Ich
habe kaum Gelegenheit zu schreiben, obwohl ich randvoll bin mit Eindrücken. Und zwischen diesen vielen Eindrücken geht ein ziemlich tiefer Riss mitten durch mich hindurch.
Ich will und ich bin beides: auf der einen Seite die Sicherheit und die
Geborgenheit; auf der anderen Seite die Aufregung und das Feuer.
Ich
erlebte ein wunderschönes, entspanntes Wochenende. Essen gehen mit Konstantin
und Kai, ganz leicht und lustig, gemeinsamer vertrauter Alltag, liebgewonnene Marotten, Frauenabend mit Freundinnen
und die letzte Folge Emergency Room. Ja, aus der ursprünglichen Motivation heraus, auf andere Gedanken zu
kommen, hatte ich vor drei Monaten damit begonnen, mir die Notaufnahmen-Kultserie nochmal
von Anfang an anzusehen. 15 Staffeln! Wie mir bald bewusst wurde, führte ich mich mit diesem Ansinnen selbst an der Nase herum, denn man kommt nicht wirklich auf komplett andere Gedanken, wenn man sich
schätzungsweise 300 Folgen einer Krankenhausserie mit ihren
zwischenmenschlichen Irrungen und Wirrungen ansieht. Spannend war es trotzdem. Und zum Ende hin hätte ich
wahrscheinlich selbst auf einer Notaufnahme arbeiten können, denn ich wusste
ziemlich genau, wann wieder das Thorakotomie-Set zum Einsatz kommt.
Und
in der Klinik liebe Worte und ein Extrabesuch von Flo, der sich ganz spontan und auf
mein Drängen hin, ein Buch von mir ausgeliehen hat. Fange ich am besten gestern
an, wo ich Flo fast den ganzen Tag nicht gesehen hatte. Ein
katastrophaler Mangel an Ereignissen, der - je weiter der Tag fortschritt -
mich eingehen liess wie eine verdurstende Pflanze. Ja, es ist Durst und es ist
Hunger! Gegen Ende der Woche wird das meist sogar noch schlimmer, weil ich dann Sorge habe, dass bald Wochenende ist und ich Flo nicht sehen kann. Ich überlegte mir wie ich doch noch zu meiner Dosis Flo kommen könnte
und beschloss ihn zu suchen und nochmal auf seinen Fortbildungsbeitrag anzusprechen. Ich fand ihn im Aufenthaltsraum, wo er gerade mit
ein paar anderen Leuten saß und ich sagte ihm, dass ich ihn
erstmal für November eingeplant habe. Das sei ok und er habe auch schon Ideen
für die Umsetzung. Und dann wäre ja da noch die Referentenbeschreibung,
verwickelte ich ihn weiter ins Gespräch. "Denk Dir was aus." sagte er
grinsend. Er flirtet definitiv mit mir, aber er flirtet mit allen! Ich
entgegnete, dass ich dazu ein bisschen mehr über ihn wissen müsse. Was ich mir
denn so vorgestellt habe fragte er mit exponentiell steigendem Grinswert. Seine private
Telefonnummer, seine Hobbys und Vorlieben, was er so denkt, was sein Herz
begehrt, was ihn an Frauen interessiert, ob ich ihn interessiere ... stellte ich
mir als Antwort auf seine Frage vor. Seit wann er arbeite usw. antwortete ich. So erfuhr ich,
dass er seit 2003 in seiner Spezialisierung tätig ist. Wir
beschlossen, dass es besser klingen würde, wenn wir einfach
"langjährig" schreiben. Und das wars dann auch. Ich hatte mir meine
Dosis Flo abgeholt, war nun in guter Stimmung und zog wieder ab. Das hat schon
was von einem Methadon-Substitutionsprogramm. Wobei, wo ist hier die
Substitution? Ich bediene mich doch eindeutig an der Droge selbst.
Später ging er wie so viele Male nochmal an meinem Zimmer vorbei, doch dann hielt er inne, kam zurück und
HEREIN! Umso schöner weil es 1. überraschend war und 2. von ihm ausging. Er
hatte keinen bestimmten Grund, fragte nach meinen Plänen für den Nachmittag und was ich am Computer mache. Unglücklicherweise aktualisierte ich gerade
eine total zwangsgestört aussehende Excel-Datei, aber das dürfte ihm ja bei
seinen zwanghaften Ambitionen bekannt vorkommen. Er entdeckte meinen
Zeitungsartikel mit dem Riesenbild von mir an der Pinnwand und betrachtete und lass ihn aufmerksam mit der
Bemerkung durch, dass er das ja gar nicht wusste. Und dann kokettierte er mit
seiner eigenen Rechtfertigung, dass er ja schließlich im Urlaub gewesen sei.
Aha! Geht er also doch auf meine Zwischentöne ein und greift den mittlerweile
Running Gag zwischen uns auf? Ich gerate mehr und mehr in die Lage, nur noch
reagieren zu können, weil ich in seiner Gegenwart einfach einen Knoten im
Gehirn habe und wie gelähmt bin. Es ist scheußlich, aber es ist so. Ich würde mir gerne schlagfertige
Wortspiele mit ihm liefern. Danach fallen mir immer die besten Sachen ein, aber
in seiner Gegenwart bin ich wie blockiert.
Auf
seiner Erlebnistour durch mein Büro entdeckte er wieder mein Buch "We are what we do" auf dem Schreibtisch, dass ihm schon einmal ein schlechtes Gewissen beim Kauf von Plastiktüten beschert hatte. Coolerweile kam ich trotz Knoten im Gehirn auf die Idee,
es ihm mitzugeben und schlug ihm das sofort vor. Er nahm das Angebot vorsichtig
an, "aber nur übers Wochenende." Ob ich die verschiedenen Abbildungen
der zwei badenden Männchen gesehen habe? Zwei Männchen probieren in der Wanne
alle möglichen Stellungen aus, um Wasser zu sparen. Schon etwas anzüglich. Wir amüsierten
uns darüber. Oder war das eine Anspielung? Oder einfach nur Zufall? Ich kann
das bei ihm schlecht einordnen. Bei mir setzt wirklich die Großhirnrinde aus,
wenn ich ihm begegne. Wenn ich nur daran denke, fange ich schon wieder leicht
an zu hyperventilieren.
Okay, wie kann ich mich ablenken? Was bedeutet wohl das A. in „Dr. Florian A. Mollis“? Vornamen mit A:
Andreas
Ansgar
Alexander
Albert
Albert
Artus
(und die Ritter der Tafelrunde)
Adonis
(hihi)
Adalbert
(bestimmt)
Ach...
Atemberaubende Augenblicke mit einem
Atemberaubende Augenblicke mit einem
Außergewöhnlich
attraktiven Arzt, den ich
Anmutig
anbete.
Ach…
Fazit: Meine Ablenkungsversuche sind nicht zielführend. Ich kann und ich will mich nicht ablenken. Das fällt wohl in die Kategorie Obsession. Und doch macht das doch alles keinen Sinn. Wo soll, wo kann das hinführen? Ich sollte es - das Gefühl - solange genießen wie es geht (Vor allem bis zum Freitag, an dem unser Klinikjubiläum gefeiert wird.) und dann
Abstand zu ihm - Flo A. - halten und die Hände von ihm lassen. Irgendwas sagt mir, dass das nicht gut gehen kann. Ich habe mir nochmals überlegt wie viele
Menschen ich mit meiner Wahrheit verletzen würde. Ganz zu schweigen von dem
ruinierten Arbeitsklima. Bei meinen ausführlichen Schilderungen über Flo, unsere Begegnungen und meine Gefühle dazu könnte der Eindruck entstehen, dass ich ganz skrupellos und abgebrüht bin. Aber ich kann Euch versichern, dass ich einen stetig wachsenden moralischen Rucksack mit mir herumtrage. So schwer, dass es mich bald zerreisst. Ich bin eben nur ein Riss im Glas, der schwer bis gar nicht zu erkennen ist. Weder für Konstantin, noch für Flo.
Schwere Grüße,
Eure Eva
"Cause I'm only a crack in this castle of glass
Hardly anything there for you to see."
Hardly anything there for you to see."
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Schwere Grüße,
Eure Eva
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