Es begann Ende Juni. Er tauchte plötzlich und unerwartet in meinen nächtlichen Träumen auf. Zunächst fand ich das befremdlich, machte mich lustig darüber, dass er und sein ... sagen wir mal markantestes Merkmal darin auftauchten. Ihr könnt Euch jetzt den Kopf zerbrechen, was das Markanteste an ihm ist. Vielleicht ist das ja auch für jeden von Euch etwas anderes. Seid kreativ und stellt Euch was vor. Ich werde Eure Fantasie nicht einschränken oder mit anderen Worten: Von mir erfahrt Ihrs nicht. Als das mit dem Träumen losging - jeder Psychologe weiß ja, dass Träume unbewusste Wünsche, Ängste und was sonst noch für Grütze an die Oberfläche bringen - war wohl mein Unterbewusstsein schneller. Ich hätte (Achtung Wortwitz:) "nicht im Traum daran gedacht", dass ich mich in ihn verlieben könnte.
Das erste Mal begegneten wir uns im März in der morgendlichen Besprechung. Er war aus der Provinz hier her gewechselt und stellte sich in der Runde in etwa so vor: "Ich bin Florian Mollis, verheiratet, 3 Töchter, und freue mich auf die Zusammenarbeit." Mein Unterbewusstsein ordnete ihn zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich als "feinen Schnösel" oder "chaotischen Dirigenten" ein. Ich war abwartend und zurückhaltend, doch noch am selben Tag forcierte er die erste persönliche Begegnung, indem er mir mit einer sehr offenen Geste die Hand gab, mich in ein kurzes Gespräch verwickelte - Ich kann das nicht wirklich Small talk nennen, denn es hatte von Anfang an eine gewisse Intensität - und mich sehr interessiert fragte, ob er bei einem meiner Klientengespräche dabei sein könnte. Häää? Das hat mich echt noch nie einer meiner Kollegen gefragt. Er sieht sich und mich vom ersten Augenblick auf einer Ebene. Das ist neu für mich, gibt es doch eine jahrhundertealte Konkurenz zwischen Ärzten und Therapeuten. Ja, ich habe das noch nicht erwähnt: Er ist ein Arzt. Ganz klischeehaft ein Arzt!
Dann irgendwann bemerkte ich wie mir die Zickereien zwischen den verschiedenen Berufsgruppen auf meiner Arbeit ziemlich auf die Nerven gingen. Ich fing an, ihn in Schutz zu nehmen. Ich erkannte seinen guten Willen und erkenne ihn auch jetzt noch. Ich finde einfach, dass er ein feiner Mensch und weit davon entfernt ist, berechnend zu sein. Oder er verpackt es so gut, dass ich es nicht merke? Bin natürlich geblendet.
Und dann bot ich ihm das „Du“ an. Ich hatte registriert, dass er sich bereits mit anderen Mitarbeitern duzte und - verdammt - ich wollte das auch. Nur wie? Konnte ich ihn fragen? Wer musste hier eigentlich wen fragen? Und ich wollte nicht zu lange warten. Kennt Ihr die Angst, dass der Zeitpunkt jemandem das "Du" anzubieten unwiederbringlich überschritten sein könnte? Man könnte sagen, ich habe diese Angst erfunden. Zumindest bei Menschen, die mir wichtig sind. Somit stand ich ein bisschen unter Druck zu handeln. Das gab letztendlich den letzten Anstoß dazu, dass ich mir eines Tages als wir nach der Visite ein Stück Kuchen aßen ein Herz fasste und ihn fragte, ob "wir uns nicht mal duzen" wollen. Er ging sofort darauf ein, freute sich und sagte, dass er sich das nicht getraut hätte. Er – traut – sich – nicht? Ist ja interessant. Hätte ich so nicht erwartet. Ich freute mich, dass er sich freute und natürlich über das errungene "Du" bis mich seine Aussage, dass er seiner Frau erzählen müsse, dass DIE Therapeutin ihm das „Du“ angeboten hat, wieder auf den Boden der Tatsachen brachte. Das war irgendwie wie eins mit der Bratpfanne auf den Hinterkopf gegeben: Was Du hier machst, ist nicht richtig! Ich weiß nicht, flirtet er mit mir? Oder ist das einfach seine Art? Zu diesem Zeitpunkt war mir mein ausuferndes Gefühlsleben noch nicht bewusst, wobei mich das neue „Du“ schon sehr freute. Doch dann ging er in Urlaub und ich hoffte ihn ein letztes Mal noch auf dieser Fortbildung zu sehen. Mir schwante langsam, dass da etwas faul war, wenn ich mich so auf jemanden freute bzw. ich so enttäuscht war als er nicht auftauchte. Nun ja, dann hatte ich mich halt ein bisschen verguckt. Bis er aus dem Urlaub zurück ist, wäre das sicher vorbei.
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