Montag, 29. Oktober 2012

Easier than breathing

Schreiben hilft. Und mit Mathilda reden hilft auch. Manchmal ist das für mich wie ein einziger großer Selbsterfahrungstripp. Ich komme an meine Grenzen und gehe gestärkt daraus hervor. Heute war ich mutiger als sonst. Habe ihm mehr als sonst von mir gezeigt und mehr aus ihm herausbekommen. Und ... er hat mir am Freitag auf meine mail geantwortet. Hat sich bedankt und mir und ein wunderschönes Herbstwochenende gewünscht. Er bewegt sich auf mich zu, wenn ich es auch tue! Eine wichtige Erkenntnis, die ich nutzen sollte solange ich mutig bin. Mir darüber bewusst seiend, dass diese Phase auch vorübergeht, stelle ich hiermit fest, dass ich ihm wohl bald die Wahrheit sagen werde!
Es könnte alles so einfach sein. Es ist einfach! Life is simple...



Wir begegneten uns heute zuerst als wir in den Konferenzsaal gingen. Ich kam von rechts und er mit einigen Ärzten - keine Ahnung wer dabei war - von links. Wir lächelten uns an und begrüßten uns. In mir schrie nur alles "Da ist er!" Was für eine alberne Feststellung! Natürlich ist er da und das war jetzt auch nicht so unerwartet, aber für mich ist es ein Hype als würde Lady Gaga dort stehen. Ja, nur Lady Gaga kommt nicht an ihn heran. Ich richtete es irgendwie so ein, dass er zuerst um den Tisch herumging, um sich zu setzen. Blieb vor dem Spruch an der Pinnwand stehen "Lassen Sie mich Arzt, ich bin durch." Was für ne selektive Wahrnehmung ich in meinem Liebeswahn habe. Amüsiert darüber gingen er und ich um den Tisch herum. Er zögerte sich zu setzen. Ich zögerte auch und wartete, was passiert. Dann wollte er sich der alten, informellen Sitzordnung zufolge rechts hinsetzen, wobei ihm auffiel, dass "wir das ja mal aufweichen wollten." Er stand dann in dieser entscheidenden Sekunde kurz hinter mir und schob mich seine Hände auf meine Schultern legend sanft nach rechts und damit auf seinen informellen Platz. Er berührte mich an den Schultern! Wir haben uns für den Bruchteil einer Sekunde an noch viel mehr Stellen als den Schultern berührt. Vor Körperkontakt scheut er sich offensichtlich nicht. Ich bekam ein innerliches Hochgefühl und setzte mich auf den rechten Platz. Das war geschafft. 
Nach dieser eher nonverbalen ersten Phase fragte ich ihn sogleich wie sein Wochenende gewesen sei. Mathilda meinte ja, ich müsse mein Interesse nur in Fragen formulieren, was ich ja in meinem post letzte Woche ausgiebig geübt habe. Einfach immer weiter fragen. Und es funktionierte. Er erzählte mir, dass er auf einer Fortbildung gewesen war und das Wochenende deswegen sehr kurz gewesen war. Und dann sei er gestern mit dem Auto unterwegs gewesen und plötzlich hätte es so komisch gerattert. Und ich so "Oh, ach echt?" Und er erzählte einfach immer weiter. Es war wirklich so wie Mathilda gesagt hatte. Er kam nicht mal zum Schluss als die Besprechung begann, so dass wir wie ein paar Schulkinder im Unterricht quatschten. Wieso kriege ich nur immer solche Teenagerfantasien bei ihm? 
Wir verabschiedeten uns dann früher aus der Besprechung, um auf die Station gehen zu können. Und auf dem Weg dorthin fragte ich wie es mit seinem Auto weiterging. Es stellte sich heraus, dass einer der gerade aufgezogenen Winterreifen locker geworden war. Zugegeben jetzt nicht das romantischste Thema, aber das Gespräch war im Fluss. Er erzählte wie er versuchte es selbst festzuziehen, aber keinen entsprechenden Schlüssel zu Hand hatte. Wie er den ADAC gerufen hatte und dass "Laura" heute erstmal Ärger in der Werkstatt machen würde, die die Reifen gewechselt hatte. Er redet oft von seiner Frau, obwohl es das erste Mal war, dass er ihren Namen so ganz vertraut in einem unserer Gespräche nannte. Er redet wahrscheinlich auch oft mit seiner Frau. Wann macht er das bloß alles? Egal! Bald darauf fragte er mich wie mein Wochenende war und ich erzählte ihm von dem Seminar, was ich gegeben hatte, und blendete so ziemlich alles Private aus, was einfach zu gefährlich gewesen wäre. Ich fühle mich einfach sehr wohl in seiner Nähe. 
Später saßen wir in einer weiteren Besprechung zusammen. Ich steuere etwas bei. Er fragt mich etwas. Wir sehen uns in die Augen. Ich versinke in seinen, so sanft und so durchdringend zugleich, dass ich denke: "Der muss doch einfach was merken!" Ich war sehr glücklich heute morgen, weil ich einfach in seiner Nähe war und mit ihm geredet habe. Und er sucht auch meine Nähe. Er kommt auf mich zu und fragt, ob ich schon bei einer bestimmten Klientin gewesen bin. Und das obwohl wir erst kurz vorher besprochen hatten, dass ich zu ihr erst im Laufe des Tages gehen werde. Vielleicht sucht er auch nach Gründen mit mir zu reden. Ich tue es jedenfalls! Gründe suchen meine ich. Ich begegnete ihm auch gleich wieder als ich dann tatsächlich mit der Klientin gesprochen hatte, um ihm alles brühwarm zu erzählen. Es war so eine leichte Stimmung, in der wir beide nur lächeln konnten. Ich rückte näher an ihn heran, um den Bildschirm vor dem wir beide saßen besser sehen zu können. Na was denn? Schließlich hat er noch viel geringere körperlich Grenzen, so wie er manchmal auf die Leute zugeht. Es war einfach nur schön. Ich lobte ihn wegen irgendwas und er freute sich darüber. Wie Mathilda sagte, immer schön streicheln und loben, dann sind alle Jungs zufrieden. 
Nun ja, so war es heute ein sehr erfüllter Tag, der mich trotzdem nicht davon abbringt, ihm die Wahrheit zu sagen. Und das möglichst bald. Nur, wann ist der richtige Zeitpunkt. Ich wollte noch warten bis ich meinen Vortrag gehalten habe und eine gute, aufgelockerte Atmosphäre ist wäre schön, um so etwas zu besprechen. Nennt mir die Atmosphäre, die gut ist, um so etwas zu besprechen. Ich muss ihn sowieso vorwarnen, dass ich ein Problem habe, was ich gerne mit ihm unter vier Augen besprechen würde. Und dass es nicht dringend ist, nur einfach wenns mal passt. Nein der letzte Halbsatz ist blöd und macht mich klein. Dass es nicht dringend ist, aber wichtig und ein bisschen Zeit braucht. Viel besser die Formulierung. Dann kann er schon mal selber überlegen (und Angst kriegen?) und schauen, wann und ob er sich darauf einlassen will. Ich muss mir noch überlegen, was ich von ihm erwarte. Erstmal gar nichts. Aber das ein anderes Mal.

Freitag, 26. Oktober 2012

Wie sag ichs ihm und warum?

Ach Florian! 
Ich habe mich wirklich sehr sehr sehr hineingesteigert in meine Verliebtheit, von der Du wahrscheinlich immer noch nichts weißt. 

Ich glaube ich leide unter Bluthochdruck oder zumindest unter Tachykardie. Ich spüre es körperlich, die Anspannung, die Aufgeregtheit. Die Schmetterlinge hindern mich am Essen. Es ist alles durcheinander. Ich sitze vor seinen Bildern von der Jubiläumsfeier, die ich mir mittlerweile besorgt habe. Wir sind auch zu zweit drauf, beide lächelnd, ein schönes Paar. Ich werde noch verrückt! Es ist schon komisch, dass gerade er - eine noch kontrolliertere Version von mir selbst - diesen Kontrollverlust in mir auslöst.


Am Donnerstag - gestern - hatte ich meine Anfahrt zur Arbeit so gut getimed, dass er direkt hinter mir in die letzte Kurve fuhr. Er telefonierte und sah mich nicht. Vielleicht sollte ich beim nächsten mal irgendwie auf mich aufmerksam machen? Ich schaffte es immerhin, dass wir uns beim Aussteigen auf dem Parkplatz trafen. Er wartete auf mich als er mich sah (im Gegensatz zu mir, wo ich ja so manches mal Fluchttendenzen entwickle). Er fragte mich sofort nach der Begrüßung wie es mir geht. Ich natürlich "Gut". Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal ehrlicher sein? Ich fragte nach seinem Mittagessen, dass er in einer Dose verpackt in der Hand trug. Geistreicher als "Wassermelonen" war das wirklich nicht. Wir redeten noch etwas übers Essen und gingen zusammen hinein. Bevor jeder in seiner Richtung verschwand, fragte er noch, ob wir heute zusammen Visite machen würden. Mathilda meint, dass er verzweifelt versuche, Kontakt zu mir aufzunehmen, aber nicht durchkommen würde. Können wir ihr das glauben? Wirklich? Und wenn er das versucht, bin ich völlig gaga. 
Wir machten schließlich eine schöne Visite, waren lange bei einer Patientin, die schrecklich viel weinte. Wir führten zusammen ein Gespräch mit ihr, weil es sich so ergab. Wir schauen uns an und verstanden uns ohne Worte. Warum sollte das auf der persönlichen Ebene anders sein?

Heute dann, kam es während der morgendlichen Besprechung zu unserer ersten Begegnung. Ich variiere aktuell mit den Plätzen, auf die ich mich setze, um die informelle Sitzordnung etwas aufzuweichen. Auch etwas, was ein Plan von ihm und mir ist. Meine Beobachtung: Er setzt sich jeweils um mich herum, mal links, mal rechts, je nachdem wo ich mich hinsetze. Er ist so ein aufmerksamer Mensch. Er muss das registrieren, sagt aber nichts dazu. Er riecht so gut. Und er ließ gestern und heute seine Bartstoppeln stehen. Und er steckte in so einem schnuckeligen Rollkragenpullover. Ich liebe das. Er sieht so sexy darin aus. Ich kann ihn kaum ansehen, tue es aber trotzdem und erkläre ihm seelenruhig, was ich mit einer Patientin besprochen habe. Er lächelt und bedankt sich. Unsere Besprechung ist beendet. Ich gehe zurück in mein Büro, er entschuldigt sich, dass er nicht in meine Richtung muss. Hääh? Ich denke an ihn während meiner Therapien, während ich durch den Garten gehe, während ich mit anderen spreche, während ich mir Mittagessen hole. Ich bin immer auf der Flucht: zu ihm hin und von ihm weg. Ich traf ihn heute nochmal in großer Runde im Aufenthaltsraum. Ich hatte mir ausgedacht wie ich ihn vor dem Wochenende nochmal treffen könnte. Ich wollte ihm noch Geld für das Geschenk geben, dass er für eine Kollegin besorgt hatte. Leider wünschte er mir schon im Gehen begriffen ein schönes Wochenende. Ich musste also sofort reagieren, konnte nicht auf ein späteres Telefonat hoffen. Ich sagte "Warte mal, ich wollte Dir doch noch das Geld für das Geschenk geben." Er sofort bereit dazu, nur leider zu viele Menschen drumherum. Ich möchte so gern mit ihm allein sein. Ich sagte "Ich würde nur gerne kurz aufessen und dann..." und dann sagte er, dass er den Umschlag mit dem Geld einfach in seinem für alle zugänglichen Postfach liegen lassen würde und ich könnte das Geld dann da rein legen. Na diese Anbahnung eines Treffens war ja mal richtig schief gegangen. Ich legte ihm später das Geld rein und versuchte ihn unter einem Vorwand nochmals anzurufen. Ich hätte gefragt, ob er zufällig mein Buch dabei hatte. Ich hätte es für das Seminar brauchen können. Ich versuchte es 3mal. Mit Herzklopfen bis zum Hals. Es war immer besetzt. Da dachte ich mir, es soll nicht sein und schrieb ihm eine mail mit dem Wortlaut: "Lieber Florian, ich habe Dir das Geld in Dein Fach gelegt. Liebe Grüße und ein schönes Wochenende, Eva." Das war ja nun sehr nett und auch ein bisschen mutig von mir, aber auch sehr unverbindlich. Ich bin gespannt, ob er geantwortet hat. Als ich die Klinik heute verließ, hatte er es noch nicht getan.



Warum merkt er eigentlich nicht, dass ich total in ihn verknallt bin? Ich bin wirklich verzweifelt. Es ist nicht mehr nur schön! Auf der Autofahrt habe ich wieder überlegt, dass ich ihm irgendwie zeigen muss, dass ich mehr von ihm will. Ich hätte nicht wenig Lust, ihn zu provozieren, wo er doch so interessiert an psychologischem Input und zwischenmenschlicher Dynamik ist. Aber was nur? Ich muss ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Ich muss auf die private Ebene gehen, vor der ich mich so fürchte. Wovor fürchte ich mich eigentlich so, mal abgesehen davon, meine kleine Familie zu zerstören. Daran mag ich jetzt gar nicht denken. Wovor fürchte ich mich noch? Hier meine Top-7-Ängste:


1. Dass unser tolles Arbeitsverhältnis kaputt geht, wir nicht mehr unbefangen miteinander umgehen können. Ich für meinen Teil kann das ja schon lange nicht mehr. Kann es noch viel befangener werden, wenn er weiß, was ich schon die ganze Zeit weiß?

2. Dass er mich abweist. Das wäre immerhin möglich. Aber wie würde er das tun? In dem ganzen Gefühlschaos wäre eine "schöne" Abweisung auch nicht das Schlechteste. Vielleicht könnte ich dann auch nicht mehr unbefangen mit ihm umgehen. Und wenn schon, warum muss ich das alles allein aushalten?

3. Dass er wütend wird. Ich habe ihn noch nie wütend gesehen. Und warum sollte er auch wütend werden, wenn ich ihm meine Gefühle gestehe? Das ist eine völlig konträre Reaktion. Wenn mir jemand seine Liebe gestehen würde, würde ich mich geschmeichelt fühlen, Verständnis und Mitleid für ihn empfinden und ihn dann sanft, aber bestimmt abweisen. 

4. Dass er mich kleinmacht. Warum sollte er nach meinen Enthüllung an meinen fachlichen Fähigkeiten zweifeln? Er könnte mich schon damit erpressen, aber ist das seine Art?

5. Dass er damit angibt. Kann ich ihm vertrauen? So wie ich ihn bisher kennengelernt habe, ist er sehr vertrauenswürdig, höflich, diskret. Ich glaube nicht, dass er mit dieser Nachricht hausieren gehen würde. Und schon gar nicht damit angeben.

6. Dass er tratscht. Siehe angeben. 

7. Dass ich mich lächerlich mache. Da kann ich nur sagen: Lächerlich macht sich der, der nicht zu seinen Gefühlen steht. Nach dem Holstee Manifesto "All emotions are beautiful."

Was ich von ihm als Reaktion fürchte, ist glaube ich eher mein eigenes Problem als sein Charakter. Natürlich kenne ich ihn nicht so gut, aber ich denke schon, dass er diskret sein würde, dass er es mir feinfühlig beibringen würde, wenn es keinen Sinn hat. 
Und die anderen? Ich muss es so arrangieren, dass ich mit ihm allein bin. Das dürfte nicht allzu schwer sein. 
Was könnte ich ihm denn nun konkret sagen?  Ich könnte ich ihn fragen oder ihm sagen:  

"Ich habe das Gefühl, dass es irgendwelche Spannungen zwischen uns gibt. 
Nicht bei der fachlichen Arbeit, sondern im Zwischenmenschlichen..." 

Na das klingt ja mal echt blöd. Nächster Versuch:  

"Vielleicht ist Dir aufgefallen, dass ich in Deiner Gegenwart nicht so locker sein kann. 
Wenn Du nett bist, verrate ich Dir warum." 

Oh Gott, was für ein Müll. 

"Flo, so geht es nicht weiter..." 

Echt krank!  

"Ich habe da ein Problem. Ich finde es wirklich toll wie wir zusammenarbeiten. Ich fühle mich von dir in meiner Arbeit anerkannt und sehr wertgeschätzt und dies wirkt sich auch auf meine Arbeit positiv aus. Auf der fachlichen Ebene funktioniert es wirklich super, nur leider und auch Gott sei dank bestehe ich nicht nur aus Professionalität. Ich habe das nicht geplant oder mir jemals vorstellen können, aber es ist passiert. Und ich versuche, es mir seit mehreren Monaten aus dem Kopf zu schlagen, weil es meiner Ansicht nach einfach nicht geht. Aber das funktioniert nicht. So muss ich Dir jetzt, auch auf die Gefahr hin, dass ich damit unsere gute Arbeitsbeziehung zerstöre, sagen, dass ich Dich etwas zu sympathisch finde. Ich habe beschlossen, Dir das zu sagen, weil das immerhin einen großen Teil in meinem Hirn einnimmt und ich das nicht mehr nur allein aushalten kann / will. So, nun ist es raus. Was meinst Du dazu?" 

Ich weiß nicht, ja, klingt ganz okay, aber vielleicht sollte ich zunächst doch auf der flapsigen Ebene bleiben. Zunächst? Wie lange ist das? Und flapsig? Flirtend? Und er rafft es dadurch noch immer nicht. Dann lieber doch direkt. "Ein bisschen zu sympathisch" ist eigentlich ne gute Formulierung. Ist nicht gleich so überfrachtet mit Liebe und so. Vielleicht fällt mir noch was besseres ein. Muss ich mal überlegen. Ich denke jetzt fast, es wird mir besser gehen, wenn es endlich raus ist.

So, nun muss ich aber schlafen. Mein Herzschlag hat sich etwas beruhigt und ich muss morgen ein Seminar geben.

Dienstag, 23. Oktober 2012

Wenn Worte meine Sprache wärn

Ich war am Montag äußerst gespannt wie es sein würde, ihm nach der "Haushaltsgeräteführung" auf unserer Jubiläumsfeier wieder nüchtern und in geordenter Atmosphäre zu begegnen. Aber nichts! Es gab nicht EINE kleine Begegnung! Er war lange Zeit in dem Raum neben mir verschwunden und ich hörte seine Stimme durch die Wand. Ich hatte die ganze Zeit Schmetterlinge im Bauch.




Es wird immer klarer, dass kein Weg daran vorbei führt. Ich muss ihm zeigen, dass ich mehr als nur kollegiale Anerkennung und Wertschätzung für ihn empfinde. Ich muss das anscheinend so oft aufschreiben, damit es in mein Hirn und meine Handlungen übergeht. Heute morgen kam wieder mein Klein-Mädchen-Reaktionsmuster "Zeig ihm bloss nicht, dass Du ihn magst" durch. Ich habe mich den halben Vormittag darüber geärgert, dass ich vom Parkplatz kommend nicht auf ihn gewartet hatte - auf ihn, der gerade aus seinem Auto stieg - und nur ein flüchtiges "Morgen" für ihn hatte und dann entschwand. So nach dem Motto: Lass mich ihm bloss nicht begegnen, dann könnte er noch etwas merken. Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen! Und ich wurde auch noch dafür bestraft. Er war weder in der morgendlichen Besprechung, noch danach auf der Station. Immerhin wusste ich, dass er da war, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er mich nicht ansprechen würde und Abstand hält. Ich weiß nicht, ich leide wahrscheinlich unter Beziehungsdenken und sollte nicht alles mit mir in Verbindung bringen. Vielleicht hatte er auch nur einfach viel zu tun. Vielleicht suchte er aber auch Abstand, weil er doch aus irgendeinem Grund meine Gefühle erkannt hat oder weil ihm sein angetrunkener Zustand peinlich war oder er selbst merkwürdige Gefühle mir gegenüber hat. ...Ja klar, er sucht Abstand und ich interpretiere mir das so hin, dass am Ende was Schönes herauskommt.

Zweite Chance heute: Ich sah ihn allein in seinem Sprechzimmer sitzen als ich daran vorbeiging. Gedankenalarm: "Halt stop! Geh ihm nicht schon wieder aus dem Weg! Neue Chance, die genutzt werden will! ... Was könnte ich ihn fragen?" ist meine nächste Überlegung. Mein Körper drehte sich während dieser Überlegung bereits um und ging zurück zu ihm ins Zimmer hinein. Er war mir sofort zugewandt. Ich setzte mich unbeholfen auf den Stuhl vor ihm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm so gar nichts an mir auffällt. Allein ihm wird ein Hinweis fehlen, es in die richtige Richtung zu interpretieren. Wenn Worte meine Sprache wärn, hätte ich mir dort in seinem Sprechzimmer sitzend nichts aus den Fingern saugen müssen. Ich fragte ihn ... wie es mit Patientin X gelaufen war, die gestern mitsamt ihrer pathologisch verbandelten Tochter seine Sprechstunde gesprengt hatte. "Es war grauselig." antwortete er erschöpft und führte die Situation bereitswillig genauer aus. Er hatte so seine Theorien, was die Dynamik zwischen Mutter und Tochter betraf. Und er sei gespannt, wie mein Eindruck ist, wenn ich morgen mit ihr gesprochen habe. Immerhin sprachen wir miteinander, so richtig einen Satz nach dem anderen. Ich konnte ihn dabei nicht die ganze Zeit anschauen. Das packte ich nicht! Ich schaute ab und zu aus dem Fenster hinter ihm. Nicht gelangweilt, sondern überlegend und ihm zuhörend. Draußen vorm Fenster stand sein Auto, was auch nicht gerade besser war als ihn anzuschauen.  Wo ich auch hinsehe: irgendwelche Dinge, die ich mit ihm in Verbindung bringe.
Wenn wir über fachliche Angelegenheiten sprechen, kann ich dem Gespräch halbwegs intelligent folgen und etwas dazu beitragen. Sobald es um etwas Privates geht, gerate ich ins Stocken. Vielleicht bemerkte er meine Hemmungen und redete deswegen weiter über die Fortbildung letzte Woche, bei der er nicht dabei sein konnte. Und dass wir morgen ja mal die Visite zusammen machen können. Ich natürlich zugestimmt. Und dann stand ich in der Annahme er müsse weiterarbeiten schnell auf. So etwas könnte ich ihn ja auch mal fragen und nicht einfach davon ausgehen. Oder wenigstens so: "Okay, ich nehme an Du musst weitermachen. Bis später." Dann kann er immerhin darauf eingehen und zustimmen oder sagen "Bleib doch." Ja, das wäre schön. Wenn Worte meine Sprache wärn...

Und ich bin wieder an dem gleichen Punkt: Wie zeige ich ihm, dass ich Gefühle für ihn habe? Mathilda meinte ich könnte mir zunächst mal ein paar Fragen überlegen, was mich denn an ihm interessiert und ich gerne wissen möchte. Damit ich in möglichen weiteren Gesprächen nicht immer so unvorbereitet bis völlig gaga bin. Sie meinte, es ist ganz leicht. Ich solle ihn nur immer schön für das Gesagte verstärken, dann würde er gerne weitererzählen. Was interessiert mich also an ihm? Hier mal eine Auswahl aus meinem Fragenkatalog:

  • Was machst Du in Deiner Freizeit?
  • Welche Musik magst Du?
  • Hast Du Dich schon mal in eine Kollegin verliebt? (gefährlich!)
  • Und wenn ja, was hast Du getan?
  • Welche Filme magst Du?
  • Wie sieht Dein Schreibtisch aus?
  • Was ist Deine Lieblingseissorte?
  • Wann hast Du begonnen zu studieren?
  • Wo kommst Du her / bist Du aufgewachsen?
  • Hast Du Geschwister?
  • Leben Deine Eltern noch?
  • Wo hast Du Deine Frau kennengelernt? (Will ich das wirklich wissen?)
  • Worauf achtest Du bei anderen Menschen?
  • Du bist schon ganz gerne der Hahn im Korb, oder?
  • Was bringt Dein Herz zum Schmelzen?
  • Wohin gehst Du mit Deinen Sorgen?
  • Welchen Dektophintergrund hat Dein Computer?
  • Wovon handelte Dein letzter Vortrag?
  • Worüber würdest Du ein Buch schreiben?
  • Was schätzen Patienten an Dir?
  • Was schätzen andere Menschen an Dir?
  • Was schätzen Frauen an Dir?
  • Was schätzen Deine Kinder an Dir?
  • Weißt Du wie Du auf Frauen wirkst?
  • Wohin würdest Du gerne in Urlaub fahren?
  • Was war Dein schönster Urlaub?
  • Was ist Deine wichtigste Eigenschaft?
  • Was kannst Du eigentlich nicht gut?
  • Geht´s Dir gut? / Wie geht es Dir?
  • Wollen wir einen Kaffee zusammen trinken? / Kommst Du mit mir einen Kaffee trinken?
  • Wie genau hast Du die Patientin operiert? Wie hast Du das so toll hinbekommen?
  • Du gehst toll mit den Patienten um. Wo hast Du das gelernt?
  • Welches Buch ließt Du gerade?
  • Welche Musik hast Du zuletzt gekauft?
  • Hast Du Dich schon mal in eine Kollegin verliebt? (gefährlich II)
  • Wie bist Du eigentlich darauf gekommen, Arzt zu werden?
  • Wie lange hast Du überlegt umzuziehen?
  • Was gefällt Dir an anderen Menschen?
  • Hast Du Haustiere?
  • Wann kommst Du an Deine Grenzen?
  • Bist Du zufrieden?
  • Bist Du glücklich?
  • Was hast Du denn nun aus meinem Buch ausprobiert?
  • Was ist Dir bei Freunden wichtig?
  • In welcher Stimmung kannst Du am besten arbeiten?
  • Mit welcher Note hast Du Dein Studium abgeschlossen?
  • Trägst Du Dein Haar schon immer so?
  • Was war das netteste, was Dir ein Kollege / eine Kollegin je gesagt hat?
  • Was machst Du am liebsten mit Deinen Kindern?
  • Gibt´s eigentlich eine schlechte Angewohnheit an Dir?
  • Was würdest Du auf eine einsame Insel mitnehmen?
  • Was würdest Du tun, wenn Du nur noch 3 Monate zu leben hättest?
  • Küsst Du gerne?
  • Was machst Du während der Fahrt auf die Arbeit?
  • Wobei verlierst Du die Kontrolle?
  • Was bringt Dich aus der Fassung?
  • Wurdest Du schon mal operiert?

Ich sehe, mir fallen so einige Fragen ein, die ich ihm stellen könnte. Ich bin vielleicht etwas aus der Übung, was das Flirten angeht. Aber er ist doch ach so interessiert an zwischenmenschlichen Prozessen und Verhaltensweisen. Was könnte ich denn sagen, wenn er mich das nächste Mal was fragt - was Persönliches meine ich, wenn er mir wieder mal einen "interpretationswürdigen Brocken" hinwirft?:
  • Du, das überfordert mich jetzt.
  • Du bringst mich echt aus der Fassung.
  • Ich arbeite so gerne mit Dir zusammen. Ich finde, dass es einfach gut passt.
  • Du verblüffst mich immer wieder.
  • Ich kann Dir das jetzt gar nicht sagen, aber frag mich morgen nochmal.
  • Nein, es geht mir nicht gut und ich würde Dir gerne erzählen warum.
  • Das musst Du mir unbedingt genauer erklären.
  • Das finde ich total spannend.
  • Erzähl mir mehr davon.
  • Wenn ich Dich so ansehe, fehlen mir manchmal die Worte.
  • Ich habe da ein Problem. Vielleicht kannst Du mir helfen?
  • Ich bin eine tiefgründige, warme, gefühlvolle Frau, auch wenn ich das aktuell nicht so zeigen kann.
  • Ich habe viele Baustellen.
  • Ich fühle mich in Deiner Gegenwart sehr wohl.
  • Ich würde Dir gerne noch andere Seiten von mir zeigen, denn Du kennst mich nicht mal annähernd.
  • Was auch passiert, das ändert nichts an unserer guten Arbeitsbeziehung.
  • Ich rede viel, wenn ich erstmal damit angefangen habe. Du hast das nur noch nicht erlebt.
  • Tschuldigung, ich war gerade von Dir abgelenkt. Kannst Du das nochmal sagen?
  • Ich muss Dir etwas sagen, dass ich schon seit einiger Zeit mit mir herumtrage. Zuerst habe ich mich sehr dagegen gewehrt und wollte es nicht wahrhaben. Ich hatte und habe auch Angst wie das, was ich Dir jetzt sage, unsere Beziehung verändert, aber ich sehe immer klarer, dass ich zu meinen Gefühlen stehen möchte. Flo, ich habe mich in Dich verliebt.
Ok, letzter Punkt geht eindeutig über die "interpretationswürdigen Brocken" hinaus und führt mich bereits in die Überlegung, was ich ihm über meine Gefühlsweilt sagen könnte. Ich fange an wirklich zu glauben, dass ich das tun muss und auch tun könnte. Wenn Worte meine Sprache wärn, hätte ich das wohl schon getan.
"Du bist die Erinnerung an Leichtigkeit, die ich noch nicht gefunden hab.
Der erste Sonnenstrahl nach langem Regen." 
Tim Bendzko 
Wortreiche Grüße,
Eure Eva!

Samstag, 20. Oktober 2012

Die Faszination von Waschvollautomaten



Es ist soviel passiert, nur nichts Entscheidendes! Denn irgendwie kann ich ihm nichts Entscheidendes zeigen und bleibe stets an der sicheren und unverfänglichen Oberfläche.



Anfang der Woche fragte ich mich noch, ob er mit mir flirtet. Dann war ich mir ziemlich sicher, dass er das tut, aber dass er es auch mit allen anderen tut, was genau genommen nicht viel Informationsgewinn bringt. Und dann begegnete er mir morgens im Treppenhaus. Ich ging dort mit einer Stationsschwester entlang als Flo auf der OP-Ebene zu uns stieß. Sofortiger Schmetterlingsruck in meinen Bauch inklusive. Unser Gesprächsthema: Die Vor- und Nachteile von Kurzsichtigkeit und was man dagegen tun kann. Eben ein Treppenhausgespräch. Flo stieg mit ins Gespräch ein, kombinierte scharf und fragte, ob ich denn etwa kurzsichtig sei. Ich bejahte das kurz, aber in mir überschlug es sich, weil mir klar wurde, dass er an einer persönlichen Information über mich interessiert ist. Was kommt jetzt? lechzte es in mir. Er erwiderte darauf neckend "Aber nur von den Augen her." ... Waaa....? Ich war nicht fähig zu sprechen (ein Phänomen, was er ständig bei mir auszulösen scheint), sondern warf ihm einen verstehenden, geneckten, lächelnden Blick zu. Was hat er vor? Will er mich irgendwie aus der Reserve locken? 

Seit gestern Abend, an dem unsere Jubiläumsfeier stattfand, hat das "aus der Reserve locken" eine neue Qualität erreicht. Ich denke nun, dass er mich ganz gerne aus meinem Schneckenhaus herauslocken und mir irgendwelche Reaktionen entlocken möchte. Und das ist schwierig, weil ich verständlicherweise in seiner Gegenwart nicht locker lassen kann. Nicht mal mit Alkohol im Blut, wovon er ordentlich und ich mäßig getankt hatte. Ich dachte immer nur: Tue nichts, was Dir morgen leid tut! Und so war es ein wirklich schöner Abend, bei dem das Einzige, was er mir entlocken konnte, die Information war, dass meine Mutter Schuhverkäuferin gewesen ist. Das übertrifft sogar den Satz "Ich habe eine Wassermelone getragen." aus Dirty Dancing. Meine Gesten waren denke ich ganz ok. Ich konnte ihn lange ansehen, hielt seinem Blick stand. Wir unterhielten uns ohne wirklich tiefgründig zu werden, obwohl er das gerne geworden wäre. Er hats nicht so mit körperlicher Distanz und je mehr Wein er getrunken hatte, desto geringer wurde sie. Gegenüber allen! Und so kam ich ihm so nah wie noch nie, denn bei der Fotoaktion stand ich neben ihm und damit alle aufs Bild passten, mussten wir enger zusammenrücken. Ich spürte sogar seine borstigen Haare an meinen. Beim Essen saß ich ihm gegenüber, getrennt nur durch eine minimalistische Tischdekoration. Wir unterhielten uns in einer kleinen Gruppe. Thema Stimmungskiller. Immer gerne genommen: das Wetter. Um dem Ganzen noch einen intelligent-lustigen Anstrich zu geben, zitierte ich 

Hirschhausens Schlechte-Laune-Kurzcheck
Wenn Du schlechte Laune hast, solltest Du Dich fragen, welcher der 5 größten Stimmungskiller Dich befallen hat:

1. Wann hast Du zuletzt gegessen?
2. Wann hast Du Dich zuletzt bewegt?
3. Wann hast Du zuletzt geschlafen?
4. Mit wem?
5. Und warum?
Allgemeines Gelächter und er darauf: "Dann wissen wir ja jetzt, warum wir gute Laune haben." Daraufhin kann sich bei mir nur der altbekannte Knoten im Gehirn einstellen. Ich war unfähig zu sprechen. Flo setzte noch einen drauf (Hat er mich bald soweit, dass ich mich doch provozieren lasse?) indem er süffisant grinsend bemerkte, dass er mir die ganze Zeit so "interpretationswürdige Brocken" hinwerfe und ich nicht darauf eingehen würde. Und das ich wohl eher ruhig sei. Na, das ist ja nun wirklich eine Erkenntnis, Herr Dr. Ich konnte auch wirklich nicht viel blicken lassen, da ich Angst hatte, meine ganze Fassade würde einfallen. Das wäre mir vor ihm fast egal gewesen - wo er doch so verzweifelt versuchte herauszubekommen, was das Geheimnisvolle an mir ist -, aber eben nicht vor den anderen. Er erwartete offensichtlich, dass ich irgendwas Kluges, Therapeutisches zu seinen „interpretationswürdigen Brocken“ sage. Keine Ahnung. Es war die ganze Zeit irrsinnig aufregend und angenehm. Er wollte mich sicherlich etwas herauslocken, akzeptierte dann aber auch meine Grenzen. Er genoss es offensichtlich, der einzige Mann in der Runde zu sein. Betonte immer wieder sein Y-Chromosom, wenn es darum ging seine männertypischen Verhaltensweisen zu erklären. Er hat das schon sehr betont. Warum bloß? Muss wohl den Mann heraushängen lassen bei den vielen Frauen. 
Ich blieb bis zum Schluss, wollte ihm wenn nicht durch Worte, dann doch zumindest durch meine Anwesenheit zeigen, dass ich sehr gerne in seiner Nähe bin. Er hatte viel Wein getrunken und das merkte man auch seinen Reaktionen an. Stichwort: schwindende Distanz. Und dann konnte er auch wieder ganz ernst über Patienten sprechen. Ich merkte richtig wie ich mich sicherer fühlte, wenn es um berufliche Themen ging, dabei will ich doch nichts mehr als mich privat mit ihm unterhalten. Zuletzt waren nur noch er, ich und die Verwaltungsleiterin da, die zum Aufbruch drängte. Flo und ich verschwanden brav nochmal auf die Toilette - getrennt natürlich. Als ich aus der Damentoilette wieder heraus kam und meine Jacke überstreifend an der Herrentoilette vorbeiging, kam er seinem Alkoholkonsum entsprechend aus seiner Toilettentür etwas ungestüm herausgestürzt und zwang mich so zu einem schreckhaften Hüpfer zur Seite. Wir mussten beide über die blöde Situation so lachen, man könnte fast sagen kichern. Wie so oft gestern abend. 

Wir traten aus der Party-Location hinaus in die nächtliche Atmosphäre der Stadt. Nicht auszudenken, wenn ich mit ihm allein gewesen wäre. Aber da war ja noch die Verwaltungsleiterin, der auf dem Weg zur Bahn einfiel, dass sie ihrem Sohn unbedingt Batterien für sein ferngesteuertes Auto mitbringen sollte. Als Therapeutin und Mutter hatte ich sofort Verständnis dafür, so dass wir in den wie gerufen kommenden ständig offenen Media Markt hineinstürmten. Flo und ich ihr immer hinterher. Durch die Waschmaschinenabteilung. Dort fing er plötzlich an, mir die Vorzüge von Miele-Waschautomaten zu erklären. Er schwärmte für die Waschmaschine, die sich wie ein Kaffeevollautomat selbst mit Waschpulver versorgt und in der Trommel diese Wabenstruktur (er animierte mich die Waschtrommel abzutasten, was ich natürlich tat – ein sinnliches Unterfangen) hat, damit die Wollpullover keine Fuseln bekommen. Was ist sein Problem? Und woher weiß „Mann“ denn so etwas? Ich fragte ihn kichernd, ob er gerne Waschmaschinen verkaufen würde. Er darauf "Als Arzt musst Du alles verkaufen können." Daran war nun wieder mehr Wahrheit als mir lieb war. War das eine traurig, tiefgründige Feststellung von ihm und seinem Berufsbild? Ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn schon drückte er mir eine immens schwere Küchenmaschine in die Hand. Ich sollte sie mal anheben und mich von ihrem Gewicht überzeugen. Sie war sauschwer. Ich ging unter ihr fast in die Knie. Diese Maschine würde sich selbst auf höchster Mixstufe keinen Millimeter verschieben schwärmte Flo. Eine Alternative wäre auch anschrauben, wenn man auf unverrückbare Küchenmaschinen steht dachte ich mir. Ich sah ihm fasziniert zu, bei dem, was er so in der Geräteabteilung trieb. Es war schon skuril. Was hat er? Einen Küchenmaschinen-Fetisch. Er war auf jeden Fall betrunken. Und teilweise erinnern mich seine gelockerten Verhaltensweisen an einen Typ Mann: ein bisschen Glamour, gute Manieren, der Hang zu gutem Essen und Wein, der Hang zum Zwang. Sind das nicht jene Männer, die damit kokettieren, aus dem engen Korsett ihrer besseren Gesellschaft wenigstens temporär hinauszutreten, dies aber nie tun? Vielleicht hatte ich gestern die Gelegenheit, etwas von seiner wahren Persönlichkeit kennenzulernen. Er war immer noch sehr nett und so, aber es stammte doch alles deutlich aus einer glamourösen Welt, in der Stilfragen sehr wichtig sind. Ich weiß nicht, ob ich da hineinpasse und hineinpassen will. Es glitzert so schön. Ich kann mir das aber auf Dauer nicht vorstellen. Ach ich weiß nicht. Sicherlich fällt es mir schwer das realistisch einzuschätzen. Vielleicht werde ich in einem halben Jahr froh sein, dass ich ihm meine Gefühle nicht gestanden habe. Vielleicht werde ich aber auch umso verzweifelter sein. Ich muss deutlicher ihm gegenüber werden - wenn er nüchtern ist. Insofern war es gut, dass ich gestern keine großen Enthüllungen fallen lassen habe. Es hätte mir heute leid getan. Ich habe den Abend genossen, ging mit ihm und der nun batteriebeladenen Verwaltungsleiterin noch bis an die Straßenecke. Dort verabschiedeten wir uns. Frau Z. fing an mit Küsschen rechts - Küsschen links. Auch so eine glamouröse Art, sich zu verabschieden, die nichts mit wirklicher Nähe zu tun hat. Aber ich genoss es natürlich, mich genauso von meinem Flo zu verabschieden: Küsschen rechts - Küsschen links und dabei eine kleine Umarmung. Alles dem Protokoll entsprechend. Ich spürte seine Bartstoppeln an meiner rechten Wange. Ich hoffe er spürte auch was von mir. Nicht auszudenken, wenn ich mit ihm allein gewesen wäre. Manchmal wünsche ich mir, dass wir es gewesen wären und dann finde ich es wieder sehr beruhigend, dass Frau Z. dabei war.
Es war ein sehr netter Abend. Ich hoffe meine Verschlossenheit macht ihn eher neugierig als gelangweilt. Ich war nach so viel Kontakt zu ihm so aufgewühlt, dass ich heute Nacht nur 2 Stunden geschlafen habe. Ich konnte einfach nicht zur Ruhe kommen. Ich bin körperlich sehr erschöpft, und auch frustriert und sehne mich nach ihm. Es geht mir nicht gut damit. Ich bin unzufrieden. Ich hoffe es wird besser. Hängt wohl von meinen Taten ab. Nur, was ist das Richtige? Richtig gibts nicht, sondern nur es nicht getan zu haben. Hast Du alles getan? Wenn nicht, fang an.

Dienstag, 16. Oktober 2012

"Only a crack in this castle of glass"

Ich habe kaum Gelegenheit zu schreiben, obwohl ich randvoll bin mit Eindrücken. Und zwischen diesen vielen Eindrücken geht ein ziemlich tiefer Riss mitten durch mich hindurch. Ich will und ich bin beides: auf der einen Seite die Sicherheit und die Geborgenheit; auf der anderen Seite die Aufregung und das Feuer.




Ich erlebte ein wunderschönes, entspanntes Wochenende. Essen gehen mit Konstantin und Kai, ganz leicht und lustig, gemeinsamer vertrauter Alltag, liebgewonnene Marotten, Frauenabend mit Freundinnen und die letzte Folge Emergency Room. Ja, aus der ursprünglichen Motivation heraus, auf andere Gedanken zu kommen, hatte ich vor drei Monaten damit begonnen, mir die Notaufnahmen-Kultserie nochmal von Anfang an anzusehen. 15 Staffeln! Wie mir bald bewusst wurde, führte ich mich mit diesem Ansinnen selbst an der Nase herum, denn man kommt nicht wirklich auf komplett andere Gedanken, wenn man sich schätzungsweise 300 Folgen einer Krankenhausserie mit ihren zwischenmenschlichen Irrungen und Wirrungen ansieht. Spannend war es trotzdem. Und zum Ende hin hätte ich wahrscheinlich selbst auf einer Notaufnahme arbeiten können, denn ich wusste ziemlich genau, wann wieder das Thorakotomie-Set zum Einsatz kommt.
Und in der Klinik liebe Worte und ein Extrabesuch von Flo, der sich ganz spontan und auf mein Drängen hin, ein Buch von mir ausgeliehen hat. Fange ich am besten gestern an, wo ich Flo fast den ganzen Tag nicht gesehen hatte. Ein katastrophaler Mangel an Ereignissen, der - je weiter der Tag fortschritt - mich eingehen liess wie eine verdurstende Pflanze. Ja, es ist Durst und es ist Hunger! Gegen Ende der Woche wird das meist sogar noch schlimmer, weil ich dann Sorge habe, dass bald Wochenende ist und ich Flo nicht sehen kann. Ich überlegte mir wie ich doch noch zu meiner Dosis Flo kommen könnte und beschloss ihn zu suchen und nochmal auf seinen Fortbildungsbeitrag anzusprechen. Ich fand ihn im Aufenthaltsraum, wo er gerade mit ein paar anderen Leuten saß und ich sagte ihm, dass ich ihn erstmal für November eingeplant habe. Das sei ok und er habe auch schon Ideen für die Umsetzung. Und dann wäre ja da noch die Referentenbeschreibung, verwickelte ich ihn weiter ins Gespräch. "Denk Dir was aus." sagte er grinsend. Er flirtet definitiv mit mir, aber er flirtet mit allen! Ich entgegnete, dass ich dazu ein bisschen mehr über ihn wissen müsse. Was ich mir denn so vorgestellt habe fragte er mit exponentiell steigendem Grinswert. Seine private Telefonnummer, seine Hobbys und Vorlieben, was er so denkt, was sein Herz begehrt, was ihn an Frauen interessiert, ob ich ihn interessiere ... stellte ich mir als Antwort auf seine Frage vor. Seit wann er arbeite usw. antwortete ich. So erfuhr ich, dass er seit 2003 in seiner Spezialisierung tätig ist. Wir beschlossen, dass es besser klingen würde, wenn wir einfach "langjährig" schreiben. Und das wars dann auch. Ich hatte mir meine Dosis Flo abgeholt, war nun in guter Stimmung und zog wieder ab. Das hat schon was von einem Methadon-Substitutionsprogramm. Wobei, wo ist hier die Substitution? Ich bediene mich doch eindeutig an der Droge selbst.
Später ging er wie so viele Male nochmal an meinem Zimmer vorbei, doch dann hielt er inne, kam zurück und HEREIN! Umso schöner weil es 1. überraschend war und 2. von ihm ausging. Er hatte keinen bestimmten Grund, fragte nach meinen Plänen für den Nachmittag und was ich am Computer mache. Unglücklicherweise aktualisierte ich gerade eine total zwangsgestört aussehende Excel-Datei, aber das dürfte ihm ja bei seinen zwanghaften Ambitionen bekannt vorkommen. Er entdeckte meinen Zeitungsartikel mit dem Riesenbild von mir an der Pinnwand und betrachtete und lass ihn aufmerksam mit der Bemerkung durch, dass er das ja gar nicht wusste. Und dann kokettierte er mit seiner eigenen Rechtfertigung, dass er ja schließlich im Urlaub gewesen sei. Aha! Geht er also doch auf meine Zwischentöne ein und greift den mittlerweile Running Gag zwischen uns auf? Ich gerate mehr und mehr in die Lage, nur noch reagieren zu können, weil ich in seiner Gegenwart einfach einen Knoten im Gehirn habe und wie gelähmt bin. Es ist scheußlich, aber es ist so. Ich würde mir gerne schlagfertige Wortspiele mit ihm liefern. Danach fallen mir immer die besten Sachen ein, aber in seiner Gegenwart bin ich wie blockiert.
Auf seiner Erlebnistour durch mein Büro entdeckte er wieder mein Buch "We are what we do" auf dem Schreibtisch, dass ihm schon einmal ein schlechtes Gewissen beim Kauf von Plastiktüten beschert hatte. Coolerweile kam ich trotz Knoten im Gehirn auf die Idee, es ihm mitzugeben und schlug ihm das sofort vor. Er nahm das Angebot vorsichtig an, "aber nur übers Wochenende." Ob ich die verschiedenen Abbildungen der zwei badenden Männchen gesehen habe? Zwei Männchen probieren in der Wanne alle möglichen Stellungen aus, um Wasser zu sparen. Schon etwas anzüglich. Wir amüsierten uns darüber. Oder war das eine Anspielung? Oder einfach nur Zufall? Ich kann das bei ihm schlecht einordnen. Bei mir setzt wirklich die Großhirnrinde aus, wenn ich ihm begegne. Wenn ich nur daran denke, fange ich schon wieder leicht an zu hyperventilieren.


Okay, wie kann ich mich ablenken? Was bedeutet wohl das A. in „Dr. Florian A. Mollis“? Vornamen mit A: 
Andreas
Ansgar
Alexander
Albert
Artus (und die Ritter der Tafelrunde)
Adonis (hihi)
Adalbert (bestimmt)

Ach...
Atemberaubende Augenblicke mit einem
Außergewöhnlich attraktiven Arzt, den ich
Anmutig anbete.
Ach…

Fazit: Meine Ablenkungsversuche sind nicht zielführend. Ich kann und ich will mich nicht ablenken. Das fällt wohl in die Kategorie Obsession. Und doch macht das doch alles keinen Sinn. Wo soll, wo kann das hinführen? Ich sollte es - das Gefühl - solange genießen wie es geht (Vor allem bis zum Freitag, an dem unser Klinikjubiläum gefeiert wird.) und dann Abstand zu ihm - Flo A. - halten und die Hände von ihm lassen. Irgendwas sagt mir, dass das nicht gut gehen kann. Ich habe mir nochmals überlegt wie viele Menschen ich mit meiner Wahrheit verletzen würde. Ganz zu schweigen von dem ruinierten Arbeitsklima. Bei meinen ausführlichen Schilderungen über Flo, unsere Begegnungen und meine Gefühle dazu könnte der Eindruck entstehen, dass ich ganz skrupellos und abgebrüht bin. Aber ich kann Euch versichern, dass ich einen stetig wachsenden moralischen Rucksack mit mir herumtrage. So schwer, dass es mich bald zerreisst. Ich bin eben nur ein Riss im Glas, der schwer bis gar nicht zu erkennen ist. Weder für Konstantin, noch für Flo. 

"Cause I'm only a crack in this castle of glass
Hardly anything there for you to see."
LINKIN PARK

Schwere Grüße,
Eure Eva