Montag, 3. März 2014

Wo bleibt die Langeweile?

Liebe Mathilda,
bloggen macht nicht nur echt Spaß, es ist auch ein "Reingungsprozess" für mich.
Auf der Arbeit ist nichts Aufregendes los. Flo ist die nächste Woche im Urlaub und zieht um. Und so kann ich nur zehren vom letzten Freitag als er noch da war oder es einfach mal gut sein lassen. Ja, der Freitag war noch mal richtig schön mit ihm. Hatte was vom Dreamteam bestehend aus den letzten Überlebenden (tatsächlich kein weiterer Arzt oder Therapeut außer uns beiden anwesend). Er schneit morgens herein, um seine Urlaubslage auf dem Küchentisch abzuladen und äußert dann in die Runde, dass er nur kurz zur Station geht. Ich frage:

"Gehst Du zu Frau St.?" (eine Klientin, die am Vortag operiert wurde und die ich noch nicht kenne)
"Ja, kommst Du mit?"

Da ich gerade die von mir verursachte Überschwemmung an der Kaffeemaschine beseitige, kalkuliert er, dass wir uns in 2 Minuten auf dem Hof treffen können. Ich stimme zu ("Bis dahin habe ich fertig geschwommen.") und bin vor ihm da. Da es mich irgendwie fröstelt, gehe ich ihm entgegen. Ich gehe bis vor seine Tür und will gerade eintreten, da kommt er heraus. Beide sind wir etwas freudig überrascht. Was haben wir erwartet? Was mir zum wiederholten Mal auffällt, ist, dass er seinen Schlüssel außen an der Tür stecken lässt, wenn er in seinem Büro ist. Man könnte ihn einschließen. Oder ist es mehr so eine Markierung wie "Ich bin da" oder "Der Laden ist geöffnet". Ich hätte irgendwie Bedenken, dass man mich einschließt. Als ich das das erste Mal sah, klopfte ich bei ihm, um ihm Bescheid zu sagen, dass der Schlüssel steckt (naja, eigentlich um einen Grund zu haben, in sein Büro zu gehen.). Ich ging davon aus, das er den Schlüssel vergessen hatte. Doch er schien nicht überrascht und tat so als sollte das so sein. Wir visitierten dann die Klientin, die sehr devot zu ihm war. "Herr Dr." hier und "Herr Dr." da. Draußen vor der Tür sagt er mir, dass er das gar nicht leiden könne, wenn man ihn auf so einen Sockel stellt. Höre ich da richtig? Ich meine mich zu erinnern, dass er doch ganz gerne im Mittelpunkt steht. Und wenn schon, macht ihn nur wieder sympathischer. Ich ertrage später im Gespräch mit der Klientin noch weitere ihrer Besockelungen. Ich gehe mit Flo zurück in die Ambulanz, von da ab arbeiten wir still vor uns hin und sehen uns nicht mehr bis ... ich am Nachmittag im Büro für Ordnung sorge und endlich dieses Brustimplantat, das wer weiß woher kommt, wieder ins Sprechzimmer räumen will. Flo steht am Anmeldetresen und ich frage ihn das Implantat schwingend, ob er wisse, wo es hingehört. Wir haben einen tollen Blickkontakt. Whom! Von seiner Seite so etwas wie "Erst war sie im OP und auch mit Implantaten kann sie umgehen." (nur meine Fantasie dazu). Ich dagegen denke: "Sieh mich nicht so an. Warum siehst du mich so an?" Es hatte etwas unterschwellig lustiges, wenn auch keiner von uns wirklich lachte. 
Als ich etwas später nach Hause gehe, verabschiede ich mich von ihm. Er sitzt allein in einem Sprechzimmer und diktiert einen Brief. Ich mache mich bemerkbar und er unterbricht sein Diktat. Ich sage: "Na dann, ein schönes Wochenende..." Er lächelt. "... einen schönen Urlaub..." Er grinst. "... einen schönen Umzug." Sein Lachen wird größer, wenn es auch jetzt etwas angespannt wirkt. So als sei ihm der Umzug erst wieder eingefallen. Mir wünscht er eine schöne Zeit. Ich will gehen, wohl etwas zu voreilig, denn als ich fast schon draußen bin, fragt er mich wie es bei Frau St. war. Ich komme wieder rein und nehme das als Einladung, mich hier in seinem Sprechzimmer nochmal kurz niederzulassen. Ich berichte ihm von der Klientin und noch von einer anderen, die gerne nach Hause wolle. Er bedauert es, dass er es heute noch nicht zu besagter Klientin geschafft hat. Ich sage zu ihm, dass er trotz der Notbesetzung entspannt, tiefenentspannt wirke. "Dich kann wohl auch nichts aus der Bahn werfen." stelle ich etwas ketzerisch fest, denn ich weiß, dass auch er aus der Bahn geraten kann. Er meint darauf, dass er es doch sowieso nicht ändern könne. Recht hat er. Ich frage mich wie so oft worüber wir hier reden. Ich beschließe ein zweites Mal zu gehen. Im Rausgehen drückt er mir die Daumen für die nächste Woche (in der er nicht da ist). Die drücke ich mir auch. Ich gebe so etwas geistreiches wie "Das wird schon." von mir, worauf er mir hinterherruft "Das hoffe ich." Irgendwie ist das merkwürdig. Vertraut und auch wieder nicht. So als hätte ich hier zumindest einen platonischen Freund. Ich weiß wie er tickt. Ich weiß wie er reagieren wird. Es müsste doch nun langsam mal langweilig werden. Wird es aber nicht. Es ist jedes Mal von Neuem aufregend. Wo bleibt nur die Langeweile?

Viele Grüße von Eva

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