Montag, 19. August 2013

Eisbrecher fahren nur in kaltem Wasser

Liebe Mathilda,
 
es ist vollbracht! Wir sprechen wieder miteinander und das ist ebenso entlastend wie ernüchternd.
 
Als ich heute morgen in den Besprechungsraum komme und mir gerade überlege, ob und wie wir uns weiter anschweigen werden, sehe ich Flo auf seinem altbekannten Stammplatz. Dann erinnere ich mich, dass ich alles daran setzen wollte, dieses alberne Schweigen zu brechen, denn "Love is louder!" Ich steuere motiviert auf meinen Stammplatz links neben Flo zu ... und sehe zu meiner Enttäuschung einen Kittel auf dem Stuhl hängen. Das hatte ich ja jetz so gar nicht eingeplant. Ich stutze, zögere, verliere meine Motivation und will mich schon woanders hinsetzen. Doch ist derjenige, der das Schweigen bricht:
 
"Der hängt hier wohl nur so rum."
 
meint er einladend zu mir mit einem netten kleinen Seitenblick auf das Relikt. Erleichterung, denn endlich hat einer von uns beiden etwas gesagt. Bei mir schaltet sich automatisch der gewohnt-vertraute Flo-Modus ein. Ich sage:
 
"Ah, wie das Handtuch am Pool."
 
und setze mich auf den markierten Stuhl neben ihn. Mit diesen beiden profanen Sätzen ist das Eis gebrochen. Wir sind uns gleich einig, dass wir Markierungen von Liegeplätzen an Pool und Strand unmöglich finden. Zwanghafte unter sich eben! Und Flo berichtet sogar davon, solch ein Verhalten in der Sauna beobachtet zu haben. Skandal! Ja, das sind nun mal die Themen, die der morgendliche Small talk hergibt. Ich erfahre, dass Flo in der Sauna am liebsten auf die oberste Bank geht, mit einem schönen Aufguß dazu. Wollte ich das wissen? Jaaaa! Ich frage:
 
"Liegend oder sitzend?"
 
und stelle mir Flo, den staatlich-geprüften Narzissten, dazu natürlich in Sauna-Aktion vor. Ich male mir zu dem Zeitpunkt schon aus wie ich dir das heute schreibe. Ich bin innerlich amüsiert, dass ich das hier sofort verwursten kann. Flo meint eindeutig:
 
"Sitzend."
 
Alles andere wäre ja auch zu gefährlich :-) Schon klar, Flo setzt in gewohnter Art seine Grenzen und unterbricht damit meine Sauna-Räkel-Fantasien. 
Etwas Gutes hat das, denn wir reden wieder miteinander und ich kann das Gespräch auf die Bewerbungsgespräche hinlenken, die wir beide zusammen führen sollen. Er erinnert sich schuldbewusst, dass er sich noch nicht geäußert hat. Ich muss das Gespräch mehrmals wieder auf das Thema bringen, weil wir abgelenkt werden. Es gibt viel zu erzählen, wenn man eine Woche lang geschwiegen hat. Flo fragt wie lange denn so ein Gespräch dauert. Häää? Na, wie lange denn wohl. Manchmal wünsche ich mir einen "richtigen" Mann an seiner Stelle, der mal Klartext redet. Es hat den Anschein, dass er die Bewerbungsgespräche lieber vermieden hätte. Naja, viellicht nicht ganz so, aber heiß drauf ist er auch nicht. Mir wird das Herumgeeier irgendwann zu bunt und ich sage, dass ich einfach Termine vereinbare und er ja dann gucken kann, ob er dazu kommt. Das will er ja nun auch nicht. Er rudert zurück und sagt, dass wir nach Lücken im OP-Plan und im Sprechstundenplan schauen und dann Termine blocken sollten. Uhh, endlich ein konkreter Vorschlag. Er meint, dass wir uns das zusammen im Kalender am PC ansehen. Na bitte, geht doch. Nur dass unser Gespräch wieder unterbrochen wird und es immer noch nicht klar ist wie und wann wir zusammen vor den Terminplaner eines Computers kommen. Ein letzter Versuch als wir uns dicht - zu dicht - gegenüberstehen und einen intensiven - zu intensiven - Blickkontakt haben. Ich sage etwas wehrlos:
 
"Sprich mich einfach an, wenn Du..."
 
Daraufhin fällt er mir ins Wort (hätte eh nicht gewusst wie ich den Satz hätte beenden sollen):
 
"Nein, sprich Du mich lieber an."
 
Ok, der Herr Dr. Mollis will angesprochen werden, was ich heute gefühlt 10mal getan habe. Lässt sich wohl gerne von mir ansprechen? Das war morgens um 8 Uhr. Dann habe ich bis 13 Uhr gebrütet und abgewartet. Irgendwann sehe ich ihn in sein Arztzimmer gehen und beschließe ihm zu folgen, die Sache zu einem Abschluss zu bringen. Ich bewaffne mich mit meinem Kalender und gehe zu ihm:
 
"Hallo?"
 
"Hallo"
 
ruft er mir freudig entgegen als er mich sieht. Es ist sofort klar, was ich möchte, muss also nur erscheinen und ihn noch nicht mal ansprechen :-) Er schließt irgendein Dokument auf seinem Rechner und fängt an sich durch die Terminlisten zu klicken. Ich setze mich über Eck auf einen bereitstehenden Stuhl. Wahrscheinlich spürt er, dass ich ohne einen konkreten Termin hier nicht mehr weggehe. Zwischendurch kommt ein Anruf von einer CÄ oder "Kathrin" wie er sie nennt. In der Liga kann ich wohl nicht mitspielen. Ich mache es mir gemütlich, mache mich auf dem Stuhl schön breit, beuge mich zu ihm vor, damit ich auch auf den Bildschirm schauen kann. Bei den veralteten Rechnern dauert es lange bis ein Kalender geöffnet ist. Ich genieße die Zeit, denn es ist Zeit mit IHM. Wir überlegen, hier oder da, wo es am besten passen würde, schauen uns an. Ziemlich nah, aber ich kann dem ganz gut standhalten. Und da ist es wieder: das Gefühl, dass sich alles etwas abgekühlt hat. Soll ich dem glauben, oder soll ich weiter in seinen Blicken nach etwas Verborgenem, etwas Unausgesprochenem suchen? Gefühlsmäßig komme ich wohl so langsam auf dem Boden an. Das ist soooo langweilig, lässt sich aber auch nicht ändern. Eisbrecher fahren nun mal nur im kalten Wasser. Seit wir wieder reden, reden wir ganz "normal" miteinander und es regt sich bei mir nicht viel. Während des Schweigens konnte ich mir noch einreden, dass etwas zwischen uns komisch oder unnormal ist. Jetzt ist es klar und sachlich ... und langweilig. Natürlich schaue ich gerne zu, wenn er - der Prächtige - erscheint, aber das Ausmaß meiner Reaktion ist gerade weit entfernt von einer Abrissbirne. Es hat auch damit zu tun, dass er mich sooo "normal" behandelt und ich mir denke, dass ich da nicht ewig etwas hineininterpretieren kann. Das Ergebnis unserer gemeinsamen Terminsuche: mittwochs vormittags werden wir wie zwei ganz normale Kollegen zusammen Vorstellungsgespräche führen. Und ich bin sehr darauf gespannt wie diese Gespräche sich gestalten werden.
 
Liebe Grüße von Eva.

1 Kommentar:

  1. ja, es hört sich so an als würdest du ihn entzaubern! geschieht ihm recht!

    liebe grüße mathilda

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