Mittwoch, 16. Oktober 2013

Unverhoffte Schokolade



Liebe Mathilda,

was ist besser als ein gutes Stück Schokolade? Ein unverhofftes, gutes Stück Schokolade!

Gestern war ich davon ausgegangen, dass Flo heute zu einer Fortbildung gefahren ist, aber schon als ich heute morgen auf die Arbeit fuhr, kamen mir erste Zweifel. Wie kam ich bloss auf Fortbildung? Schließlich hatte er es mir gegenüber nicht erwähnt oder sich sonst irgendwie verabschiedet (nicht dass das jetzt ein Kriterium wäre), jedoch stand im elektronischen Kalender groß und breit: "OA Dr. Mollis zur Fortbildung". Ich tat die Zweifel als Nicht-Wahrhaben-Wollen ab, und war umso überraschter, als ich sein Auto bereits auf dem Parkplatz sah. Und das auch noch andersherum als sonst eingeparkt. Kombiniere: Er ist unter Zeitdruck. Das regelt in wunderbarer Weise meine Erwartungen wieder herunter, denn er wird keine Zeit für Unterhaltungen über seinen fortschrittlichen Großvater haben. Um so besser, wenn die heruntergeschraubten Erwartungen dann übertroffen werden.

Als ich Flo im Konferenzsaal treffe, sehe ich, dass er dieses kleinkarierte Hemd trägt. Ist er ein kleinkarierter Typ? Sexy ist das nicht gerade und es passt demzufolge so gar nicht in mein Bild von ihm. Hatte er letzte Woche auch schon mal an. Oder hat er noch schlimmer etwa mehrere davon? Ich setze mich wie gewohnt neben ihn. Da lassen sich die Karos und überhaupt alles besser ertragen. Er wendet sich zu mir und frage mich, bezogen auf die DVD, die ich ihm geliehen habe, wann ich sie denn nun zurück bräuchte. Wir erinnern uns, dass ich ihn neulich auf dem Flur daran erinnert hatte. Ich verhaspele mich etwas in meinen Worten (war mir plötzlich über die Grammatik meines Satzes nicht mehr sicher), bringe dann aber heraus, dass meine Klientin, der ich den Film ihrerseits zurückgeben müsse, in 2 Wochen wieder einen Termin bei mir hätte. Ok, der Zeitraum ist damit vorgegeben und nun liegt es an ihm, mir den Film zurückzugeben. Ich kreiere bereits romantische Vorstellungen davon wie er Kontakt zu mir aufnehmen könnte, um mir den Film zu bringen. Ich freue mich immer, wenn er aus irgendeinem Grund Kontakt zu mir aufnimmt. Romantische Vorstellung hin oder her, wahrscheinlich liegt die DVD irgendwann in den nächsten Tagen ganz profan in meinem Postfach. Er meint nachdenklich, dass er es vermutlich bis dahin nicht schaffen wird, den Film anzuschauen. Ich schmelze dahin, denn er der arme, arme Kerl hat mein ganzes Mitgefühl dafür, dass er es nicht schafft, sich einen Film anzuschauen. Das zeigt nur einmal mehr, dass ich "depressofin" bin. Ich frage mich, was ihn gerade so in Zeitnot versetzt, dass er es in 2 Wochen nicht schafft, einen Film anzuschauen, den ER anschauen wollte (ich habe ihm das ja nicht eingeredet). Aber warum frage ich das nicht ihn als schon wieder halbausgegorene Spekulationen über die Ursache anzustellen? Stattdessen sehe ich ihn verständnislos, grenzdebil und verliebt an. Das Karo-Hemd ist ausgeblendet und ich sehe nur noch seine Augen. Und er macht mit. Dadurch bringe ich ihn ungewollt in die Lage, sich zu rechtfertigen. Zum Glück funktionieren bei mir noch ein paar Reflexe auf Rückenmarksebene (Kortex scheint ja ausgeschaltet) und ich fange an zu grinsen. Das löst seine Spannung etwas auf und er muss sich nicht mehr rechtfertigen.

Alles in allem also eine unverhoffte, erwartungslose Begegnung, was sie umso besser macht. Wie eine überraschende Schokolade, in die ich wohl gerne mehr Zutaten gegeben hätte.

Liebe Grüße von Eva

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