Freitag, 14. März 2014

Größenfantasien

Liebe Mathilda,

na, genießt du das Frühlingswetter?

In meiner Blog-Welt frage ich mich manchmal, was sich seit 1 Jahr eigentlich geändert hat. Nicht, dass es mir genauso ginge wie letztes Jahr. Damals war alles noch viel aufgewühlter und ich war noch fertiger von der ganzen Gefühlsüberwallung, noch abhängiger von Flo. Jedoch wie wir miteinander umgehen, daran hat sich wenig geändert. Flo hat ein paar weniger Haare auf dem Kopf (hatte am Mittwoch in der Fallkonferenz als ich hinter ihm saß ausführlich Zeit, mir seinen lichter werdenden Hinterkopf zu betrachten) und ich lass mich von ihm nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen. Es ist eher umgekehrt, dass er wohl eher die Stimmung abcheckt und je nachdem in lockere Kommunikation mit mir geht oder - wenns gerade angespannt und stressig bei mir ist - er gar nichts tut. Ich bin etwas schlagfertiger ihm gegenüber, spreche mehr das aus, was mir sowieso die ganze Zeit auf den Lippen liegt. In der Visite räumt er z.B. am Ende eines Klientenkontaktes den Stuhl zur Seite, auf dem der CA am Bett der Klientin saß. Er weist den CA nett darauf hin, damit er nicht ins Leere fällt. Danach flüstert er belustigt zu mir "Das macht man ja eigentlich nur bei Lehrern." Den Stuhl wegziehen meint er. "Ist ja auch ein bisschen so." weise ich ihn auf die ähnliche hierarchische Konstellation hin und stutze ihn damit charmant zurecht. Ich bin auf einer Augenhöhe mit ihm. Ich trage 7-cm-Absätze, so dass wir gleichgroß sind. Mindestens ebenbürtig, nein eigentlich ein bisschen größer als er, fühle ich mich nochmal an dem Tag. Betty verteilt im Namen unserer "Abteilung" kleine Leckereien an die unsere Kollegen. Ich komme unverhofft dazu als sie gerade Florian erwischt und ihm ein Pastetchen in die Hand drückt. Er dankt ihr. Betty gibt ihm den Hinweis, dass das auch von mir sei. Ich komme gerade auf die beiden zugelaufen. Flo geht in Flirtstellung. "Ich bin Euch wohl noch nicht dick genug?" Betty "Das hast du doch sofort wieder runter, wenn du hier hin und herläufst." Ich scanne ihn auffällig von oben nach unten und wieder zurück und sage "Och, da kann schon noch was ran." Ich merke erst dabei, dass es ein bisschen so klingt als wenn ich ihn fressen will und bin ein bisschen amüsiert über mich selber. Als ich das sage, komme ich mir noch ein bisschen größer vor und blicke etwas auf Flo herab. Ich weiß, dass er sich laut eigener Aussage eher für schmächtig hält. Wenn sich seine Sillouette unter der Kleidung mal erahnen lässt, passt das zwar genau in mein Beuteschema, aber das weiß er ja nicht. Ich merke, dass er durch meine Aussage etwas verunsichert ist und dass er überlegt, an welchen Stellen ich mir bei ihm mehr Volumen wünsche. Meine Fantasie ist, dass er meinen im Vergleich zu ihm bestimmt 10 cm größeren und durchtrainierten Konstantin vor Augen hat und den Kürzeren zieht. Wie schön, dass es Fantasien gibt! Sie machen das Leben bunter, wo es zu grau ist. Auf jeden Fall habe ich ein gutes Gefühl nach dieser Situation. Womit er weiterhin wirklich punkten kann, sind so spontane Aussagen auf dem Klinikflur, durch den ein angenehmer Kaffeegeruch zieht. Er wird dann sofort poetisch und ich möchte eigentlich mit ihm auf einer Blumenwiese sitzen und ein Picknick mit frischem Kaffee machen. Das kann er wirklich gut. Und Gucken kann er auch wirklich gut. Und laaaaaaange gucken. Vielleicht sollte ich den Kontakt zu ihm insgesamt beschränken auf Situationen, in denen er intensiven Blickkontakt zu mir sucht und mir poetische Sachen sagt? Und wie lässt sich das verwirklichen?
Und dann war da noch der Fusel in seinem Haar. Ich sehe ihn schon zu Beginn der Visite an seiner Schläfe und habe den Impuls, ihn  wegzumachen. Er passt da nicht hin an seinen hübschen Kopf. Innerlich konkurieren bei mir die zwanghaften Impulse, das in Ordnung zu bringen, das sehnsuchtsvolle Bedürfnis ihn zu berühren und die rationale Überlegung, ob das grenzüberschreitend ist. Als mir die Fantasie in den Kopf kommt, er könnte sich gegen meine Fuselentfernung wehren (total irrational, aber eben meine Fantasie), beschließe ich, den Fusel dort zu belassen und rede mir ein, dass Flo jemanden finden wird, der ihm den Fusel entfernt. Er braucht mich nicht. Es dauert keine 5 Minuten, da kann die Assistenzärztin nicht mehr an sich halten und nimmt ihm den Fusel aus dem Haar. Wäre ich allein mit ihm gewesen, hätte ich es vermutlich getan.

Schöne Tage wünsche ich Dir,
Eva

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