Dienstag, 2. Oktober 2012

Der Po von Flo

Liebe Mathilda,

Und wieder ist ein Arbeitstag vorbei. Leider! muss ich sagen, denn wenn ich die Arbeit verlasse, fehlt mir etwas Wichtiges. Ich überlege die ganze Zeit wie ich es nur anstellen könnte. Es ist mir klar, dass er es erstmal bemerken muss. Und doch kann ich nicht konkret werden, weil ich mir natürlich die ganze Zeit überlege, dass ich Konstantin nicht verletzen möchte, denn ich bin auch so gerne bei ihm. Wenn ich nur daran denke wie ich mich gestern Abend an ihn gekuschelt habe, dann denke ich: Ja, hier bin ich zu Hause. Und doch wird von Flo noch etwas anderes bedient, das ich kaum erklären kann.

Ich muss das hier aufschreiben. Es ist die einzige Möglichkeit für mich, meine Gedanken zu sortieren, weil es ja so bar jeder Kontrolle, so abwegig ist, was ich empfinde. Ich überlege mir allen Ernstes: Wie baggere ich einen Familienvater an? In erster Linie ist er ja ein Mann. Dass er nun auch Ehemann und Familienvater ist, ist eine Tatsache, die ich hinnehme und die ich auch nicht verändern möchte. Oder macht ihn gerade das so interessant? Es tut mir auch sehr leid für die Kinder und die Ehefrau und allen voran auch für Kai und Konstantin, aber ich will auch meine Chance. Das klingt ziemlich skrupellos für eine Frau, die noch vor 2 Monaten fragte: Wie schreibe ich etwas auf, was ich nicht sagen darf? 

Aber nun bin ich über diese Hürde hinweg. Nun ist Thema: Wie mache ich ihn auf mich aufmerksam ohne dass die ganze Welt es mitbekommt? Ich möchte ja lediglich, dass er sanft darauf gestoßen wird, ob ich ihn als Frau interessieren könnte. Ich möchte nur, dass er darüber nachdenkt. Natürlich kann er ablehnen. Und das sollte wohl auch jeder glückliche Ehemann und Familienvater machen. Aber ist er das? Ich kenne ihn doch gar nicht. Ich kenne ein paar Ausschnitte von ihm, bemerke wie er meistens reagiert, bemerke was er von mir registriert - was wohl im Moment nur Fachliches sein kann. Oder doch mehr? Er kitzelt manche Sachen aus mir heraus wie gestern das mit dem Organspendeausweis. Ich empfahl ihm eine Veranstaltung zu diesem Thema, so dass er seine Klienten und deren Angehörige darauf aufmerksam machen kann. Und er fragte mich neugierig, ob ich einen habe. Tja, ich habe keinen solchen Ausweis und kann in seiner Gegenwart auch nicht lügen. Ich brauchte nichts zu sagen, er konnte mir das sofort ansehen. Wenn mir meine anderen Gefühle auch so im Gesicht stünden... Er erzählte mir dann, dass er und seine Frau Organspendeausweise hätten. Ich erzählte ihm, dass ich damals meine Eltern dazu ermutigt hätte. Er sagte grinsend, dass er es sehr bezeichnend finde, dass ich meine Eltern ermutigt, den Ausweis für mich selbst aber nicht ausgefüllt habe. Fast so als sei er froh, einen menschlichen Zug, etwas hinter der fachlichen Fassade an mir entdeckt zu haben. Und ich sage darauf um Haltung bemüht (Warum bloß Haltung? Könnte man sich fragen, wo er mir so eine Möglichkeit bietet, persönlicher zu werden!!!): "Ja, das kannst Du jetzt interpretieren." Es kam mit leicht scherzhaften Unterton aus meinem Mund. Motiviert war die Aussage jedoch von erheblichen Fluchttendenzen. "Nein, mache ich aber nicht." kam dann beruhigend von ihm, was wiederum ernst gemeint schien. Ich glaubte ihm das. Die Frage ist, ob ich ihm mit meiner rosaroten Brille irgendetwas nicht glauben würde.




Was soll ich nur machen? In seiner Gegenwart komme ich mir vor wie ein verliebtes, hilfloses Hühnchen! Bin ich 12? Wo ist der Unterschied? Heute Morgen war ich mutig. Ich habe auf dem Parkplatz im Auto auf ihn gewartet. Und 1-2 Minuten später parkt er tatsächlich neben mir ein. Ich steige aus und warte auf ihn. Das war erstmal alles, was ich bereit war, ihm zu zeigen: Ich warte auf ihn. Er winkt mir aus seinem Auto heraus lächelnd zu. Dann steigt er aus und es trifft mich wie eine Abrissbirne. Mein Gott, sieht er heute Morgen gut aus in dieser leichten Dämmerung. Im Film legen sie dafür Farbfilter drüber, um die richtige Stimmung zu erzeugen. Doch hier war alles perfekt. Der Teufel persönlich könnte man meinen! Das Gesicht strahlend und er eingehüllt in eine Lederjacke. Ich komme mir heute auch sehr attraktiv vor, bin mit meinem Spiegelbild äußerst zufrieden. Frisur sitzt, Pickel kaschiert, Klamotten cool. Hoffentlich sieht er das auch so. Ok, Smal talk und dabei einfach ein Bein vor das andere setzen während wir in das Gebäude gehen. Mein Gehirn ist zu 90% damit beschäftigt seine Erscheinung zu verarbeiten. Das tue ich auch noch als sich unsere Wege trennen und ich meine Bürotür aufschließe. Sein Gesicht in der Dämmerung – der Hammer – sorgt für verklärte Blicke auf meinem Gesicht. In diesem unbeobachteten Moment sehe ich ihn am Fenster vorbeigehen. So wie ich ihn sonst nicht sehe, denn sonst ist er ja schon erheblich durch seinen Kittel verdeckt. Er noch in zivil, in dieser kurzen Lederjacke, die den Blick auf seinen [räusper] kompakten Po – EINEN WIRKLICH SCHÖNEN PO! - freigibt. Ja, nun ist es raus. Das ist es, was Frauen denken, wenn sie einen schönen Mann von hinten sehen. Klar schauen wir auch gerne auf Gesicht und Lippen, aber eine schöne Rückansicht ist auch nicht zu verachten. Es… er – der Po – hat mich richtig angesprungen. Abrissbirne 2. Teil. Macht er Sport oder so, um sich einen solchen Po zu leisten? Mit Sicherheit. Oh Mann, das sind seelische Abgründe, aber was soll ich tun? Das sind nunmal meine Gedanken. 

Richard David Precht hat dazu auch wieder etwas Passendes zu sagen: 
 "Ein anderer Mensch [Flo] übt einen starken sinnlichen 
(und zwar nicht ausschließlich sexuellen [Nicht?]) Reiz auf mich aus. 
Fast automatisch werde ich von diesem Reiz [Po] »ergriffen« 
– eine Emotion [Pomotion].  
Im zweiten Schritt merke ich, dass etwas mit mir passiert 
– ein Gefühl. 
Ich reagiere nicht nur auf die von dem anderen Menschen ausgehenden Signale [Die Po-Signale], sondern ich versuche sie zu begreifen [Macht er Sport? Ist das angeboren? Wo hatte er den Po bisher versteckt?], einschließlich der Gründe, die mich zu meiner Reaktion veranlassen. [Pofetischismus? Oder einfach nur ein superschönes Merkmal an ihm, das mich umhaut?]“

Wenn ich Flo von vorne begegne versuche ich wirklich alles Mögliche in meinen Blick zu legen, aber ich muss mich wohl von dem Gedanken verabschieden, dass er meine Gedanken lesen kann. Ich muss da wahrscheinlich deutlicher werden. Nicht wahrscheinlich. Ich muss da deutlicher werden. Ich schaue ihn öfter an. Öfter als bevor mir klar wurde, dass ich ihm ein Zeichen geben muss. Nicht so oft, dass er oder andere  es mitbekommen. Das ist ja auch so ein Problem, dass ich mir immer Sorgen mache: Was denken die anderen? Was ist so wichtig daran, was die anderen denken? Wie mache ich es ihm begreiflich, dass ich ihn mehr als nur sympathisch finde? Wie stelle ich es an? Es soll nicht zu plump sein, aber trotzdem deutlich. Aber nicht so deutlich, dass es ihn erschreckt oder ich das Gesicht verliere. Wie stelle ich es an? Wie würdet Ihr das anstellen? Ich sollte auf jeden Fall nicht an seinen Po denken. Das hilft nicht dabei, vollständige Sätze zu bilden. Sabber!

Lüsterne Grüße,
Eure Eva

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