Mittwoch, 2. Oktober 2013

Die Suche nach der Handlungsfähigkeit

Liebe Mathilda,

wie gehts Dir? Hat Dich die Erkältung erwischt?

ja und heute war also mein letzter Tag mit F. in dieser Woche. Nur doof, dass ich ihn mit dem Rest der Klinik teilen muss und er völlig vielbeschäftigt als wiedermal einziger Arzt hier zwischen Sprechstunde, OP und Station hin- und herhechtet. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es hier von allem mehr gibt als Ärzte. Mhh! Kann aber auch rein subjektiv und sehnsuchtsvoll gefärbt sein. In meiner Sehnsucht hatte ich mir Deine Worte zu Herzen genommen und fand es total einleuchtend, dass ich aus der Hüfte kommen und wieder kommunikativer werden muss. Ich stellte mir also die Aufgabe, meine unbemerkt verlorengegangene Handlungsfähigkeit wiederzufinden. Und wenn man sich so etwas vornimmt, lauert man natürlich auf Begegnungen, in denen man es erproben kann.

Meine einzige und sehr schöne Begegnung mit Flo fand gleich ganz früh am Morgen statt. Ich bin gerade auf dem Weg zur Morgenbesprechung als ich bemerke, dass ich mein Telefon vergessen habe. Ich gehe freudig zurück, weil sich so die Chancen erhöhen, ihn zu treffen. Vielleicht war die ganze Telefon-Vergess-Aktion ja auch ein unbewusster Wunsch, ihn zu treffen? Ist nicht ALLES nur ein Wunsch, ihn zu treffen? Und dann kommt es tatsächlich dazu: Als ich umkehre und wieder in das Gebäude hineingehe, kommt Flo gerade von der anderen Seite herein. Bewaffnet mit einem Kuchen und seinem schnuckeligen, morgendlich frischen Aussehen (und wenn ich "Waffe" sage, meine ich WAFFE und eigentlich nicht den Kuchen). Er sieht aus wie ein gut gestylter Werbe-Womanizer mit einem verboten schönen Blick. Ich halte ihm die Tür zur Station auf und wir treffen im Vorraum echt choreografiemäßig aufeinander. Dabei schaffen wir es irgendwie, dass wir die Seiten wechseln. Hat was von einem Tanz. Dabei sage ich gespielt begeistert und breit grinsend:

Eva: "Hey, Du auch mal wieder hier." Übersetzt: "Boah, ich hab mich echt schon die ganze Woche auf Dich gefreut und will mit Dir flirten, flirten, flirten." 

Er grinst zurück und sagt:

Flo: "Ja, aber nur kurz." Übersetzt: "Ich bin nur noch heute da, hab wahnsinnig viel zu tun und da wird es wohl nichts mit flirten, flirten, flirten."

Wegen mir auch kurz. Alles, was Du willst. Und ich bin stolz auf mich, dass ich locker und humorvoll Kontakt zu ihm aufgenommen habe. Es ist ein Anfang, um wieder dort hinzugelangen wo ich mit ihm schon mal war. Wenn ich in meinem eigenen Blog lese wie dies und das nochmal war, werden zwangsläufig Emotionen aktiviert! Es ist da, und ich lese wie schön und prickelnd es mal zwischen ihm und mir war. Und da will ich wieder hin. Wusstest Du, dass er sich mir gegenüber tatsächlich mal eingestanden hat, dass es zwischen uns "mehr als nur sich-gut-verstehen" (seine Formulierung!) ist. War mir völlig entfallen. Okay, jetzt habe ich mich durch meine Aufzeichnungen daran erinnert, was aber nichts an der aktuellen Situation ändert. Ich war jedenfalls heute morgen motiviert, es einfach mal wieder locker angehen zu lassen. Dein Kommentar zu meinem letzten Beitrag hat mir auf jeden Fall dabei geholfen. Ich habe sogar zwischendurch seinen Namen gerufen (gerufen ist vielleicht übertrieben, habe ihn wohl mehr gehaucht als er an meiner Tür vorbeiging, weil ich eine Frage hatte). Er hats vermutlich nicht gehört. War auch gerade auf dem Weg zwei Zimmer weiter zur einzigen Assistenzärztin, die da mit einer Kreislaufdysregulation lag. Da muss er natürlich ganz rettermäßig hin! Und überhört seinen Namen hauchende Therapeutinnen. Vielleicht sollte ich mir auch mal so eine Kreislaufdysregulation zulegen. Im viktorianischen Zeitalter war das sogar schick. Und überhaupt sollte ich öfter seinen Namen sagen: Flo, Florian, FLORIAN. Das lässt sich auch gut ans "Guten Morgen" und Tschüß" anhängen. Das befreit und führt dazu, dass er mich hören muss. Ich weiß nicht, was ich mit seinem Namen habe? Florian ist in meinen Augen nun wirklich kein erotischer Name (bis mir dieses Exemplar von einem Florian begegnete und die Weltsicht über Florianse veränderte). Oder hast Du Dir jemals einen Geliebten mit diesem Namen gewünscht? "Florian" heißen doch eher die Bauern bei "Bauer sucht Frau" oder vielleicht die Schlagzeilenträger der Bildzeitung mit schwarzen Balken über den Augen: "Florian M. aus K. - Opfer nach dem Komasaufen".
Mit diesen Überlegungen könnte ich wohl noch eine ganze Weile weitermachen. Einzig, weil ich meine Handlungsfähigkeit heute in keinen weiteren Situationen bewähren konnte und weil dieses Überlegen und das Schreiben wenigstens etwas ist, was mit ihm zu tun hat.

Lockere Grüße,
Eva

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