Donnerstag, 16. August 2012

Persönliches Verlockungspotential

Heute nun werde ich etwas profaner in meinen Beschreibungen, denn ihr kennt nun die Vorgeschichte und befindet euch jetzt live in meiner persönlichen gefühlsmäßigen Verwirrung.

Gestern ergab es sich, dass wir zusammen Kaffee kochten. Als ich mich mit einem Kaffee stärken wollte, begann er gerade damit die Kaffeemaschine zu bestücken. Da entschied ich mich spontan dazu, ihm zu helfen. Helfen - ein Thema, dass wir wohl beide erfunden haben. Er freute sich über meine Unterstützung und meinte gleich „Teamwork“. Also füllte er das Wasser auf und ich den Kaffee ein. Es war eine locker-fluffige Stimmung, die zeigte, dass einfach die Chemie stimmt. Was hat es zu bedeuten, dass er während unseres "Teamwork" vergaß das Wasser in die Kaffeemaschine zu gießen? Ist er abgelenkt, unkonzentriert, nicht für Küchentätigkeiten geeignet? Lässt er mich die Arbeit machen? Hmm, irgendwas fehlt hier noch, fiel ihm dann auf. Einige Lacher später kontrollierte er noch wieviele Löffel Kaffee ich eingefüllt hatte. „8? Das müssen mindestens 10 sein“ sagte er gespielt empört. „Na GUT!“ gab ich Widerwillen miemend zurück. Ich tat 11 rein und wir mussten beide grinsen. 10 Minuten später - Ich hatte mich inzwischen mal aus der Teeküche entfernt und war wieder reingekommen (Das erträgt ja keiner!) – hörte ich schon von Weitem wie er sich bei irgendwem für den wahrscheinlich zu starken Kaffee entschuldigte. Tja, so ist er halt, unser Flo. Und dann schenkte er mir die Milch ein. Das klingt so naiv, sogar ein bisschen lächerlich, wie ich das hier so aufschreibe. Aber innen drin bin ich die emotional berührte Frau, die sich einfach über solche Sachen freut. Was soll ich sagen? Er ist auf jeden Fall sehr aufmerksam. Flirtet er mit mir? Ist er ein Don Juan? Und ich habe es nur noch nicht bemerkt? Seit 2 Tagen winkt er mir morgens wenn er auf die Arbeit kommt durchs Fenster zu. Was tut er da bloß? Ich werde enttäuscht sein, wenn er es morgen nicht tut. Das wäre dann frustrierend und im übertragenen Sinne ein ungemütlicher Wackler auf meiner Hängebrücke.

Ich habe mir das mit der Hängebrücke weiter durchdacht: Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Dass ich und wahrscheinlich der Rest der Menschheit irgendwann auf Hängebrücken geraten, wird sich entweder über die Anzahl der Hängebrücken oder über das ich nenne es jetzt mal "persönliche Verlockungspotential" (schönes Wort) der weit und breit einzigen Hängebrücke regeln. Entweder es gibt zahlreiche Hängebrücken, die einem im Leben über den Weg laufen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis man über eine drüber oder an einer vorbei muss. Oder es ist DIE EINE Hängebrücke, die sich nun leider oder Gott-sei-Dank unumstößlich auf deinem Weg befindet. Und an DIESER EINEN, da kann man machen, was man will, kommt man nicht vorbei. Von dieser speziellen Hängebrücke sangen ja bereits U2 1992:




Ja, ich mag in einer sensiblen Phase sein. Mit 35 ist man wohl an solch einer Weggabelung. Kurz vor dem perfect, golden ageless age mit 36, in dem eine Frau mit ihrem year-zero face am schönsten sein soll, gibt es viele Dinge zu überdenken. Und dies alles, weil ich – die strukturierteste, ruhigste und geradlinigste Person, die ich kenne – mich verliebt habe, was mein Weltbild ziemlich ins Wanken bringt. Ich hatte das nie auf meinem Plan, hätte es nicht mal für möglich gehalten. Nun frage ich mich, warum ich das so gar nicht in meiner Vorstellung hatte. Schließlich habe ich mich schon seit jeher in Liebesdinge immer voll und ganz hineingeworfen und sie für das Größte gehalten, was uns Menschen so passieren kann. Zwar kannte ich damals das Holstee Manifesto noch nicht, aber rückblickend ist es wohl ziemlich klar, warum mir während meiner passionierten beruflichen Tätigkeit genau derjenige nicht mehr aus dem Kopf geht, der seine - eng mit meiner verbundenen - Tätigkeit mit einer ähnlichen Passion ausübt. Wir machen eine wichtige und sinnvolle Arbeit, die Menschen hilft. Die verzweifelten Menschen hilft. Bei denen es um Leben und Tod geht. Das schweißt zusammen. Und dann dieses Gefühl wir kämpfen gegen den Rest der Welt. Ich war nicht bewusst auf der Suche nach Liebe, aber ich habe mir beruflich ein Reich geschaffen, in dem ich wirklich das tue, was ich liebe und was ich gut kann. Ein Glück, wenn es sich dabei um ein und die selbe Tätigkeit handelt. "If you are looking for the love of your life, stop; they will be waiting for you when you start doing things you love." (The Holstee Manifesto) Und selbst wenn Du sie nicht suchst, findet sie Dich trotzdem. Dass es einen Typen trifft, der nicht mal mein Typ war, ist für mich ebenso überraschend wie verboten. Da steht erstmal einfach nur ein großes, ratloses „Häääääääh?“ So ganz normal kam mir unser Verhältnis nie vor und langsam dämmerte es mir. Und schon bin ich der Inbegriff einer verwirrten Frauenseele: Kann das wirklich sein? Das wird doch nicht…? Nein, das kann nicht sein. Total absurd! Geht ja gar nicht. Und wenn doch? Nein, das darf nicht…! Na, so ein bisschen träumen ist ja nicht verboten. - Also Tagträume, die davon handeln, wie ich ihm begegne, was wir reden, was wir tun, geparrt mit einem merkwürdig-mulmigen Gefühl in der Magengegend, wenn ich ihn tatsächlich sehe. Nicht viel anders als im Teenageralter.

Und heute auf dem Flur – oh Mann. Er rennt so suchend mit dem Arm voller Akten herum und ich sage zu ihm „Du siehst aus wie auf Raumsuche.“ Und er antwortet doch tatsächlich darauf „Ich seh aus wie auf Frauensuche?“ Das nenn ich mal einen Freudschen Versprecher. Hihi. Bevor ich rot werden konnte, meinte ich lachend „Das kann ICH ausnahmsweise mal nicht einschätzen.“ und machte mich aus dem Staub.
Er riecht gut. So gut! Was mir bisher gar nicht bewusst aufgefallen war. Aber nach dieser Aktion auf dem Flur fragte er mich tatsächlich nach einem Raum suchend, ob er mit einer Klientin in mein Büro könne. Er steht mit dieser Bitte vor mir. Ich halte seinem Blick nicht stand und senke meine Augen. Schon starre ich auf sein Namensschild "Dr. Florian A. Mollis". Was hat das "A." zu bedeuten? Ich beginne in Gedanken alle männlichen Vornamen mit A aufzuzählen. Meine Gedanken driften ab. Ich muss in der Realität bleiben, ihm auf seine Bitte antworten. Ich kann nicht anders, natürlich überlasse ich ihm mein Zimmer. Hatte sowieso woanders zu tun. Als ich einige Zeit später zurückkehre, trifft es mich wie eine Abrißbirne. Er hatte meinen Raum schon seit Stunden verlassen, aber was dageblieben war, war sein Duft. Ich weiß in so einem Moment nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Auf jeden Fall bedeutet es, dass ich lebe. Dass ich sehr lebendig bin. Und trotzdem verwirrt mich das alles ganz erheblich. Ich weiß, dass die Situation ohne diese Gefühlswallung sehr viel einfacher und klarer, aber auch sehr viel langweiliger wäre. Das "persönliches Verlockungspotential" des "Flo A." hindert mich daran, es ignorieren zu können. 

Wahrscheinlich steigere ich mich auch in etwas hinein, sehr wahrscheinlich. Wie werde ich es also los? Ich habe ja nichts wirklich Verkehrtes getan. Es passiert ja alles nur in meiner Fantasie. Und trotzdem komme ich mir so schäbig vor. Dass ich diese Schuldgefühle hier kaum thematisiere, liegt wohl an meiner eigenen Verdrängungsleistung. Ich entschied mich auch nur aus einem Grund, diesen Blog zu schreiben: Ich weiß nicht wohin damit und ich wäre sonst geplatzt! Heute Abend gehe ich rennen! Was kann ich bloß tun, um es loszuwerden?

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