelzt wirkt. Dass ich das so empfinde, sollte Grund genug sein, es nochmal anzusprechen. Wirklich, ich muss mich nicht selbst beschränken. Ich bin nicht für seine Gefühlswelt verantwortlich. Nicht, dass es mir egal ist, aber ich muss mich einfach um mich selbst kümmern. Mit diesem Gedanken fühle ich mich jetzt irgendwie gestärkt. Ich kann es rational nachvollziehen, dass die Idee ist, auf emotionalen Abstand zugehen, aber das wird nichts an den Gefühlen ändern, die beim einen da sind und beim anderen nicht. Hat was von "Zuckerbrot und Peitsche". Komm mir ja nicht zu nah (emotionale Ebene), aber geh bitte nicht weg (Kannst ja fachlich mit mir kommunizieren). Vielleicht sollte ich auf sein Angebot zurückkommen und doch einen Kaffee mit ihm trinken gehen? Und was soll das bringen? Erst Kaffee trinken und dann ins Bett oder was? Fazit: Aus Fragen entstehen noch mehr Fragen.

zu 2. Ich würde zu gerne seine Gedanken kennen. Was um alles in der Welt hat er gedacht als ich ihm meine Verliebtheit gestanden habe? Ihr dürft hier ruhig auch Eure Eindrücke schildern. Es interessiert mich sehr, was andere Menschen denken, die nicht so in dieser Situation feststecken.
Entweder hat er wirklich ein Geständnis oder so etwas erwartet, was wohl schwer möglich an meinen Reaktionen zu erkennen gewesen sein dürfte (oder doch?), oder er ist total überfordert gewesen. Auf jeden Fall dürfte es in ihm arbeiten. So etwas dürfte selbst Mr. Perfect nicht alle Tage passieren. Wenn ich mir vorstelle wie es mir gehen würde. Ich könnte jedenfalls nicht mehr unbefangen mit der betreffenden Person umgehen. Und das ist ja gerade das Spannende. Und auch das Gespaltene, das Kranke: Dass wir rein äußerlich normal zu funktionieren scheinen und unsere Arbeit tun. Dass wir uns durch diese vermeintliche Normalität Struktur geben. Dass uns das vermutlich hilft, die Situation zu ertragen. Ganz schön viel "uns". Und innerlich? Ob er es will oder nicht, ich glaube er beschäftigt sich gedanklich mit mir. 
Es fällt mir schwer, klar zu denken. Ich versuche mich in Flo hineinzuversetzen und es gelingt mir nicht. Um mir seine Reaktion besser erklären zu können, ist die Frage wichtig: Wie hätte ich reagiert, wenn mir ein relativ gutaussehender (ja, das bin ich, wenn meine Augen wieder abgeschwollen sind), intelligenter (ja, das bin ich sowieso und auch unter Tränen) Kollege, mit dem ich mich zudem gut verstehe, seine Liebe gestanden hätte?
Es fällt mir schwer, mich da hineinzuversetzen. Das ist schon etwas außergewöhnlich. Die meisten Menschen würden wohl nicht diesen Weg wählen. Was wäre also, wenn ich die Worte "Ich habe mich in dich verliebt." gehört hätte? Ab wann in solch einem Gespräch wäre mir bewusst geworden, dass es hier um etwas sehr Privates geht, um das einzig Unausweichliche? Ich glaube ich hätte schon bei den ersten Worten gespürt, worum es geht. Nein, eigentlich schon davor. Schon, wenn mich jemand um so eine Unterredung gebeten hätte, wäre ich irgendwie hellhörig gewesen. Das ist auch gut so. Gesetzt den Fall, es war bei Flo genauso, hatte er somit Zeit, sich etwas zu besinnen. Wobei er sich nicht gerade besonnen hat, sondern ja am liebsten sofort erfahren hätte, worum es ging. Wer weiß, vielleicht kann er sich auch in kurzer Zeit auf solche Situationen einstellen. Das würde zumindest seine ruhige, gefasste Art erklären.
Ich hätte mich unheimlich geschmeichelt gefühlt, dass sich jemand derart für mich interessiert. Ich wäre wohl aufgewühlt gewesen, hätte gut überlegt wie ich reagiere. Alles weitere hängt davon ab wie ich gegenüber der betreffenden Person empfinden würde. Fakt ist, dass wir gut miteinander auskommen, sogar mehr als das, laut seiner Aussage. Es wäre also ein sehr sympathischer, gutaussehender, intelligenter Kollege, mit dem ich flirte, der mir seine Liebe gesteht. Wen das nicht aufregt, der tut mir leid. Wenn ich absolut sattelfest in meiner Beziehung / Ehe oder was auch immer wäre, würde ich etwas sagen wie, dass ich mich sehr geschmeichelt fühle und es mir sehr leidtut, dass er das durchmacht, aber ich seine Gefühle nicht erwidern könne. Und das ist, so hart es klingt, genau das, was Flo zu mir sagte. War es tatsächlich so vage formuliert, weil er mich nicht zusätzlich verletzen wollte? Wenn ich nicht sattelfest wäre, wäre ich wirklich verwirrt gewesen. Das kann man auch sein, wenn man sattelfest ist. Und dann hätte ich es wohl mehr offen gelassen, was ich empfinde. Weil ich mir ja unsicher gewesen wäre. Wenn ich nur im Entferntesten unsicher gewesen wäre, hätte ich wenigstens so etwas wie "Ich bin jetzt total überrascht und muss erstmal darüber nachdenken." gesagt. Oder er empfand das als zu gefährlich und musste sich gleich schützen und sagen, dass er meine Gefühle nicht erwidern kann. Mache ich mir nichts vor, er hat deutlich gesagt, dass daraus nichts wird und dass ich solche Spitzfindigkeiten hier erörtere, ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass ich es nicht wahrhaben will.
Vielleicht muss ich es auch noch deutlicher hören, dass ich ihn als Frau überhaupt nicht interessiere. Warum will ich mir das antun? Um sicher zu sein, alles getan zu haben? Vielleicht würde es mir ja auch reichen, wenn er sagt, er könne sich uns beide vorstellen, wenn wir keine Partner und keine Familien hätten. Erst mal steht das gar nicht zur Debatte und dann ist es ja wohl kaum zu glauben, dass ich mich dann damit zufrieden geben würde. Ich würde so lange baggern bis es ihm egal wäre, dass er eine Partnerin hat. - Das habe ich jetzt nicht wirklich geschrieben oder? Was bin ich bloß für ein Monster? Wie kann ich mich in so kurzer Zeit nur so verändern? Das hätte ich nie von mir gedacht.
Was wäre denn, wenn ich den Betreffenden abgewiesen hätte und wir uns tagtäglich auf der Arbeit begegnen würden? Ich wäre sehr vorsichtig. Ich würde mir schon sehr Gedanken um ihn machen. Er täte mir sehr leid. Ich würde überlegen wie ich ihm begegnen kann. Ich würde wahrscheinlich abwarten wie er reagiert und mich dann darauf einstellen. Ich wäre sofort zu weiteren Gesprächen bereit, wenn ihm das helfen würde. Ja, ich würde ihn ja unterstützen wollen in seiner Verarbeitung. Das nehme ich auch gerade bei Flo wahr, dass er mich kaum von sich aus anspricht. Er hält den Abstand, den ich vorgebe. Aber ich will gar keinen Abstand. Ich muss ihm bei nächster Gelegenheit sagen wie ich die Situation empfinde und ihn fragen wie das für ihn ist.

zu 3. Das führt mich geradewegs zu meinem dritten Gedanken: Wie geht es ihm und wie geht es mir? Er wird vielleicht irgendwann fragen wie es mir geht. Das ist zumindest mein Wunsch. Und auch ich möchte ihn zu gerne fragen wie es ihm jetzt damit geht. Ich möchte gerne hören wie es in ihm arbeitet. Ich merke, dass da nicht mehr nur Spannung und Neugier in meinem Gefühl liegen, sondern auch etwas Lust zur Provokation. Jetzt schon eine Entwicklung? Ich warte mal mit meiner Bewertung bis ich ihm das erste Mal allein begegne. Was könnte ich denn sagen, wenn er mich fragt wie es mir geht?:

  • "Es tut schweinemäßig weh!" 
  • "Ich leide und verarbeite und entwickle mich weiter."
  • "Ich muss sagen ich bin etwas erleichtert seit ich es dir erzählt habe. Ich bereue es nicht. Aber sag mal wie geht´s dir eigentlich damit?"
  • "Ich finde das schon etwas merkwürdig, dass du es jetzt weißt. Manchmal wirkt es für mich etwas technisch, dass wir nur übers Fachliche kommunizieren. Ich hätte eher den Impuls, dir wie vorher zu begegnen und ich weiß nicht, warum ich das nicht tun soll. Es kann ja auch nicht mehr schlimmer werden, denn ich bin ja bereits in dich verliebt. Darum bitte ich dich, dass wir einfach so wie vorher weitermachen."
  • "Ich finde es schon etwas gezwungen, dir mehr so auf der fachlichen Ebene zu begegnen. Ich habe meistens den Impuls so zu reagieren wie wir bisher miteinander umgegangen sind. Es wirkt so als beäugen wir uns ängstlich wie der andere reagiert während wir über Klienten reden. Ich kann das natürlich nur für mich sagen. Wie ist das denn für dich?"
  • "Hast du mit deiner Frau darüber gesprochen?" (Eine Frage, die hier überhaupt nichts zu suchen hat, aber aufgrund ihrer Schlagkraft immer wieder durchkommt. Ich würde das zu gerne wissen und hoffe, dass er es nicht getan hat.)
  • "Ach du, ich versuche alles Mögliche, um es zu verarbeiten. Ich heule und leide, aber ich merke dadurch, dass ich sehr lebendig bin. Jede Liebe macht uns ein kleines bisschen menschlicher, egal wie sie ausgeht."
  • Bitte nicht so was wie: "Es geht schon..." Es geht nämlich einfach nicht.
  • "Es geht mir gut, wenn ich dich sehe." (zu devot)
  • "Ich versuche das alles zu verarbeiten. Es ist schmerzhaft. Ich rede, schreibe, heule und höre sehr viel Musik, um meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Letzte Woche war es Chasing Pavements, diese Woche ist es Rosenstolz - Wir sind am Leben. Hast du das mal gehört? Interessante Fragen, die die da stellen."
  • "Naja, sage ich es so: Ich würde gerne mal auf den Kaffee zurückkommen, den du mir angeboten hast."

Wenn ich mir das jetzt nochmal überlege - und das tue ich ständig, das alles ist wirklich der Super-GAU des Jahrzehnts für mich -, ist es das Beste, was ich machen konnte, dass ich ihm meine verletzlichste Seite gezeigt habe. Ein beträchtliches Risiko, dass sich schon jetzt gelohnt hat? Es tickt ihn an, wenn ich ihn so richtig einschätze. Ich will nicht sagen, dass er drauf steht (oder doch?). Er fühlt sich auf jeden Fall schnell und tief ein, versucht sein Gegenüber zu verstehen. Er hat eine ganze Menge Mitleid, aber möchte ich das haben? Ich möchte eigentlich seine Zuneigung. Ich habe auf jeden Fall seine Aufmerksamkeit. Er ist sehr vorsichtig, sehr kontrolliert. Es scheint so, dass alles in ihm arbeitet. Nicht die ganze Zeit, aber es berührt ihn. Wir müssen damit aufhören uns so ängstlich zu beäugen. Und wir müssen damit aufhören, uns so zu verstellen. Ich möchte gerne wie vorher über die kleinen Alltagssachen reden, wie das Wochenende war usw. Das ist immerhin etwas, was einen beachtlichen Teil unseres Glückes ausmacht, laut Eckart von Hirschhausen zumindest. Das wird er mir doch nicht wirklich verwehren können. Das ist doch das Mindeste. Ich merke gerade, dass mir die Situation sogar ein bisschen gefällt. Es kann nicht schlimmer werden als es ist! Ich habe alles getan und er und ich, wir müssen nun damit leben. Ich bin nicht dazu da, die kleinen und großen Entscheidungen von ihm fernzuhalten. Ich bin für mein eigenes Glück verantwortlich. Wie jeder andere auch. Und ich habe es in die Hand genommen.