Liebe Mathilda,
er hat es geschafft
... mich zum Lachen zu bringen und auch ...
... mich wütend zu machen!
Es beginnt so gut heute Morgen. Als ich mit dem Auto auf die Arbeit fahre, ist Flo plötzlich an der letzten Kurve hinter mir. Ich habe den Impuls, den Wagen hochzuziehen und ihm davonzufahren, beschließe dann aber in Anbetracht meiner PS-bedingten Chancenlosigkeit, ganz gemächlich - so als würde er nicht hinter mir sein - weiterzufahren. Das Auto vor mir bringt die ganze Schlange zum Stoppen. Zeit zum Gucken und Krone richten. Ich vermeide unter stärkster Anstrengung einen Blick in den Rückspiegel, genieße aber, dass er das vielleicht tut. Schon etwas krank dieser Gedankengang. Wozu brauchen wir überhaupt reale Begegnungen, wenn man sich doch ALLES! vorstellen kann? könnte man hier ketzerisch fragen. Was ich mir aus verzweifelter Sehnsucht nicht alles ausmale - aus Mangel an wirklichen Begegnungen.
Die Autoschlange setzt sich in Bewegung und reißt mich aus meinen Gedanken. Wir fahren weiter und parken mit identischen Wendemanövern quer zur Fahrbahn ein. Fast wie in einer Choreografie. Er steigt aus, ich steige aus. Er wartet auf mich und ich gehe auf ihn zu. Nach der üblichen und total normal kollegialen Begrüßung läßt Flo eine Bemerkung übers Wetter fallen. Heute ist es noch mal so schön warm! Ich stimme mit ein und nach der Tür, die er mir aufhält (mein Ritter) ist unser gemeinsamer Weg fürs Erste beendet. Ich treffe ihn in der morgendlichen Besprechung wieder, in der wir nebeneinandersitzend miteinander kichern. Als er am Ende der Besprechung aufstehen und gehen möchte, halte ich ihn gekonnt zurück. Nonverbal wie so oft, denn für Worte reicht so eine subkortikale Aktion nicht aus. Ich rücke näher an ihn heran und stelle ganz subkortikal einen intensiven Blickkontakt her, woraufhin Flo sich (rückenmarksgesteuert?) wieder setzt. Brav! Ich spreche ihn nun ganz pragmatisch auf das Bewerbungsgespräch heute um 11 Uhr an und deute auf den soeben geänderten OP-Plan, der genau um 11 Uhr eine Operation für ihn vorsieht. Er meldet mir deutlich und nicht so wischi-waschi zurück, dass er den Termin vernommen hat und wirkt ganz zuversichtlich, dass das trotz Operation klappen wird. Er wendet sich sofort an die noch anwesenden anderen Operateure und teilt mit, dass er lieber etwas später operieren würde. Ganz kortexgesteuert geht es dann weiter:
Eva: "Ich würde mich gerne vorher mit Dir absprechen wie wir in dem Gespräch vorgehen." Flo hat daraufhin eine ganz einfache Lösung parat:
Flo: "Das ist doch klar: Du führst das Gespräch ..." Ich führe das Gespräch! Natürlich! Trotzdem bin ich ein bisschen überfordert von der Verantwortung, die ich bisher nicht wahrhaben wollte. Komplett kann er das nicht auf mich abwälzen:
Eva: "Ich wünsche mir da Unterstützung von dir. Ich habe so etwas noch nicht so oft gemacht." Ich verschweige, dass ich das überhaupt noch nicht gemacht habe. Muss mich ja nicht kleiner machen als ich bin.
Flo: "Ich auch nicht." sagt er entwaffnend und grinst. Das wirkt entlastend auf mich.
Eva: "Dann sind wir ja schon Zwei." Gemeinsames behämmertes Kichern, was eher was von zwei pubertierenden besten Freundinnen als von zwei flirtenden Kollegen hat, und Abgang.
Nach einer langen weiteren Besprechung, an der wir auch beide teilnehmen und die ausgiebig Rückzugsmöglichkeiten für Schmachtgedanken bietet, mache ich mich auf den Weg auf die Station als Flo unverhofft dazustößt und mich begleitet. Ich renne durch seine unvorhergesehene Präsenz fast gegen eine Wand und kann mich gerade noch abfangen. Der Typ bringt mich wirklich ins Schwanken. Er beginnt sogleich mit Fragen (das ist dann wohl das Vorbereitungsgespräch):
Flo: "Welche Bewerberin kommt denn heute eigentlich?" Ich gebe ihm einen kurzen Steckbrief und auch noch Infos über die anderen Bewerber.
Flo: "Und was stellst Du Dir denn für Deine neue Kollegin vor?" Unter freiem Himmel (unser Weg schlängelt sich ja hier ein bisschen durchs Gelände) sage ich:
Eva: "Ich wünsche mir schon gerne eine spezialisierte Therapeutin auf der neuen Stelle." Ehe ich das weiter ausführen kann, fragt er als wenn er diese Frage schon immer fragen wollte:
Flo: "Was bist Du eigentlich?" Bitte? Er weiß nicht, was ich bin? Eine Frau, die eine Affäre mit ihm will! Er meint das natürlich auf meine Qualifikation bezogen. Wäre ja so als wüsste ich nicht, ob er Pathologe oder Internist ist. Nee, nee Florian Mollis, das nehm ich Dir nicht ab. Wahrscheinlich hat er Angst falsch zu liegen und fragt deswegen. Um meinen Verdacht zu überprüfen, setze ich zur Gegenfrage an und sage flirty:
Eva: "Wenn Du das wirklich nicht weißt, dann rate doch mal..." So ein bisschen dürfte er mich doch einschätzen können. Ich - die Frau, die ihm wohl kaum noch mehr hätte von sich zeigen können. Er kriegt daraufhin kein Wort raus und ich erlöse ihn, indem ich ihm meine genaue Berufsbezeichnung nenne:
Eva: "Ich bin Verhaltenstherapeutin." Nun kann er meine therapeutische Qualifikation genau einordnen, oder auch nicht.
Auf der Station angekommen, beenden wir unser Gespräch und trennen uns ... um uns 30 Sekunden später in der Teeküche wiederzutreffen und festzustellen, dass wir beide noch einen Kaffee trinken wollen. Abschied und Neubeginn - den ganzen Tag. Er lenkt das Thema plötzlich auf OP-Angelegenheiten und erklärt mir unter tollem Blickkontakt eine spezielle Operationsmethode. Ganz klar, wenn er meine therapeutischen Angelegenheiten nicht auseinanderhalten kann, redet er jetzt über sein Fachgebiet. Nie wurde eine OP-Technik schöner erklärt. Und vor allem, was er anders als alle andere machen würde. Schon verschärft, dass ich mich bei ihm sofort unters Messer legen würde. Das sind schon irgendwie vertrauliche Informationen, die er mir da sagt (und auch gezielt einsetzt!). Schmacht! Und dann fragt er ohne Überleitung, ob sich denn auf die Therapeutenstelle auch ein Mann beworben hat. Wo kommt das jetzt her? Angst um seine männliche Ehrenposition? Ich bejahe das und erkläre ihm, dass ich bereits mit dem einzigen männlichen Bewerber telefoniert habe und er leider auf einen größeren Stundenumfang aus war. Zum Milchkaffee philosophieren wir über die Vor- und Nachteile weiblicher und männlicher Therapeuten in unserem Fachgebiet. Ein letzter Schluck und meine diesmaligen Abschlußworte: "...und ein Mann in unserem Fachgebiet, das kann ja auch ganz gut funktionieren ... wie man sieht." Lächle und gehe! War das too much? Was ist schon too much?
Und nun ist es vorüber. Mein Vorstellungsgespräch mit der potentiellen neuen Kollegin, dass ich dann doch ganz ohne ihn führte. Ich glaube nicht wirklich, dass er etwas dran drehen konnte, dass er die ganze Zeit im OP war. Um kurz vor 11 Uhr wird mir die Bewerberin angekündigt. Ich greife zum Hörer, um Flo zu informieren, dass sie da ist ... und sehe ihn im selben Momen über den Hof in den OP gehen. Mist! Besetzt! Auch er versucht mich vermutlich gerade anzurufen. Ich probiere es dreimal bis ich durchkomme. Er meint, dass ich schon mal anfangen soll. Er sei dann in einer halben Stunde da. Ich weiß schon zu dem Moment, dass das nicht klappen wird (Männer und Zeitmanangement!) und finde das einfach nur scheiße. Am Ende habe ich eine Stunde mit der Bewerberin gesprochen, die wirklich sehr sympathisch ist und die gerne noch jemandem aus dem Team kennengelernt hätte. Nach 1 1/2 Stunden muss sie gehen und hat Flo, der immer noch operiert, nicht gesehen. Nach knappen zwei Stunden kommt Flo eiligen Schrittes aus dem OP und ruft den Schwestern auf der Station zu:
Flo: "Wo ist denn die Frau Cormann?" Ich rufe aus der Küche, in der ich gerade mein Brötchen esse, zurück:
Eva: "Hier ist die Frau Cormann!"
Er ist abgehetzt, hat noch die Abdrücke von seinem Mundschutz im Gesicht. Sieht aus als hätte er ihn sich gerade noch abgerissen (So haben sie das nach erfolgereicher Rettung in Emergency Room immer gemacht. Sehr sexy!). Das besänftigt mich etwas, weil es irgendwie süß aussieht. Aber nur ein kleines bisschen! Er fragt nach der Bewerberin:
Flo: "Ist sie noch da?"
Eva: "Sie ist vor 20 Minuten gegangen. Musste los." Er merkt, dass ich sauer bin und beginnt sofort mit einer beschwichtigenden Erklärung, warum es im OP so lange gedauert hat. Irgendwie tut er mir leid, aber irgendwie auch nicht!
Flo: "Wie ist es denn gelaufen." Ich gebe ihm eine kurze Rückmeldung und schließe mit:
Eva: "Neue Chance in einer Woche.", wo ich das nächste Gespräch terminiert habe. Habe irgendwie Lust, ihn ein bisschen schmoren zu lassen. Ich bin mir im Klaren darüber, dass das Spielchen sind. Wenn nichts anderes geht, gehen wohl nur noch Spielchen.
Wütende und grinsende Grüße zugleich,
Eva
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen