Liebe Mathilda,
nun mal den ausführlichen Rest dieser Woche und was ich und mein alter Ego "Eva" so erlebt haben. Am Donnerstag denke ich, ich guck nicht richtig, als ich Dr. Florian A. Mollis morgens über den Hof schlendern sehe. Aus irgendeinem irrationalen Wunsch heraus hatte ich mir das natürlich vorgestellt wie man sich halt wünscht, was nicht sein wird. Und dann steht er in voller Größe vor dem Besprechungsraum plötzlich wirklich da. Ich registriere das und frage ihn
Eva: "Bist du nicht im Urlaub?" Verschmitzt sagt er
Flo: "Doch, eigentlich schon, ... aber wir mussten den Umzug verschieben."
Eva: "Ach, echt?" frage ich ein bisschen mitleidig, aber nicht zuviel. Was interessiert mich fremdes Leid? würde ich gerne darüber denken. Gelingt mir noch nicht ganz, aber er führt das mir gegenüber immerhin nicht weiter aus.
Wir gehen in den Besprechungsraum, der die "kommunikationsfreudige" Sitzordnung von Stuhlreihen vorsieht. Auch aus diesem Graus kann man noch etwas machen, beschließe ich und setze mich in die erste Reihe, genug Platz lassend, dass sich Flo neben mich setzen kann, was er auch brav macht. Er ringt darum, unser Gespräch am Laufen zu halten:
Flo: "Und hier so...?" erkundigt er sich nach der Lage der Nation. Ich gebe ihm ein beruhigendes
Eva: "Alles okay." zurück, dass er nicht ganz glauben will.
Flo: "Wenig Assistenten." spielt er auf den Mangel an Assistenzärzten an.
Eva: "Genug Therapeuten." sage ich schlagfertig und zaubere ihm ein Lächeln ins Gesicht.
Dann beginnt die Besprechung und wir können nicht weitertuscheln. Ich genieße es nach all den Monaten noch immer, neben ihm zu sitzen, seine Wärme zu spüren, ihn atmen zu hören (manchmal schnauft er ziemlich :-), sein Parfum zu riechen. Und ich bin wohl die vertrauteste Person im Raum für ihn, dass er sich so brav neben mich setzt. Und dennoch gibt es eine Grenze zwischen uns, ja nicht zu vertraut, zu privat zu werden. Über andere Kanäle erfahre ich später, dass der ein Teil seiner neuen Behausung noch renoviert werden müsse und der Umzug erst drei Tage später erfolgen kann. So kam er also auch am Freitag auf die Arbeit, um seinen Urlaub vor sich herzuschieben. Dazu war es notwendig, dass unsere alteingesessene Dr. Radio wiederum ihren Urlaub verschob, was ich in 10 Jahren noch nicht erlebt habe. Er bekommt genug Aufmerksamkeit von allen Seiten, auch wenn ich meine etwas kürze. Betty berichtet mir später wie er unter den Schwestern von seinem tragischen Hausumbau berichtet und die "Hühner" mitleidig an seinen Lippen hängen. Er braucht mich nicht. Und ich will kein "Huhn" sein.
Am Freitag dann geht es locker-fluffig weiter. Ich mache eine schöne ausgedehnte Visite mit ihm allein und verpasse meine Supervision um 20 Minuten. Okay, das ist jetzt doch was, was nur er schafft, oder ich nur ihm erlaube. Supervision und Flo erfüllen wohl beide den gleichen Zweck: Entlastung und Stimmungsaufhellung. Das geht so weit, dass ich ihn gegen 13 Uhr anrufe und ihn frage: "Möchtest Du heute Mittagessen gehen? ... Dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt." Er stimmt zu. Yes! Ist ja immer ein bisschen risikobehaftet, ihn zu fragen, weil er ja manchmal auch ablehnt. Beim Essen dann - wir essen mal wieder das gleiche - bin ich mutig. Ich sage zu ihm
Eva: "Flo, Du bist ertappt." Er sieht mich entgeistert an und hat ein bisschen Angst, was jetzt kommt. Immerhin scheint es nicht zu persönlich zu werden, da der ganze Tisch voller Menschen sitzt, Betty inklusive. Betty nämlich sagte mir am Vormittag, dass als sie sich in unserem neuen Therapieraum am PC angemeldet hatte, Flo´s Benutzername erschienen ist. Für Nichtadministratoren kann das nur bedeuten, dass er an unserem Rechner und noch schlimmer in unserem Raum war. Nicht dass ich was dagegen hätte, aber gefragt werden möchte ich schon. Neulich war das auch schon suspekt als ich den Benutzernamen eines anderen Kollegen vorfand. Naja, Flo ist jedenfalls gespannt, wobei ich ihn ertappt haben will.
Eva: "Warst du in unserem Raum?" Verständnislos große Augen. "Betty hat deinen Benutzernamen vorgefunden." Er beteuert glaubwürdig, dass er nicht bei uns war. Ich frage mich auch ehrlich gesagt wie er da hineingekommen sein will und ich glaube ihm natürlich sofort. Er versucht herzuleiten wie sein Benutzername in den Rechner kommt. Und irgendwie kommen wir drauf, dass das Netzwerk sich die letzte Anmeldung vor deiner eigenen merkt. Das würde bei Betty und Flo hinhauen und bei Helge (dem anderen Kollegen) und mir.
Eva: "Das würde erklären, warum Helge neulich auf meinem Rechner erschien." gebe ich etwas aufgelockert von mir.
Flo: "Ach so, ein systematisierter Wahn." grinst mich Flo an
Eva: "Nein, von DIR lasse ich mich doch überzeugen." will ich daraufhinweisen, dass es allenfalls eine fixe Idee und noch kein Wahn ist. Es ist eine flirtige Atmosphäre. Er kann es nicht lassen und ich auch nicht. Ich war mutig, dass ich das angesprochen habe. Betty meinte, dass sie sich das nicht getraut hätte. Es bestätigt sich immer wieder, dass Mut mich weiterbringen kann. Mit der Gewissheit, dass er nicht an meinem Rechner war, muss ich mir nicht darüber den Kopf zerbrechen, warum er an meinem Rechner wahr. Die Erkenntnis der Woche! So einfach ist das. Und trotzdem noch kein Ende der Paranoia. Ist vielleicht auch nicht möglich, wenn man ein öffentliches blog schreibt. Als ich heute in kleinem Kollegenkreis von unserer Grundstücksuche und vom Hausbau erzähle, befindet Schwester Annemone, dass ich das bilderdokumentieren und in ein blog schreiben sollte. Wie bitte? Ich gehe darüber hinweg und versuche mir äußerlich nichts anmerken zu lassen. Kann es sein, dass sie mein blog liest? Oder nur ein ungetrübtes Gespühr für ins Schwarze treffen? Es ist möglich, dass sie das blog liest. Immerhin habe ich sie auch hier drin verwurstet und sie wird vielleicht sich, oder wenigstens die Situation wiedererkennen. Und wenn schon. Was solls? Ich bin da echt gespalten. Natürlich begebe ich mich mit dem Blog in die Gefahr, dass das Leute lesen. Und irgendwo will ich ja auch, dass das die Leute lesen. Schaffe ich mir über das blog die Portion Aufregung, die ich von Flo nicht bekomme? Es ist mehr ein Verarbeitungsding glaube ich. Ich sehe deutlich die Entwicklung, wenn ich das alles noch mal lese und schreibe. Und dabei wird auch klar, dass es im letzten halben Jahr ein ziemliche Stagnation zwischen Flo und mir gibt. Das muss jetzt auch bald ein Ende habe, sonst bleibt das noch ewig so.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
Eva
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen