Montag, 20. August 2012

Kopfentscheidung

Mit Abstand sehe ich die Dinge etwas klarer, die mich in der Woche bei Konfrontation mit "dem Kernproblem" überrollen. Das Wochenende ist immer eine gute Möglichkeit, Abstand zu finden. Wenigstens für eine Weile. Das Ergebnis des letzten Wochenendes war, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob ich das alles ohne fremde Hilfe schaffe. Es wird zu groß. Ich kenne mich. An Mathilda oder in einen Blog zu schreiben ist die eine Seite. Antworten zu finden die andere. Sollte ich mich also noch jemandem anvertrauen? Sollte ich die Telefonseelsorge anrufen? Was gibt es sonst für Möglichkeiten? Gesetzt den Fall, ich würde mich einer Person in meinem Umfeld anvertrauen wollen: Wer könnte das sein? Und sollte es nicht an erster Stelle Konstantin sein? Und dann schwanke ich, ihn in solche Aufregung zu versetzen, wo doch gar nichts passiert ist und auch nichts passieren wird. Kann ich ihm das ersparen? Bin ich hier nicht eigentlich das Problem? - Ok, so sieht es am Wochenende in meinen Gedankengängen aus. Kreisend! Wiederholend! Hoch und runter mit der Stimmung. So dass ich mich frage, wie lange ich das so weiter tun kann.



Also ging ich heute mit der halbherzigen Erkenntnis auf die Arbeit, dass ich wohl mal mit jemandem sprechen müsste. Total unausgegoren und überhaupt nicht handlungsbereit. Aber wie es so ist, kamen ein paar Probleme auf der Arbeit hinzu, die mich sonst nicht weiter tangiert hätten, in meiner aktuellen Situation jedoch dazu führten, dass es aus mir herauspurzelte. Es war wie ein letzter Wink des Schicksals, dass mir bei einem Gang durch die Klinik unsere Seelsorgerin begegnete, die mich - verzweifelt wie ich wohl aussah - sogleich zu sich einlud. Ich treffe sie sonst nie, weiß auch gar nicht zu welchen Zeiten sie anwesend ist. Mir bot sich also die Möglichkeit, sich bei dieser vertrauensvollen Person auszukotzen ohne im Weiteren ständig mit ihr konfrontiert zu sein. Ich nahm die Einladung zögernd an, könnte mich ja über die alltäglichen Probleme in der Klinik etwas entlasten. Es gab eins das andere bis ich von mir selbst überrascht zu ihr sagte, dass ich da noch ein ganz anderes (und viel größeres) Problem habe. Immerhin hatte ich schon erkannt, dass es eines ist. Und dann erzählte ich über meine tragische Verliebtheit in Flo. Ich fand in der Seelsorgerin eine gute Zuhörerin, die nötige Distanz, aber auch das nötige Einfühlungsvermögen. Sie sagte mir, dass so etwas nur passiert, wenn etwas anderes fehlt und dass mir auf lange Sicht nur bleibe, die Sache aufzuklären oder zu beenden. Da hat sie wohl recht. Von außen betrachtet mag das wohl auch total klar sein, aber wenn man selbst drin steckt, sieht man es einfach nicht. Flo bekam ich heute kaum zu Gesicht und ich suchte auch nicht nach ihm. Ich verbrauchte mehrere Packungen Taschentücher und war nicht arbeitsfähig. Ich habe mir ein Adele-Verbot auferlegt. Ich darf mich da nicht so hineinsteigern, muss auch hinter die so schöne Fassade blicken. Ich habe genug andere Baustellen in der Klinik. Da kann ich mir nicht leisten, den Kopf und einen guten Ruf zu verlieren. Wahrscheinlich muss ich mir einen festen Zeitpunkt setzen bis zu dem ich meine Verliebtheit genieße, denn schön ist es ja schon irgendwie, und dann möglichst auf Abstand gehen. Parallel dazu mit Konstantin sprechen. Nachforschen, was mir denn in der Beziehung zu ihm fehlen könnte, was ich mir von ihm wünsche und was er sich von mir wünscht, so dass wir uns gemeinsam weiterentwickeln können.

Natürlich gehen von so einer Kopfentscheidung noch nicht die Schmetterlinge weg. Ich spüre sie bis tief in den Bauch und mir ist durchgehend schlecht. Hirschhausen schreibt, dass das Hirn von Frischverliebten dem von Zwangsgestörten ähnelt. "Alle Gedanken werden wahnhaft mit dem Objekt der Begierde verknüpft. Verliebte sagen Sätze wie: "Schau mal, hier fährt ein rotes Auto, mein Schatz fährt auch ein rotes Auto, und wenn eins vorbeikommt, dann soll mir das sagen, dass er gerade an mich denkt!" Dafür kann man in der Klinik schon mal fünf Milligramm Haldol bekommen, um das Denken wieder geradezurücken. Aber das macht weder in noch außerhalb der Klinik jemand, denn jeder Arzt und Laie weiß: Es dauert nicht lange und geht auch von ganz allein vorbei." (Eckart von Hirschhausen - Glück kommt selten allein) Nur wann? Zwangsgedanken? Habe ich auf jeden Fall. Nur sind sie im Falle der Verliebtheit nicht unangenehm. Aber eben die Konsequenzen. Ich kann es drehen wie ich will, am Ende kommt nichts Gutes dabei heraus. Also heißt es bis zu einem gewissen Punkt (Wie finde ich den nur?) genießen und dann abbrechen. Ich denke schon, dass ich mich so weit kontrollieren kann. Ich weiß aber auch, dass ich sehr ausdauernd das Kopfkino betreiben kann. Ich sehe überall diesen Audi A4 - seine Automarke. Könnte schwören, dass Audi seine Verkaufszahlen verdoppelt hat. Ich sollte mich davon distanzieren, aber es fühlt sich so gut an. Lass es mir noch eine Weile. Oje, wenn ich schon seine Schritte herannahen höre - ich erkenne ihn natürlich sofort - und ich mir Wünsche "Komm rein, in mein Zimmer" - was er nicht tut - geht mir das durch und durch. Und seine Stimmlage - wie Samt. Er sieht nicht überirdisch gut aus. Von seinem Körper ist unter dem Visitenmantel nicht viel zu erkennen. Es ist einfach seine Art - wie Zucker. Er ist witzig und sarkastisch, was nicht alle merken. Vielleicht ist er auch ein bisschen arogant? Auf jeden Fall selbstbewusst. Er kümmert sich nicht so sehr um Hierarchien, versucht diese sogar zu boykottieren. Das imponiert mir. Und doch ist Flo alles in allem nicht überwältigend viel anders als das, was ich habe. Nur dass mir hier Hormone und Neurotransmitter einen ziemlichen Streich spielen.

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