Mittwoch, 19. März 2014

Enjoy the silence

Liebe Mathilda.


Es war ein toller Arbeitstag heute, so dass ich mich wie so oft frage, warum da nicht mehr geht. Er - Flo - lobt mich, bezieht mich extrem ein, probiert neue Sachen mit mir aus. Fachlich natürlich. Er verlangt nach meiner Meinung. Er flirtet ganz offensichtlich. Persönlich natürlich. Eine Klientin berichtet mir davon, dass sie sich trotz aller Ängste, Schock und Traurigkeit hier gut aufgehoben fühle, besonders bei Dr. Mollis. Sie fragt mich „Der ist richtig gut oder?“ Kaum zum Aushalten. Ich kann mir gerade noch verkneifen zu sagen, dass er einfach .... mmmh ... ist. Es gipfelt in einer schönen Visite. Nachdem sich der CA aus derselben verabschiedet und Flo und ich die beiden letzten verbliebenen Teilnehmer sind, fragt er mich „Trinken wir noch einen Kaffee?“ Mitten in der Visite! Zwischen zwei Klienten. Als ich zustimme,  besorgt er uns 2 schöne große Kaffee und führt mich in den Aufenthaltsraum der fremden Station. War ich noch nie vorher gewesen. Er meint er wäre gerne hier. Sightseeing im Krankenhaus? Wo gefällt es dir am besten? Es ist so einfach. Wir sitzen uns gegenüber. Er hält Blickkontakt, den ich nicht komplett aushalte. Ich sehe immer mal wieder weg. Wir kommen ins Gespräch über das miese Klima im Team, veränderungsresistente Kollegen und allerlei fachliche Themen. Flo redet sich um Kopf und Kragen, berichtet von irgendeiner Post- wasweißich-Fortbildung, erklärt mir die verschiedenen berufspolitischen Strömungen in Europa und den USA. Was der alles weiß. Ich frage, frage, frage, wo ich ihn schon mal für mich alleine habe. Dank Betty habe ich gerade eine Depeche-Mode-Phase. Im Radio des Aufenthaltsraumes läuft „Enjoy the silence“. Eines meiner Lieblingslieder und so treffend in dieser Situation, in der Flo mehr Worte verbraucht wie in der ganzen letzten Woche.

„All I ever wanted


All I ever needed
Is here in my arms
Words are very unnecessary
They can only do harm“
 Depeche Mode – Enjoy the silence

Wir haben Zeit, sitzen da bestimmt 20 min oder eine halbe Stunde. Er trinkt langsamer als ich, genießt offenbar die Situation. Ist das nicht die Blumenwiese mit meinem Kaffee-Picknick, dass sich letzte Woche in meine Fantasie geschlichen hat? Ich werde persönlicher, frage ihn wie es ihm geht. Frage nach seinem Umzug. Er kann auf die Frage nach seinem emotionalen Zustand nicht eingehen, erklärt mir eher den Zustand seines neuen Hauses. Ja, vielleicht auch eine Aussage über seine Verfassung. Er fragt mich nicht wie es mir geht. Arsch! Trotzdem sehr nettes Kaffeetrinken mit einem Arsch. Wenn er nicht mit mir allein ist, macht er Witze und flirtet mehr. Wenn wir allein sind, ist es eher Körpersprache. Das muss wohl reichen, denn was bleibt sonst? Und so ist und bleibt es einfach tragisch schön, ihm und mir zu lauschen, wo doch alle Wahrheit ohne Worte vor uns liegt. Enjoy the silence!

Liebe Grüße,

Eva

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