Freitag, 29. November 2013

Bin ich eine Sünde wert?

Liebe Mathilda,
na, hast Du den Action- und Romantik-Flash vom Mittwoch verdaut? Die "Tribute von Panem" erwecken bei mir neben der typischen "Ich-kann-mich-nicht-entscheiden-welchen-Mann-ich-mehr-begehre"-Schmachtfaktor auch schlummernde Aggressionen auf alle Arten von Diktatoren und kritischen Gesellschaften. Ich habe übrigens vergessen, Dir das Kinogeld zu geben und fühle mich ganz schuldig (aber nur weil mein Schuld-und-Sünden-Cluster gerade aktiviert ist - dazu später). Ich gebe Dir das Geld spätestens wenn wir uns wiedersehen.
Und bei mir heute? Ganz anders als erwartet und viel besser als angenommen.
Ich treffe Flo bereits als ich auf die Station komme. Er begegnet mir aus der Teeküche kommend (sieht im Vorbeirennen einfach zum Anbeißen aus) und hat dort gerade sein mitgebrachtes Mittagessen deponiert. Ich sehe ihn und bekomme einen Scheiß-Schmetterlings-Alarm im Bauch. Wir begrüßen uns mit nettem Augenlächeln und gehen weiter, um uns später wieder zu begegnen. Mein Chef,, der mir ebenfalls über den Weg läuft, bittet mich heute morgen, die allgemeine Dienstbesprechung zugunsten der kleineren Stationsbesprechung sausen zu lassen, weil er anschließend in den OP müsse. Da die kleine Stationsbesprechung heute nur aus dem Chef, mir selbst und Prinz Flo bestehen würde, kannst Du Dir vorstellen, was meine Antwort war. Ich habe versucht, nicht allzu euphorisch zu erscheinen.
Wir treffen also zu dritt im Behandlungszimmer aufeinander. Der Chef nimmt zwischen Flo und mir Platz. Flo sitzt mir schräg gegenüber, unsere übergeschlagenen Beine berühren sich fast. Und er trägt wirklich häßliche braune Schuhe mit ner Hose und Socken, die so gar nicht dazu passen. Heute morgen wohl farbenblind gewesen? Und ich habe die "Warze" gesehen. Sie ist klein, aber sie wird größer werden. Betty fragte mich heute, was ich denn von einem Typen will, der tagtäglich in menschlichen Körpern herumwühlt? Das erinnerte mich an Deine Aussage, dass Dir Männer suspekt seien, die Dich besser von innen kennen als Du selbst. Ja, da ist schon was Suspektes dran... Ich bin damit noch nicht durch, mir über die Art der Suspektheit noch nicht im Klaren. Ich habe ja nicht vorsetzlich einen Arzt gesucht, sondern völlig unnötigerweise einen Mann gefunden, denn ich habe ja schon einen. Soviel zu den Zweifeln, die Betty hier streut und die ich mir selber durchaus auch heranziehe. Sehr bereichernd! Aber zurück zu unserer Besprechung: Mein Chef lobt mich in bezug auf eine bestimmte Klientin. Ich sage "Danke" ohne rot zu werden. Bescheidenheit habe ich in den letzten Monaten wohl etwas abgelegt. In unserer kleinen Besprechungsrunde treffen schon interessante Persönlichkeiten aufeinander. Was soll das sein? 3 Narzissten unter sich? Jeder in seinem fein säuberlich abgesteckten Bereich, aber es gibt Überschneidungen. Ich liebe Überschneidungen mit Flo. Ich habe bemerkenswerten Blick- und Lächelkontakt mit ihm und denke: Der muss doch was merken. Und warum guckt der immer so? Der hat doch was. Naja, keine Ahnung. Ich werde es nicht rausfinden, ohne dass ich in zur Rede stelle. (Das kontrollierte Weichei wird von allein nichts von sich geben.) Und das werde ich ganz bestimmt jetzt nicht tun. Gefällt mir gerade zu gut wie es zwischen uns läuft.
Irgendwann verabschiedet sich der Chef in den OP. Flo und ich bleiben übrig und fühlen uns gar nicht verloren. Wir gehen aus dem Behandlungszimmer und sprechen über weitere Patienten während wir uns nahezu schlendernd über die Station bewegen. Der Arme war hier gestern ganz alleine und hat Station und Ambulanz gerockt. Er übergibt mir einige Informationen und ich halte seinem Blick stand. Sehr schön, nur mit meinen Armen weiß ich irgendwie nie wohin. Wo wir schon mal hier sind, können wir auch gleich die gemeinsame Visite beginnen. Es folgt eine Exklusiv-Visite mit nur uns beiden allein. Es ist schön und so einfach mit ihm. Es hat nicht den Anschein von Arbeit und doch ist es welche. Das beste kommt jedoch nach der Visite, nach der wir gemeinsam von der Station in einen anderen Kliniktrakt gehen. Er denkt laut über eine Klientin nach, die laut ihrer eigenen Aussage "1 Jahr lang im Sessel gesessen hat", weil sie nicht liegen konnte. Er fragt sich, was passieren muss, dass man sich so vernachlässigt, so mit sich umgeht. Er denkt dabei an "Sieben" (den Film mit Brad Pitt über die 7 Todsünden). Ich weiß nicht in welcher Rolle er die Patientin sieht, aber sinngemäß meint er, dass eine Erklärung für solch eine Vernachlässigung eine "Sünde" sein könnte. Interessant, dass er zum Sündenthema schwenkt. Ich höre ihm sehr interessiert zu, finde seinen Gedankensprung aber schon echt krass. Wir rempeln im Treppenhaus ständig aneinander, was einen sehr vertrauten Eindruck macht. Ich remple gern und oft mit ihm und er wohl auch mit mir. Sind das Zärtlichkeiten zwischen Menschen, die anders nicht zusammenkommen können? Jedenfalls hält er keinen Abstand, Das scheint / ist kein Zufall. Bin ich für ihn einen sündhaften Gedanken wert? Immerhin, ich fange nicht mit dem Thema an. Bei ihm ist es aktiviert und er redet davon. Ich sage darauf zu ihm, dass es doch gut ist, wenn einem die vermeintlichen Sünden bewusst sind, da man dann das angeblich sündhafte Verhalten ändern oder seine Kategorien für "Sünde" überdenken könne. Es ist super, dass sich das sowohl auf die Patientin als auch auf ihn und natürlich auf mich münzen lässt. Und ich glaube es saß. Es soll ihm zeigen: Hey, ich bin im Reinen mit mir, habe Dir sehr deutlich und offen gesagt, was ich von dir möchte. Mit dem Rest musst Du klarkommen und Dich entscheiden. Kurz danach gehen wir durch eine Tür und rempeln uns erneut an. Wie schön: Nonverbal das ausdrücken, was verbal nicht gesagt wird. Das Gespräch läuft weiter. Flo schimpft jetzt auf die versteckten Aggressionen der Stationsschwester, mit denen er ja so gar nicht kann. Ich grinse in mich hinein. Offen Gefühle äußern, offensichtlich ein Thema, mit dem er kämpft.
Kurz bevor wir wieder vor der Teeküche ankommen, frage ich ihn "Und, noch Zeit für nen Kaffee?" Ich weiß, dass er eigentlich sofort weiter in seine Sprechstunde muss, traue mich aber trotzdem zu fragen. Er kann...und kippt sich kurz einen Kaffee mit mir (hinter die Binde) :-). Ich gieße ein und teile brüderlich. Er sagt:
Flo: "Das ist total lieb von Dir." und blickt mir tief in die Augen.

Bitte, ich habe Dir ja nur Kaffee eingegossen und keinen Heiratsantrag gemacht. Manchmal kann selbst ich ihn nicht an Theatralik übertreffen. Ich gehe da nicht weiter drauf ein, denn zu gut kenne ich solche emotionalen Äußerungen von ihm, die nur eines bewirken: meine Erwartungen hochschrauben und mich erneut hoffen lassen. Ich will die Aufmerksamkeit wieder auf ihn lenken und mir fällt sein bald bevorstehender Vortrag ein:

Eva "Du, ich habe da noch einen Haufen Plakate für Deinen Vortrag nächste Woche. Möchtest Du noch irgendwo welche aufhängen?"

Flo: "Nee, lass mal..." grinst er bescheiden in sich hinein, um dann flirty anzuhängen "...vielleicht im Einkaufszentrum bei mir, damit ich ein bisschen bekannter werde?" Er funkelt mich flirtend an. :-))))))

Eva: "Ja, zum Beispiel." gebe ich grinsend zurück "Du bist dann nächste Woche bei Deinem Vortrag..."

Flo: "Das ist schon nächste Woche?" Das meint er jetzt nicht wirklich, oder?

Eva: "Nächste Woche ist Dezember." Ach nee, der Florian. Mal wieder keinen Zeitplan. "Was ich sagen wollte, ist, dass ich ... nächste Woche ... bei Deinem Vortrag nicht wie sonst dabei sein werde. Ist das ... ich meine (stammel) ... bekommst du das hin?" Blöde Frage, wenn ich mir das jetzt überlege. Er ist ja kein Schuljunge (oder doch?), dem man das Referieren erklären muss. Aber Flo antwortet brav:

Flo: "Ja, das kriege ich hin." Ich wollte ihm damit eher die Gelegenheit geben, entweder entspannt an den Vortrag zu gehen (weil ich nicht dabei sein werde) oder dass er mich ja hätte drum bitten können anwesend zu sein oder wenigstens enttäuscht hätte sein können. Ja, und die letzte Alternative ist mal wieder mein scheiß romantisch verklärtes Bild von ihm: Wird er ohne mich leben können und seinen Vortrag halten können? Wer solch häßliche Schuhe trägt, den kann auch das nicht erschüttern!
Ich find mich insgesamt ziemlich toll, dass ich gerade so guten, lockeren und Lust-auf-mehr-Kontakt zu ihm habe, der trotzdem nicht unterwürfig erscheint, sondern im Gegenteil eher die Spannung anheizt. Denn die ist unbestritten da.
Liebe Grüße von Eva

Mittwoch, 27. November 2013

Ungebremst

Liebe Mathilda,
ich versuche um 19.30 Uhr vor dem Kino (und wenns kalt ist drin) zu sein.
Hier kommt noch schnell Doctors Diary vom heutigen Tag, dass ich Dir in dieser Schriftform nicht vorenthalten kann :-)

Ich traf Flo heute bereits an der Ampel. Ich stehe in der Poolposition auf der linken Spur. Er kommt auf der rechten Spur dazu gefahren. Wir warten auf grün. Er sieht mich nicht, zumindest tut er so. Sitzt verträumt in seinem Auto und hat den Kopf fast an die Scheibe gelehnt. Dann - entspannt losfahren ist anders - zieht er den Motor ziemlich hoch. Ich versuche mitzuhalten, meine Reifen quietschen. Mein Puls ist sowieso schon beängstigend angestiegen. Wir liefern uns ein unbewusstes Rennen. Zumindest für ihn, denn ich will ja mit ihm Rennen fahren. Er fährt schnell! Ok, es ist heute besonders spät. Letztlich gibt mein Auto nicht soviel her wie seins. Er muss auf meine Spur wechseln, zieht vorbei und scherrt ein. Verdammt! Ich hefte mich an seine Stoßstange und er fährt 70 oder so auf der 50er Strecke. Ich tendiere kurzzeitig dazu, mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der sonst leeren Straße zu halten. Dann überlege ich mir, was denn schon passieren kann. Es könnte geblitzt werden. Aber wenn das so sein sollte, fährt er zuerst rein und ich kann vermutlich noch reagieren. Das ist mir Grund genug, genauso schnell hinter ihm herzufahren. Irgendwann biegt er ab, um vermutlich in einer Nebenstraße zu parken, weil sich die Parkplatzsituation hier verschärft hat. Ich fahre auf den Parkplatz vor der Klinik und finde da unverhoffterweise eine Lücke. Letztendlich bin ich also doch früher auf der Arbeit.
Viel später treffe ich ihn auf der Station. Da Betty in unserem gemeinsamen Raum im Patientengespräch ist, setze ich mich ein Zimmer weiter ins Sekretariat, wo ein Computer frei ist. Flo kommt rein, um mit der 23jährigen Sekretärin (Sie siezen sich und sind etwas distanziert miteinander - keine Konkurrenz) etwas abzusprechen. Er sieht mich, ist überrascht und ich sage "Ich bin die Neue..." Er lächelt (ich freu mich immer unheimlich, wenn ich ein Lächeln bei ihm auslöse) und bringt das Gespräch auf eine sehr bedürftige Patientin, Frau Eilig, die aktuell mit Komplikationen bei uns auf der Station liegt. Er weiß, dass sie bei mir in Behandlung ist und erkundigt sich nach ihr und ob ich schon da war. Ich gebe ihm einen kurzen Abriss der bisherigen Woche, deute auf meinen Schal um den Hals und sage, dass ich wegen der Erkältung seit gestern nicht mehr persönlich bei der immunsupprimierten Klientin war. Dass ich gestern mit ihr telefoniert habe und heute die infektfreie Betty "kurz" für eine Stunde ein Entlastungsgespräch mit ihr geführt hat. Er ist beeindruckt von so viel Kreativität und sagt "Das ist wirklich bewundernswert wie ihr ..." An den Rest des Kompliments kann ich mich nicht mehr erinnern, denn ich versinke in seinem Anblick. Bedeutet jedenfalls, dass er sehr beeindruckt von mir ist. Jaaa, mehr davon! Es entsteht dann eine kurze Pause und ich spiele mit dem Gedanken, seinen Fahrstil anzusprechen. Soll ich, soll ich nicht? Günstige Gelegenheit. Auch nicht zu verfänglich, weil ja noch die Sekretärin im Zimmer ist (was ja wohlgemerkt ihr Zimmer ist). Ich sage "Du fährst ja ganz schön schnell." "Echt?" "70 auf ner 50er Strecke?" Die Sekretärin fängt im Hintergrund an zu kichern. Flo fängt auch wieder an zu grinsen. "Wo war das denn?" fragt er verduzt. Ich beschreibe ihm die Straße und die Ampel und er erinnert sich. Es macht tatsächlich den Anschein als habe er mich nicht bemerkt. Obwohl, sicher sein kann man nie. Er kennt mein Auto und meine Autonummer. Man guckt ja auch öfter mal in den Rückspiegel. Und taub wird er ja auch nicht sein bei den quietschenden Reifen. Naja, er leitet sich selbst die Verkehrssituation her (würde mich gerne auch in andere Verkehrssituationen mit ihm begeben :-), erwähnt Details, an die ich mich nun wiederum nicht erinnere. So ist das mit den verschiedenen Wahrnehmungen und Wahrheiten. Ich sage dann "Naja, ich dachte mir dann, ich fahre einfach hinter dir her. Wenn einer geblitzt wird, dann du." und grinse süffisant dazu. Flo meint zustimmend grinsend und so als hätte er das gerne in kauf genommen "Ja, du hättest noch Zeit zum bremsen gehabt." Wirklich? Rase ich nicht schon lange ungebremst in seine Nähe? "Wenn ich Polizist wäre" spricht Flo weiter (und ich stelle ihn mir als Polizist vor) "würde ich mir genau diese Stelle aussuchen und dort blitzen." Das sei so verlockend dort etwas schneller zu fahren. Jaaa, brich Deine Moralvorstellungen. Es ist so einfach, der Verlockung nachzugeben. Ich habe den Eindruck, dass er mir schon ein bisschen imponieren möchte, dass er an so einer "gefährlichen" Stelle zu schnell fährt. Er führt das noch ein bisschen weiter aus und geht dann mit einem Supergrinsen wieder aus dem Zimmer. Es ist ein ausgeprägtes Lachen, denn ich kann dabei seine perfekten Zähne sehen. Das kam von innen. Und diesen Anblick will ich mir bewahren und habe weitere Begegnungen mit ihm heute nicht gesucht. Habe sogar die Fallkonferenz mit garantiertem Schmachtfaktor sausen lassen. Möchte den Eindruck zumindest zeitweise konservieren.
Danach berichte ich Betty davon, dass ich mir heute schon ein kleines Rennen mit ihm geliefert habe. Das ich leider verloren habe :-(. Und ich erzähle ihr auch, dass ich ungebremst hinter ihm hergefahren bin, weil er die Konsequenzen ja zu spüren bekommen hätte. Gute, selbstwertschonende Interpretation meint sie. Und ob ich das mit ihm schon thematisiert habe. Ich kann stolz sagen "Ja, habe ich." Wir kichern wie zwei Teenager darüber. Überhaupt ist es hier sehr aufgelockert-lustig. Sie findet es ganz schön wie ich für mich sorge. Ja, ich lerne und entwickle mich. Denn sein Auto fährt er immer noch selber. Und außerdem hat er das Rennen nur gewonnen, weil er das schnellere Auto hat. Und irgendwie würde es auch nicht meinem Männerbild entsprechen, wenn ich ihn hätte überholen können. Ok, ich bin echt gut in selbstwertschonenden oder gar -stärkenden Interpretationen. Mehr davon heute Abend, beim Kinobesuch.
Liebe Grüße von Eva

Sonntag, 24. November 2013

Der Sonntagabend-Glückspost

Zum Abschluss meiner persönlichen Glückswoche bleiben drei Dinge, die unersetzbar für ein glückliches, zufriedenes Leben erscheinen:

1. Ein gewisser Grad an Gesundheit (wobei das nicht die teilweise schwer kranken Menschen erklärt, die trotzdem glücklich sind. Meine Mutmaßung: eine gewisse Bewusstheit, dass das Leben endlich ist, ist notwendig, um es wirklich zu schätzen und das zu leben, was uns im Innersten bewegt) und

2. Innige, vertrauensvolle, zwischenmenschliche Bindungen (sei es in Familie, Freundeskreis, Partnerschaft oder gar Kollegenkreis)

3. Sinn (zu spüren, dass mein Tun, mein Dasein eine Bedeutung hat; dass das Leben mit mir anders ist als es ohne mich wäre; dass ich hier Spuren hinterlasse)

Der Knüller zum Ende der Glückswoche: Pharrell Williams 24-Stunden-Musik-Video "Happy" tanzt und singt und klingt sich in unsere Herzen: www.24hoursofhappy.com





"Because I'm happy...
Come along if you feel like a room without a roof
Because I'm happy...
Clap along if you feel like happiness is the truth
Because I'm happy...
Clap along if you know what happiness is to you
Because I'm happy...
Clap along if you feel like that's what you want to do"

Pharell Williams - "Happy"


Glückliche Grüsse,

Eva

Der Sonntags-Glückssong: The Bravery - "Ours"


Freitag, 22. November 2013

Auf die Dosis kommt es an - Auch Schlaftabletten wirken irgendwann!

Liebe Mathilda,

es ist Freitag und das ist immer ein ziemlicher Motor, der mich anspringen lässt. Freitagmorgen heißt immer: lange, beruflich bedingte Treffen mit Flo.

Am heutigen flowing friday hatte ich mir ein Zusammentreffen mit Dr. Florian A. Mollis schon ausgemalt, denn er war mir ja immernoch die DVD schuldig, die er mir reumütig zurückgeben wollte. Ganz nach der Formal "Vorbereitung + Chance = Glück" war ich natürlich vorbereitet. Für den Fall, dass er die DVD wieder nicht dabei haben sollte, hätte ich ihm flirty gesagt, dass er "es wohl darauf anlegt, mir einen auszugeben." Ja, schön zurechtgelegt, kam aber nicht dazu. Nach der morgendlichen Besprechung, in der wir mal wieder wie zwei Synchronschwimmer nebeneinander saßen, stand er ziemlich nonverbal lächelnd vor mir und zauberte verschmitzt und wie der Weihnachtsmann die DVD aus seiner Kitteltasche. Er blickte dazu kurz beschämt-grinsend auf den Boden und dann total entwaffnend in mein Gesicht. Echt edwardmäßiger Schleimer! Studiert er so etwas vorher ein? Egal, es wirkt. Ich gebe ihm nonverbal, mit einiger Ironie Beifall, dass er es endlich geschafft hat, mir die DVD mitzubringen und nehme sie grinsend entgegen. Worte sind hier nicht nötig und einfach fehl am Platz. Herrlich!

Viel später am heutigen Tag frage ich ihn, ob er sich den Film denn nun angesehen hat. Er hat nicht. Und er zitiert sofort den Klappentext (die Hülle scheint er sich ja öfter angeguckt zu haben). Er sagt, dass er ihn natürlich gerne anschauen wollte, aber man "diesen Film auch riskieren" müsse. Was meint er damit? Hatte er Schiß davor, sich mit der Geschichte des hirntumorkranken Vaters zu konfrontieren? Er führte weiter aus, dass er den Film mit "Laura" hatte anschauen wollte (bla bla, ich wollte nichts von seiner Frau hören) und sie jeden Abend so viel zu tun habe (Will er jetzt noch bedauert werden oder was?). Ich beschließe da nicht weiter drauf einzugehen. Ist nicht meine Baustelle. Ich bringe ihn auf die ursprüngliche Idee zurück, warum er sich den Film anschauen wollte. Nämlich um die Frage zu klären, ob wir den Film unseren Klienten innerhalb einer Veranstaltung zeigen können. Ich sage ihm, dass das nun hinfällig ist, weil die infragekommenden Termine bereits verplant sind. Es tut gut, nicht auf ihn angewiesen zu sein. Ich sage das natürlich nett und charmant, aber ich habe eindeutig die Zügel in der Hand bei dem Gespräch. Er fragt mich daraufhin, ob ich ihn denn gar nicht als Referenten eingeplant habe. Häää? Was habe ich da nun wieder verpasst? Er hatte nie Anstalten gemacht, Referent sein zu wollen. Vielleicht fühlt er sich ... ein bisschen zu wenig berücksichtigt? Oder unwichtig? Wenn jemand abspringt, könne ich ihn ja einplanen, sagt er. Ja klar, "Ich gebe dir dann ein Thema." sage ich nicht mehr nur charmant, sondern vorsetzlich flirtend. Verdammt, worum geht es hier eigentlich? Die Klientenveranstaltung ist ja wohl ein Nebenschauplatz, auf dem wir unsere zwischenmenschlichen Spannungen austragen. Kernaussage von Flo: "Ich trau mich nicht in deinen Bereich, weil da ja meine Frau ist (die aber abends soviel zu tun hat). Aber sollte jemand "abspringen", bei mir oder bei dir, man weiß ja nie, dann sag bescheid und ich bin da. Als Referent, als Mann. Auch kurzfristig und zu deinen Bedingungen." Meine Kernaussage: "Ich hatte gehofft, dass Du dich näher mit mir beschäftigst, aber du bist nicht der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich bin besetzt." Vielleicht ein bisschen zu heftige Interpretation oder bereits paranoider Wahn? 

Flo lässt sich von meiner neuen charmanten Klarheit nicht abschrecken, denn es geht in der nächsten Besprechung, in der wir aufeinander treffen weiter. Diesmal liegt der Fokus auf: "aus-versehen-Anfassen". Flo leistet sich (und gönnt mir) zwei kleine Berührungen. Wir sitzen wie immer nebeneinander, also nah. Es wird Kaffee eingegossen und die Kanne kleckert auf den Tisch. Mehrere Leute fangen an mit einem Tuch zu wischen. Ich habe meine Hand noch auf dem Tuch als Flo es übernimmt - er geht auf "Tuchfühlung" - und seine Hand auf meine legt. Huch, das schockt mich schon innerlich so ziemlich. Wer hat hier jetzt die Zügel in der Hand? Retourkutsche oder einfach nur Putzwahn? Bei der nächsten Gelegenheit greift er an mir vorbei nach einem Zettel, den er von einem anderen Teilnehmer über den Tisch gereicht bekommt, und streift dabei mein Knie. Knie? Es war schon etwas weiter oben an meinem übergeschlagenen Oberschenkel. Das schockt mich schon weniger. Bin irgendwie vorbereiteter, dass er es mit Körperkontakt nicht so genau nimmt oder diesen sogar sucht? Mir gefällt das eindeutig und ich genieße diese "zufälligen" Berührungen.

"Warum nur werden Kerle immer dann aufmerksam, wenn man liiert ist?" fragt sich Dr. Gretchen Haase in "Doctors Diary". Verpackt in einer Comedyserie lässt uns das hoffnungslos romantische Gretchen an ihren Gedanken teilhaben, die manchmal sogar Weisheitscharakter erreichen. Eine Frau zwischen zwei Männern... naja, mein Thema halt. Warum wirkt der gefühlsmäßig nicht aus der Hüfte kommende Schlaftabletten-Arzt plötzlich gar nicht mehr so einschläfernd? Es kommt immer auf die Dosis an. Offensichtlich legt er einen Zahn zu, um bei halbwegs blockiertem Rezeptor noch durchzukommen. Warum ist das so mit den Kerlen? Warum macht es eine Frau attraktiver, wenn sie liiert ist? Jagdinstinkt? Masochimus?

So und deswegen ist Freitagmorgen für mich so wichtig!

Liebe Grüße,
Eva

Der Freitags-Glückssong: One Republic - "Good life"


Mittwoch, 20. November 2013

Schlaftablette oder Stimmungsaufheller?

Liebe Mathilda,

ich war heute weiter im Flow, wobei die ganze Bewegung wohl weniger mit Dr. Flo als vielmehr mit mir selbst zu tun hat. Mit Betty auf der Arbeit ist es super! Und ich muss jetzt mal an mich denken und mache es mir hier so angenehm wie möglich. Betty ist mein Neutrum und hält mich in bezug auf Florian in der Realität. Wir reden über unser Gespräch zu dritt vom Montag ("Gefährlich viel Kontakt"). Betty meint, er sei schon sehr nett und man bekommt schnell, guten Kontakt zu ihm. Aber andererseits sei das doch kein MANN :-) Ich gebe zu "Ja, er ist schon ein bisschen ein Mädchen." Sie könne sich nicht vorstellen, dass er jemals aus der Hüfte kommen, die Initiative ergreifen oder gar leidenschaftlich werden könnte. Schlaftablette eben! Ich möchte mir schon vorstellen wie er aus der Hüfte kommt (Stimmungsaufheller eben), aber vielleicht gehen meine Vorstellungen da an der Realität vorbei.


Ob Flo auch den Vorsatz hat, es sich hier so angenehm wie möglich zu machen? Keine Ahnung. Irgendwas scheint passiert zu sein, dass er sich so nah an mich herantraut. Wir hatten heute "nur" eine kurze "nonverbale" Begegnung, aber die hatte es in sich. Ich sitze morgens in unserem Aktenraum, weil ich dort ans Telefon gerufen werde. Er ist auch plötzlich da und sortiert was an seinen Befunden. Ich telefoniere, spreche wichtige, gewählte Sätze ... und mit der anderen Gehirnhälfte betrachte ich ihn. Ich bin ja schließlich multitaskingfähig. Er steht zunächst mit dem Rücken zu mir. Sein Kittel sieht ganz schön zerknittert aus. Könnte er auch mal wieder austauschen.
Futter für die Minusliste, denke ich. Dann dreht er sich um und sieht aus wie das blühende Leben - so gar nicht zu seinem Kittel passend. Futter für die Plusseite. Er sucht einen Stift, um etwas zu notieren und entdeckt ihn auf dem Schreibtisch, auf dem ich mich während des Telefonats halb drauflehne. Er beugt sich zu mir, um nach dem Stift zu greifen und kommt noch nicht ganz ran. Noch ein Stück näher. Plötzlich sind sich unsere Köpfe ganz nah und er erreicht den Stift. Verdammt, was machst er da bloß? Ich spüre direkt seine Körperwärme auf meiner Wange. Vielleicht ist es aber auch meine plötzliche Aufregung. In Zentimetern ausgedrückt: vielleicht 5? Für eine Schlaftablette ganz schön paradoxe Wirkung.

Um die Mittagszeit habe ich mich von der plötzliche Gefühlsüberwallung etwas erholt und beschließe, ihm aus reiner Notwendigkeit, eine mail zu schreiben. Er hat mir noch immer nicht die DVD zurückgegeben, die ich selber von einer Patientin geliehen und nun zurückbrauche. Ich schreibe:





 

"Lieber Flo,

denkst Du bitte daran, mir "Halt auf freier Strecke" wieder mitzubringen? Am Freitag kommt die Klientin, der ich die DVD zurückgeben möchte.

Liebe Grüße von Eva."


Zuviel "Liebe"? Ich habe kurz überlegt, ob es "liebe" oder "viele" Grüße werden, entscheide mich aber dann für das, was für mich stimmig ist. Schließlich will ich jetzt an mich denken. Er antwortet sofort als würde er wartend vor seinem mailpostfach sitzen:




 

"Sorry, ich werde mir die DVD gleich ins Auto legen. 
Schönen Nachmittag



Viele Grüße

Florian"



 

Auswertung: Immerhin die erste mail von ihm ohne Rechtschreibfehler. Die Anrede lässt er weg, was entweder kreativ (lieber gar keinen Namen als einen falschen) oder ängstlich oder flüchtig ist. Zu "lieben" Grüßen lässt sich der neutrale Flo wohl nicht hinreißen. Schlaftablette bestätigt!

Durch den Blog und die Erinnerung wie es vor einem Jahr war ("Ground Zero" vom 15.11.12 und "Wie laufen lernen unter Schmerzen" vom 16.11.12), fällt mir so deutlich auf wie viel besser es mir jetzt geht. Mein Gott, was war das hart damals! Ich lese die Beiträge und das bestätigt mich darin, dass es wohl für mich zu diesem Zeitpunkt genau das Richtige war, was ich getan habe. Ich merke, dass ich viel glücklicher bin als vor einem Jahr. Aber wahrscheinlich würde man das über alle Zustände im Vergleich zu akutem Liebeskummer sagen. Bin gespannt wo ich in noch einem Jahr bin? Und ob es sich bei Flo weiter um eine Schlaftablette oder vielleicht doch um einen Stimmungsaufheller handelt?

Liebe Grüsse,
Eva

Der Mittwochs-Glückssong: Black Eyed Peas - "I got a feeling"


Montag, 18. November 2013

Der Montags-Glückssong: Alexander Fairchild - "Swimming"


Gefährlich viel Kontakt

Liebe Mathilda,
 
viel Flo(w) und kein Ende - so könnte das heutige Motto lauten. Ich beginne heute parallel zu und angestiftet von der aktuellen ard-Themenwoche "Zum Glück" meine persönliche Glückswoche. Kann nicht schaden, wenn man sich auf der Suche nach dem Glück befindet. Ich werde diese Woche jeden Tag einen Song, einen Titel, ein Stück posten, mit dem ich persönliches Glück verbinde. Welches sind Deine persönlichen Glückstitel? Und Ihr anderen, die Ihr das hier lest (Nach den Seitenaufrufen zu urteilen, muss es bescheiden gesagt einige viele von Euch geben):
 
Was sind Eure Glückstitel? Postet sie hier.
Lasst uns eine Glücks-Audiothek erstellen.
 
Und nun zu meinem Tag im Flow: Dr. Florian A. Mollis und ich begegnen uns morgens auf der Station. Ich hatte erfahren, das er gestern Abend in die Klinik gerufen wurde, weil einer seiner Patienten nach OP nachgeblutet hatte. Ich frage ihn besorgt-interessiert, wann das denn pasiert sei. "So gegen 23 Uhr haben wir operiert." Er wirkt trotzdem frisch und lächelt. Er fühlt sich wohl, wenn er gebraucht wird und retten kann. Kleiner Narzisst! Wir stehen in einer größeren Runde nebeneinander, dicht nebeneinander, und haben die Arme vor der Brust verschränkt als wir miteinander sprechen. Warum auch immer. Macht wohl Sinn, die Arme unter Kontrolle zu halten, wenn wir uns so nah sind. Unsere Ellenbogen berühren sich mehrmals (hihi). Keiner (denke ich zumindest) außer uns beiden bekommt das mit. Ich muss diese zufälligen Berührungen ausbauen und demnächst noch andere Körperteile einbeziehen. Und ich meine das eher harmlos (Arme, Knie, Kopf, Haare - ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht streichen - Das wärs! - Meine Fantasie geht mit mir durch), wenn du jetzt an "den Schritt" denken solltest. 
 
Mit dem guten Kontakt geht es weiter während der ganzen großen Visite. Ich frage, er antwortet. Er fragt, ich antworte. Ein Geben und ein Nehmen. In aufgelockerter Stimmung wird es mit der Contenance nicht mehr so genau genommen und Flo baut eine abfällige Bemerkung der Assistenzärztin über die Socken einer Patientin aus. Betty´s Kommentar dazu: "Das muss auf die Minusliste." Gemeint ist eine imaginäre Liste von Flo´s negativen Eigenschaften, um ein realistischeres Bild in meine rosarot gefärbte Welt zu bringen. Frei nach Syrius Black´s Ausspruch: "If you want to know what a man´s like, take a good look at how he treats his inferiors, not his equals." Und das gilt auch für Flo, von dem ich nicht mal weiß, ob er sich je mit Harry Potter beschäftigt hat. Es tut so gut hier jemanden wie Betty vor Ort zu haben. Jemanden, der Bescheid weiß und eine gute Freundin ist. Sie passt an den Stellen auf mich und mein Gefühlsleben auf, an denen ich nicht mehr aufpassen kann. Liebe Betty, wenn Du das hier ließt: Danke für das Zuhören und für das Lachen. Danke für die Minusliste und deine sanften Tritte in den Hintern, wenn ich mal wieder ins Rosarote abdrifte. Danke für die Vielzahl an Dialekten, die Du in unseren Sprachgebrauch bringst. Es kommt mir vor als würden wir schon ewig zusammenarbeiten!
 
Betty ist auch während des gefühlt längsten Gespräches mit Flo im letzten halben Jahr anwesend, das dann folgt. Länger war nur mein "verwerfliches" Treffen mit ihm. Das kam so: Betty und ich genehmigen uns nach der Visite einen Kaffee im Aufenthaltsraum. Ich will gerade den Fortbildungsplan für das nächste Jahr mit ihr durchgehen, da kommt Flo herein, um sich ebenfalls einen Kaffee zu nehmen und sich hier häuslich niederzulassen. Betty sitzt zwischen Flo und mir. Ich habe eine gute Position zum Ihn-Anschauen und stoße unterm Tisch aus Versehen (wirklich!) an seine Füße. Flo sieht den Fortbildungsplan auf dem Tisch und sagt:
 
Flo: "Ach komm, keine fachlichen Themen hier in diesem Raum." Ich weiß, dass das ein lustiger Bezug auf ein Urgestein von Schwester ist (nennen wir sie einfach "Brunhilde"), die Fachgespräche im Aufenthaltsraum rigoros unterbinden möchte. Ich sage lustvoll-herausfordernd:
 
Eva: "Ok, dann fang doch an mit was Privatem." 
 
Zunächst mal bietet er Betty das "Du" an, dass sie gerne annimmt. Vielleicht will er auch ein bisschen abschätzen, woran er bei ihr ist. Muss ich sie mal fragen, was sie von dem ganzen Kontakt hält. Das Gespräch geht ganz unfachlich - denn das halten wir die ganze halbe? Stunde ein - um Wohnsituationen, Kinder, frühere Arbeitsstellen. Es bietet sich die Chance, Antworten auf Fragen zu bekommen, die ich mir seit 1 Jahr stelle. Am vergangenen Freitag vor genau einem Jahr erzählte ich ihm erstmals von meinen Gefühlen. Seitdem frage ich mich, was so schwierig in seiner früheren Lebenssituation war oder was so schön an seiner jetzigen Lebenssituation ist, dass er mit Kind und Kegel umgezogen ist usw. Insbesondere er schien unglücklich gewesen zu sein auf dem riesigen Grundstück, auf dem die Familie lebte. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es auch in seiner Ehe gekriselt hat. Er beschreibt ein wirklich schlimmes Szenario der "perfekten" Kleinstadtidylle mit einer um jeden Preis aufrechtzuerhaltenden Fassade. Die Nachbarn beschreibt er als eine übergriffige, dominante Frau und einen muskulösen, aber gebrochenen Mann. Trotz dass dieser Mann soviel muskulöser gewesen sei als er selbst (ja, ja, bescheidener Schleimer) hätte er sich so kleingemacht oder machen lassen. Das scheint wohl seine persönliche Horrorvision von sich selbst zu sein. Flo und seine Frau (die bei einer Unterhaltung über das Privatleben natürlich (und leider) auch immer Thema ist - schwer auszuhalten!) hätten einen Umzug immer wieder verschoben. Als der Garten einmal nach Ansicht der Nachbarn "nicht richtig" gepflegt gewesen war, wäre es genug gewesen. Flo meint, dass man jedes Jahr überprüfen sollte, ob man glücklich ist, wie man lebt. Sehr passend zur Glückswoche. Und wie macht man das? Indem man sich über seine Gefühle klar wird und dazu steht? Mir fällt zur perfekten Kleinstatdidylle Randy Pausch ein und ich sage: "Es spielt keine Rolle, ob man das Treppengeländer von unten poliert." Ich berichte auch einiges von mir (wo ich wohne, wo ich laufe, wie unser Kiez so ist, was ich über Migranten und die beiderseitige Toleranz denke usw.), erwische mich dann erfolgreich dabei als ich ins Fachliche abdriften will, und schaffe es, (Trommelwirbel) eine private Unterhaltung mit ihm zu führen! Ich bin stolz auf mich. Er fühlt sich offensichtlich wohl, verspeist ein Riesenstück von diesen noch riesigeren italienischen Kuchen. "Du hast wohl nicht gefrühstückt?" fällt mir dazu ein. Er stimmt zu und Betty und ich können ihn noch etwas bedauern, dass er heute nicht zum Frühstück gekommen ist, wo er doch bis nachts in der Klinik war. Der Arme! Wir sehen uns stellenweise VIEL zu lange an. Und er macht ganz vorsätzlich mit! So ein Mistkerl, aber ich will das ja so gerne. Oh Gott, wo soll das bloß hinführen? Es ist spaßig und doch tiefgründig, locker und leicht. Ich genieße das total. Wo ist Betty, die doch auf mich aufpassen soll?
 
Gefährlich viel Kontakt für jemanden, der sich gerade zu entwöhnen versucht. Und doch so aufregend. Mit Flo im Flow geht also weiter.
 
Liebe Grüße und bis später, wenn ich mein heutiges Glückslied poste,
Eva

Samstag, 16. November 2013

Der Samstagabend-Ermutigungspost: Go with the Flow

Bringt Bewegung, bringt Flow in Euer Leben, denn alles, was lebt, bewegt und entwickelt und verändert sich. Wenn wir stetig gegen Veränderung ankämpfen, produzieren wir Stillstand. Lasst Euch berühren. Lasst Euch bewegen. Go with the flow!

"Not everything will go 
as you expect in your life. 
This is why you need 
to drop your expectations, 
and go with the flow of life."
www.livelifehappy.com

Liebe Grüsse, Eva

Donnerstag, 14. November 2013

Im Flow mit Flo

Liebe Mathilda,
Glückswoche 3 auf ihrem bisherigen Höhepunkt und ich bin im Flow. Mir geht es richtig gut; viel Flo und die Arbeit flutscht. Habe heute das halbe Patientenseminar für das kommende Jahr organisiert. Hoffe Du schaukelst immer noch. Die Vorstellung hat schon was Idyllisches.
Mit Betty hat sich hier die Therapeutengewalt verdoppelt und damit wir gut parallel arbeiten können, habe ich mich heute in den "nicht näher spezifizierten" Nebenraum zurückgezogen, um dort meine Gespräche und meine Dokumentation durchzuführen. Flo nutzt den Raum auch öfter, wenn die Behandlungszimmer besetzt sind. Wenn er dort ist und ich in meinem Büro dokumentiere, sitzen wir Wand an Wand. Dann höre ich seine sanfte Stimme. Wie romantisch! Ich habe ihn den ganzen Tag noch nicht gesehen, denke schon er ist gar nicht da als ich plötzlich unverkennbar seine Schritte höre. Kurz darauf steht er bei in der Tür des nicht näher spezifizierten Ausweichraumes. Ich sitze am Computer, mit meiner Schokoladenseite (die linke) zu ihm gerichtet. Er trägt einen Stapel Akten im Arm und möchte offensichtlich ein Klientengespräch im selben Raum führen. Ich frage ihn
Eva: "Möchtest Du hier rein?" und werde mir erst im Nachhinein über die Zweideutigkeit bewusst.
Flo: "Eigentlich schon..." Hab ichs doch gewusst :-) Ich sammle bereits meine Sachen zusammen, denn Computer gibts hier noch mehr, angenehme Gesprächsräume dagegen nicht. Da spricht er weiter:
Flo: "Ich würde hier gerne eine Befundbesprechung machen ... aber ich schau mal, ob der andere Raum noch frei ist."
Ja, schon klar. Er traut sich nicht, mich aus dem Raum (und seinem Herzen) zu verbannen. Ich bin mir bewusst, dass diese Interpretation etwas übertrieben ist, aber es passt gut zu seiner Reaktion. Er verlässt den Raum und ich sehe ihn in dieser Situation nicht wieder. Am Rande bemerke ich, dass er in den ungemütlichen Besprechungsraum gegangen ist. Später geht das Thema noch weiter: Ich habe den Raum inzwischen verlassen und will ihn nachmittags nochmals für ein Gespräch nutzen. Als ich wieder auf die Station komme, sehe ich Flo aus der Richtung, in der der Raum liegt, kommen. Ich frage ihn:
Eva: "Florian? [Jaaaa, ich sage seinen Namen] Musst Du nochmal in den Raum?"
Flo: "Nein, ich war die ganze Zeit nicht mehr drin." meint er freundlich. Stattdessen ist er in eine Kammer (noch ungemütlicher als der Besprechungsraum) ausgewichen. Kann man nun sehen wie man will: Er kann schwer Hilfe annehmen. Er traut sich nicht in meine Nähe. Er will mir keine Umstände machen. Er will es mir recht machen ....Auf jeden Fall macht er es sich schwer und hält offensichtlich Abstand zu mir.
Später kommen Betty und ich in stark aufgeheiterter Stimmung vom Mittagessen (War was im Essen?). Wir gehen beschwingt wie das A-Team nebeneinander über die Station. Der Flur ist gerade so breit, dass wir nebeneinander passen. Wenn, und diese Einschränkung muss ich machen, nicht gerade leitende Ärzte von der Toilette auf den Flur gestürzt kommen. Kein geringerer als Flo natürlich, der gefühlt ständig auf oder von irgendeiner Toilette stürzt (Nervöse Blase?). Bei dieser Gelegenheit stoßen er und ich fast zusammen. Er nimmt Betty´s und meine angekicherte Stimmung sofort auf und macht eine Bemerkung über die Übermacht der Therapeuten. Wovor Ärzte so Angst bekommen können? Aber recht hat er. Ich freue mich, dass er mich mal so richtig fröhlich sieht. Betty faselt was von "Synergieeffekten". Es geht bunt zu bei uns. 
Kurz darauf begegnet mir Flo erneut als ich auf der Suche nach meinem Chef bin. Es ist das erste Mal heute, dass ich ihn richtig ansehen kann. Er steht da, mit Dr. Radio und dem Chef ins Gespräch vertieft, sieht perfekt gestyled und endlich mal wieder gut gepflegt und einfach blendend aus. So wie ich mir das wünsche. Ich freue mich, ihn zu sehen, muss aber dringend etwas mit meinem Chef klären, dem ich auflauere (Ich habe tatsächlich vergessen eine Fortbildung anzumelden und muss das nun dringend nachholen - Hier also auch das Gegenteil von Synergieeffekten). In der Zeit, in der ich mit dem Chef spreche, sind Flo und Dr. Radio bereits im Patiententimmer zur Visite verschwunden. Ich wollte mich gerne noch in die Visite einklinken, mag es lieber, wenn wir nicht so viele Behandler ums Patientenbett sind. Naja, ich mag es lieber, mit ihm Visite zu machen. Als ich mit meiner Beichte beim Chef fertig bin, stehen Flo und Dr. Radio wieder vor dem Patientenzimmer. Flo sieht mich und freut sich. Wie sich herausstellt hat er mich gerade gesucht und will mich einer Klientin vorstellen. Wir gehen nochmal zu zweit alleine zu der Klientin ins Zimmer. Herrlich! Er stellt sie mir vor, wir sprechen kurz mit ihr und auch miteinander. Ich sehe ihm zu wie er mit der der Klientin spricht. Sehe ihn im Profil - dazu hat mir Betty geraten: Schaue ihn dir im Profil an, dann weisst du von wem wir abstammen - und kann beim besten Willen keine Ähnlichkeit mit Affen erkennen. Was ich sehe ist sicherlich total rosarot gefärbt und eine ganze Autobahnabfahrt an der Realität vorbei, aber es ist ein Zauber, der mir wirklich passiert. Die untergehende Sonne wirft ein paar Strahlen durchs Fenster, die sich auf seine verdeckte Gesichtshälfte legen. Er glüht! Es ist unglaublich. ... da kann ich nichts mehr hinzufügen. So war es.
Wir begegnen uns heute noch unzählige Male. Auf dem Flur, auf dem Flur und auf dem Flur. Vielleicht stellt er sich auch extra dorthin, damit ich ihn sehe. Zuletzt sitze ich kurz bei unserer Sekretärin, um ihr meine Statements zur Fallkonferenz zu geben. Ich habe mich nur kurz bei ihr niedergelassen, setze mich so schräg auf einen Stuhl. Weiss heute mit meinen langen berockten Beinen nicht wohin. Ja, ich fühle mich attraktiv! In diesem Moment kommt Flo aus einer Tupperdose sein Mittagessen verspeisend herein. Die Sekretarin beschwert sich, da sie Appetit kriegt. Ich kriege auch welchen. Aber nicht aufs Essen. Flo meint, dass sie da durchmüsse und er jetzt mit ihr die Fallkonferenz besprechen wolle. Das hätte er sich bei mir selbst mit größtem Hunger nicht getraut. Wir lassen ihn essen bis ich meine Statements abgegeben habe. Dann stehe ich auf und biete ihm lächelnd meinen Platz an "Der nächste bitte."
Ist das Flow? Es fühlt sich auf jeden Fall toll an, wenn man gute und bewältigbare Arbeit macht, die einen tiefen Sinn hat. Und die Kollegen spielen dabei auch eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Grüße aus dem Flow,
Eva

Dienstag, 12. November 2013

Keine Zeit für Warzen

Liebe Mathilda,
auf Wunsch einer einzelnen, aber sehr wichtigen Dame kommt hier meine übliche Mail über meinen aktuellen Zustand. Sobald Betty, meine neue Kollegin, selbständig arbeiten kann, hole ich mir den Freiraum, meine täglichen Gefühlsverwirrungen und Erkenntnisse wieder in Worte und Sätze zu fassen, wieder zurück. Viele Grüße übrigens in die Hängematte zurück. Ich hoffe Du liegst da noch immer und erholst dich gut.
Ich fahre heute zu spät, aber beschwingt und aufgeladen mit supertollen Ressourcen aus dem Wochenende auf den Parkplatz der Klinik, wo ich ohne Probleme einen Platz bekomme. Ich bin viel zu spät dran. Flo ist schon da, was ich an seinem fein säuberlich eingeparkten Auto erkenne. Bei der Erinnerung an die Parklückenquetscherei der letzten Woche muss ich unweigerlich in mich hineingrinsen. 
 Ich trete in den Konferenzraum, in dem die morgendliche Besprechung schon angefangen hat. Flo kommt noch später, hat also seinen eigenen "Auftritt". Wir sitzen uns gegenüber, da unsere Stammplätze schon besetzt sind. Eine Millisekunde begegnen sich unsere Blicke. Das persönliche Guten-Morgen folgt erst als die Besprechung vorbei ist und wir in kleiner Runde bereits einen Patientenfall diskutieren. Es geht um eine Klientin, die bisher auf sämtliche Medikamente allergisch reagiert hattee und nun kaum noch Optionen bestehen. Es wird überlegt, welche Therapie man ihr noch geben könnte. Ich frage vorsichtig und eigentlich zu leise in die Runde "Will sie das denn?" Flo, der dicht neben mir steht, sprudelt freundlich zugewandt hervor "Ja, sie will." Ich kann das kaum erklären, er sagt das so prompt als sei er dankbar, dass ich das gefragt habe. Er strahlt aus "Frag mich, frag mich, frag mich." ... und gibt später vor anderen Ärzten von sich, dass man nach diesen allergischen Reaktionen doch die Therapie abbrechen sollte. Irgendwann sei auch mal gut. Mir steigt ein Lächeln ins Gesicht, wenn ich an die Situation zurückdenke. Als er das sagt, haben wir einen intensiven Blickkontakt. Und obendrein so nah. Unsere Gesichter sind echt nur 15 cm voneinander entfernt. Ich sehe seinen stoppeligen Bart und bin überfordert mit der Entscheidung, in welches seiner Augen ich schauen soll. Ist Dir mal aufgefallen, dass man immer nur in ein Auge schauen kann? Von wegen in "die" Augen schauen. Man pendelt ständig zwischen linkem und rechtem Auge hin und her. Und wenn man nur in eins schaut, wirkt das schon sehr ... einäugig. Seine sind heute besonders hell. Ich muss wegsehen. Wahlweise auf seinen Mund, was auch nicht besser ist und leidenschaftliche Fantasien zu tage fördert. Da bleibt echt keine Zeit, sich auf eine angebliche Warze auf seiner Stirn (eine Entdeckung, die ich auf Bettys Anraten letzte Woche machte, als ich einen Makel an ihm suchte, um von ihm loszukommen) zu konzentrieren. Das war schon...hot! Was versucht er da? Ich könnte das auch ganz schön gemein von ihm finden, dass er sich mir so zeigt, wo ich gerade wieder selbständig laufen kann. Wo er doch sowieso nicht aus der Hüfte kommt. Sollte er jedoch doch aus der Hüfte kommen und das ein zaghafter Versuch sein, mir sein Interesse zu vermitteln, ... Ach was solls. Ich genieß es einfach, ohne mir große Gedanken dazu zu machen. Ich habe mir bereits alle Gedanken dieser Welt dazu gemacht.

Als wir nach der Besprechung hinaus in die Morgenluft treten, um in das andere Gebäude zu gehen, fängt er mit solch genießerischen, poetischen Äußerungen über die Herbstluft und die tollen Farben und "überhaupt sei alles ganz toll" an, dass man es aufzeichnen und sofort in einem dieser schönen, kleinen Gedichtbände abdrucken möchte. Ganz toll! Möchte echt mal wissen was an seinem Wochenende so passiert ist. Hat er Gedichte geschrieben? In der anschließenden Fallkonferenz angekommen setzen er und ich uns nebeneinander. Es ist vermutlich für andere nicht so sichtbar, aber wir sitzen schon nah beieinander. Unsere Knie sind stets nur 5 cm, Tendenz abnehmend voneinander entfernt. Die letzte körperliche Distanz, die noch überwunden werden muss. Mir ist das nicht unangenehm. Ihm anscheinend auch nicht. Ich spüre seine Körperwärme am Knie. Allein das deutet drauf hin, dass es ziemlich nah ist. Und wie Du mir ja vor gefühlten Jahren schon mal sagtest, wird er das sehr wohl registrieren. Er hat ja kein taubes Knie. Ich genieße es wie wir so Knie an Knie da sitzen (Haben wir da so eine Art Knie-Sex?) und über fachliche Themen diskutieren.

Dies also sind die spannenden Geschichten aus einem Krankenhaus an einem Novembermontag mit klarer Morgenluft...

Bis bald,
Eva

Sonntag, 10. November 2013

Der Sonntagabend-Ermutigungspost: A wonderful stroke of luck

Liebe Mathilda,

Conclusio aus Glückswoche 2: Umgib Dich mit den Menschen, die Du magst und liebst. Wenn Du Glück hast, empfinden sie genauso wie du. Wenn nicht, hat auch das einen Sinn, der sich mir noch nicht erschließt.



Kann mir das hier irgendjemand erklären? Wie kann es ein Glücksfall sein, wenn man nicht das bekommt, was man möchte?

Man findet auf diese Weise heraus, was man wirklich möchte?
Man findet dafür andere Dinge, auf die man sonst gar nicht gekommen wäre?
Man muss ohne das, was man möchte leben, und stellt fest, dass es geht?
...

Fragende Grüße,
Eva

Freitag, 8. November 2013

Das Gute an Normalität

Liebe Mathilda,

zwei Tage später ist die Wäsche trotz kaltnaßem Novemberwetter getrocknet und ich bin wieder ausgeschlafen. Ein toller und erfüllter Freitag liegt hinter mir. Für diese Woche bedeutet das vielversprechende Veränderungen auf der Arbeit, gute Gespräche und das Gefühl, dass ich mich einfach toll finde. Mit meinem tollen Outfit und der schicken Brille sehe ich aus wie eine tolle Frau, die weiß wie sie wirkt und die Blicke auf sich zieht.



Und mit Flo war es heute eine Aneinanderreihung von netten kleinen Begegnungen. Ich hatte die halbe Woche das Gefühl, die Paranoia, dass er vielleicht doch wissen könnte, dass ich diesen Blog schreibe. Natürlich bin ich mir bewusst, dass er es lesen könnte. Und wenn er es lesen würde, würde er sich garantiert erkennen. So aufmerksam wie er ist, würde er auch die Begegnungen zwischen uns wiedererkennen. Mich stört es weniger, dass er das lesen könnte, aber vielmehr, was er davon hält. Von der ganzen Aktion, einen Blog über meine unerwiderten Gefühle zu schreiben. Ich möchte nicht, dass er mich für gestört hält. Aber mal ehrlich: Bin ich das? Es war dieses merkwürdige Gefühl, dass das doch Stalking sein könnte, was ich in Bezug auf ihn betreibe. Vielleicht schreibe ich aber auch gerade, damit ich ihn nicht stalke. Irgendwo muss es schließlich hin und er gab mir gegenüber noch nie zu erkennen, dass er sich in irgendeiner Form belästigt fühlt. Die Begegnungen von heute sprechen auch gänzlich gegen ein Belästigungsgefühl, sondern eher für das Gegenteil.

Es begann schon morgens als ich im Aufenthaltsraum mit Betty sitzend automatisch meinen Körper straffe als ich bemerke, dass er hereinkommt. Er sieht und begrüßt uns. Er schenkt sich einen Kaffee ein und verweilt leider nicht bei uns, sondern verschwindet sogleich in seiner Sprechstunde. Zwischen den Zeilen mag da viel ablaufen. Betty - meine neue Kollegin und Freundin - weiß von meinen Gefühlen für Flo. Ich vertraute mich ihr an bevor sie meine Kollegin wurde, bevor ich überhaupt ahnte, dass sie meine Kollegin werden könnte. Seit sie nun da ist, haben wir ziemlich vermieden, es zum Thema zu machen. Heute finde ich endlich den Mut, sie darauf anzusprechen. Ich frage sie wie es für sie sei, das zu wissen. Sie mache sich Sorgen wie das für mich sein muss. Sie berichtet mir von ihrer ersten Begegnung mit Flo. Sie bemerkt seinen intensiven und vielleicht auch prüfenden Blick. Fast so als würde er sich fragen, ob sie es weiß. Und Betty ist bei dieser Schilderung so witzig, so auf den Punkt bringend, so frisch. Wie könne ich mich in jemanden mit einer so albernen Frisur verlieben. Ist es sein Aussehen oder seine Art? fragt sie und antwortet sich selbst: "Es kann nur seine Art sein. Schau ihn dir mal im Profil an, dann weißt Du wovon wir abstammen." Zum Brüllen komisch - comedyreif! Ihr sei das nur wenige Male in ihrem Leben passiert, dass es ein so blindes Verstehen zwischen ihr und jemandem gegeben und sie sich in ihn verliebt habe. Sie habe es aufgrund bestehender Beziehungen damals dabei belassen, ihn nicht einzuweihen und die Gefühle seien weggegangen. Er sei heute einer ihrer besten Freunde. Seine Frau auch. Und diese Frau sei auch ein Grund gewesen, warum es für sie ein No-Go gewesen sei, ihn einzuweihen. Bei Flos Frau dagegen, kokettiert Betty, hätte sie ein Geständnis jedoch in Erwägung gezogen. Sie beschreibt Laura, die sie bei einer Einführungsveranstaltung tatsächlich getroffen hat, als Kindfrau: äußerst zierlich und einfach unveränderbar. Und sie schließt daraus (und aus seiner Frisur): Veränderungen sind nicht sein Thema! Punktlandung.

Gegen halb 10 gehe ich einen Schokoriegel anknabbernd auf den Flur, um mir etwas zu trinken aus dem Aufenthaltsraum zu holen. D.h. eigentlich höre ich Flo irgendwo herkommen und beschließe eine Begegnung zu provozieren, die prompt klappt. Flo kommt aus dem Aufenthaltsraum, in den ich hineingehen will. Er lächelt als er mich den Schokoriegel genießend sieht und wir sagen uns ein liebes "Hallo". Ich bin dann im Aufenthaltsraum und er ist wohl auf die Toilette gegangen. Während ich mir einen Orangensaft eingieße, kommt er wieder herein. Er kommt ziemlich sicher wegen mir wieder rein, denn schließlich kam er ja vor mir dort heraus. Es sei denn, ihn überkommt ein von mir unabhängiger plötzlicher Kaffeedurst oder so was. Er möchte sich einen Kaffee aus der bereits leeren Kaffeekanne eingießen und ist etwas enttäuscht. Ich sage grinsend zu ihm "Ich weiß wo es noch Kaffee gibt." Er schaut mich erwartungsvoll-lächelnd an. Fast ein bisschen als wollte er sagen "Nun sags mir schon." Ich koste den Moment aus, kann ihn dann aber nicht länger auf die Folter spannen. "Im Konferenzraum gibt es genug Kaffee, weil dort gerade eine Fortbildung stattfindet." Flo sieht seinen Kaffeegenuss schwinden, weil er nicht in den Konferenzraum gehen möchte, wenn dort getagt wird. Ich gebe ihm den entscheidenden Tipp, dass die Teilnehmer gerade in einem anderen Gebäudeteil unterwegs sind. Er fängt verschwörerisch an zu grinsen. Und grinse mit und bin froh, dass ich ihn zu dieser kriminellen Handlung überredet habe. Als wäre das ein Beweis dafür, dass ich ihn noch zu anderen Sachen überreden könnte.

Um 13 Uhr gehe ich zu einem Klienten auf die Station. Ich will gerade in sein Zimmer gehen, da sehe ich wie Flo aus einem anderen Zimmer herauskommt. Über 20 Meter werfen wir uns ein "Naaa?" zu. Was sollen diese albernen, völlig identischen Begrüßungsformeln? Wir gehen aufeinander zu und sind uns irgendwie einig, dass wir uns kurz erzählen, was wir gerade machen. Eine inoffizielle Übergabe? Nötig war sie nicht, vom Informationszuwachs her meine ich. Am Stationsplan angekommen durchforstet Flo die Klientennamen. Und er fragt mich bei Frau J., ob das "unsere" Frau J. ist. Ich weiß sofort, wen er meint, und sage ihm, dass es sich um eine andere Frau handelt. In einem anderen Zimmer ist MRSA ausgebrochen, was er bedauert. Ich sage ihm, zu welchem Klienten ich gehe. Ich gebe ihm einige Erläuterungen darüber. Wir haben einen ziemlich starken Blickkontakt. Ich muss öfter mal weg sehen, weil ich Angst habe sonst vollständig rückfällig zu werden. Und dann lächelt er auch noch so charmant dazu. Er sieht mich an ... intensiv. Ich trage wie erwähnt heute Brille. Und er fragt mich interessiert warum. Ich sage ihm, dass ich heute noch auf ein Seminar fahre und es mir dann bis abends zu anstrengend mit den Kontaktlinsen ist. Und er sagt darauf flirtend "Ach so, ich dachte schon du trägst die Brille wegen dem Seminar." In Wahrheit trage ich die Brille, weil sie zu meinem Outfit und einfach top zum Gesamtbild passt. Und weil ich ihn beeindrucken möchte. Nach einer Weile, schwupp, ist er plötzlich noch in ein weiteres Gespräch mit einer Schwester verwickelt. Ich beschließe, dass es für heute genug Kontakt mit ihm war, berühre ihn spontan am Arm, damit er mir nochmal kurz seine Aufmerksamkeit schenkt. Ich dachte spontan, dass das das beste Mittel ist, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Und anfassen will ich ihn ja eigentlich immer. Da er das am Mittwoch ja auch bei mir getan hat (der "Knietätschler"), gebe ich mir die innere Erlaubnis, das auch bei ihm zu tun. Als er mich wieder anschaut, wünsche ich ihm ein schönes Wochenende. Er mir ebenso. Ich denke zu dem Moment, dass das unsere letzte Begegnung heute war, und denke im darauffolgenden Klientengespräch träumend daran zurück.

Als ich das Gespräch beendet habe und die Station verlassen will, stößt Flo erneut zu mir. Er fragt mich im Laufen, ob ich "am Gehen" (Nach-Hause-Gehen meint er) bin und ich bestätige ihm das. Innerlich freue ich mich einfach nur, dass mir noch eine Begegnung mit ihm vergönnt ist. Zunächst schweigen, dann beginne ich, ihm von dem Klienten zu erzählen, mit dem ich eben gesprochen habe. Er ist durch seine Erkrankung in eine finanziell sehr schwierige Situation geraten. Wir bedauern ihn beide, nicht depressiv oder so, sonderneinfach mitfühlend. Wie kommen wir dann bloß wieder auf dieses Parkplatzthema? Fängt er damit an? Ja, vermutlich. Ich fragte ihn gestern, als akuter Platzmangel auf unserem Parkplatz bestand und ich außerhalb parkte, wo er geparkt habe. Er meinte süffisant, dass er sich auf dem Parkplatz in eine mikroskopische Lücke gequetscht habe, in die sich sonst keiner hereingetraut hat. Weil er dann nicht mehr aus der Fahrertür aussteigen konnte, sei er aus der Heckklappe ausgestiegen. Heute nun, meinte Flo plötzlich, dass er neben mir geparkt habe. "Du bist doch FB oder?" Das ist mir ein innerer Lobgesang, dass er meine Autonummer kennt. Als Legastheniker! Wo Buchstaben ihm nicht soviel sagen. Er kann mir sagen, was er will, da ist etwas zwischen uns! Wir albern ein bisschen herum, bis ich ihm in der beschwingten Stimmung schließlich erzähle, dass ich mich heute auch in eine winzige Parklücke gequetscht habe. Wegen dem Seminar hatte ich ziemlich viele, schwere Sachen ins Auto zu packen und ich dachte, ich muss jetzt da rein. Es war eine echt kleine Parklücke. "Ich habe mich an Dich erinnert wie Du Dich gestern in die Parklücke gequetscht hast. Und dann dachte ich: Wenn Du das kannst, dann will ich das auch." Es ist eine sehr alberne bereits-im-Wochenende-Stimmung. Wir verabschieden uns am Ende unseres gemeinsamen Weges nochmals und wünschen uns ein schönes Wochenende.

"It's the best of world's feeling, like nothing can go wrong
Hear the sirens, the world, you catching on
Cause it's your heart, it's alive
It's pumpin' blood"

Nonono - "Pumpin blood"

Ich bin ganz erleichtert und erfreut, dass es so normal zwischen uns sein kann. Und dass mir heute mehrere schöne, kleine Begegnungen vergönnt waren. Und dass ich sprechen konnte in seiner Gegenwart. Wenn ich nur lange genug mit ihm allein wäre, könnte ich sogar locker werden. Er würde vermutlich meinem Charme erliegen. Es würde einfach funktionieren zwischen uns. Aber so wird es nicht sein.

Liebe Grüße,
Eva