Donnerstag, 12. September 2013

Vom Geben und vom Nehmen


 Liebe Mathilda,
ich wünsch Dir alles Liebe und nur das beste zu Deinem Geburtstag. Du bist einer der wunderbarsten Menschen, die ich kenne. Du hättest es wirklich verdient, glücklich zu sein. 

Das war ein cooles Gefühl gestern, so mit um sich selbst kümmern und  es ist wie es ist. Und doch ist es so verdammt schwer, mein Interesse für Flo abzustellen: Er parkt doch tatsächlich kurz vor mir ein. Ich beeile mich beim eigenen Einparken, ramme fast ein anderes Auto, aber als ich aus dem Auto steige, sehe ich ihn nur noch von hinten. Hab wegen ihm fast einen Unfall gebaut und er wartet nicht mal. So ein Mistkerl denke ich. Oder hat er mich nicht gesehen zweifle ich. Allein, dass mich das so beschäftigt, jede einzelne kleine Situation, raubt mir so viel Kapazität, die ich doch gut woanders verwenden könnte. Aber es ist lebendig. Es fördert bei mir Reaktionen hervor, die ich nie von mir erwartet hätte. Sie führe ich also eine innere Diskussion mit mir selbst als ich den Weg entlanggehe, den Flo 20 Sekunden zuvor beschritten hat, und atme unweigerlich seinen Duft. Schön und scheiße kann ich da nur sagen.
Im Besprechungsraum sitzen wir nebeneinander und er spricht mich von der Seite und ohne Einleitung an (so etwas unbeholfen, als hätte er sich erst ein gebürtiges Thema überlegt, mit dem er mit mir in Kontakt treten könnte). Er fragt nach dem Stand der Bewerbungsgespräche, die ich nun - da aus dem Urlaub zurück - mit dem Chef weitergeführt habe. Er ist über die weiteren Kandidaten informiert und fragt:
Flo: "Wie war das Bewerbungsgespräch mit Miss Überflieger?"
Miss Überflieger - die zweifach dissertierte (sagt man das so zum einem Doppel-Dr.?) und dreifache Weltmeisterschaftsteilnehmerin im Klettern! - war wie anzunehmen eine Wucht. Ich schaue ihn an, sehe seinen 4-5 Tage-Bart (Was ist da nun wieder passiert?) und sage zu ihm:
Eva: "...Sie würde schon gut passen, taxiert aber wegen der geringen Wochenstundenzahl."
Flo erkennt sofort grinsend:
Flo: "Ah, Du müsstest also was abgeben?"
Er lacht und trifft damit ins Schwarze. Ich stimme mit ins Lachen ein und gebe ihm recht. Das überlege ich die ganze Zeit. Wieviele Stunden möchte ich arbeiten. Wieviele Stunden will ich hier bei Flo sein, was natürlich umgekehrt die Stunden bestimmt, die ich privat zur Verfügung habe. Wieviele Stunden muss ich arbeiten, damit wir finanziell das schultern können, was wir vorhaben. Und nicht zuletzt: Möchte ich Miss Überflieger vor der Nase haben? So perfekt wie sie ist, kann das ja auch heißen, dass sie mich in den Schatten stellt. Obwohl, das geht ja gar nicht... Abgeben? Abgeben. Ist das das eigentliche Thema? Ich dachte, ich kann ganz gut abgeben. In meiner ganzen Sinnfindungskrise schien mir das sehr einleuchtend. Geben ist schöner als Nehmen. Und wenn es um Geld oder materielle Dinge geht, bin ich auch ziemlich schnell dabei zu geben. Wenn die Grundbedürfnisse gesichert sind, bin ich nicht diejenige, die sich Gedanken darum macht, ob eine Geburtstagsparty 200 € kostet. Aber wenn es an die wirklich wichtigen Bereiche geht wie z.B. die Zeit, die ich mit meinen Lieben habe, die Zeit, die ich auf der Arbeit mit Flo habe, wird es schon schwieriger. Und davon - da bin ich mir jetzt nach meiner inneren Diakussion ziemlich sicher - will ich nichts abgeben!
Das alles geht mir durch den Kopf während Flo schönen Blickkontakt hält. Er ist sehr zugewandt und interessiert an allem was ich sage. Ja, ich rede trotz meiner internen Denkprozesse weiter. Frauen können so etwas. Eine Ärztin sucht noch Läufer für einen am Wochenende stattfindenden Staffellauf. Flo ist vermutlich auch dabei. Ich halte mich zurück, brauche solche Aufregung wie beim Staffellauf im Juni jetzt nicht. Trotzdem laufe ich selber weiter. 2mal die Woche bin ich Joggen und habe mich angemeldet für den Spätsommerlauf am Wochenende. Zwischen mir und Flo scheint es äußerlich "normal" und etwas langweilig. Er lacht über meine Scherze. Ich bin heute gut drauf. Als wir alle aufstehen, greift er sich meine leere Kaffeetasse, um sie wegzubringen. Die anderen lässt er stehen. Was hat das nun wieder zu bedeuten? Er räumt meinen Dreck weg, weil er sonst nichts für mich tun kann? Vermutlich bedeutet es rein gar nichts. So langsam möchte ich auch, dass mir das einfach egal ist. Ich arbeite dran.
Liebste Grüße,
Eva

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