Freitag, 21. September 2012

Beseeltes Geld

Wieder ein paar Tage später und immer noch nicht weiter. Oder doch ein bisschen weiter? Es scheint einen umgekehrt proportionalen Zusammenhang zwischen der Dauer der Trennung und der Intensität der Sehnsucht zu geben. Je länger ich von ihm getrennt war, desto weniger machte es mir was aus. Oder noch einfacher: Aus den Augen, aus dem Sinn!



Konstantin, Kai und ich verlebten einen wunderschönen Kurzurlaub fernab von Großstadt und Kleinbürgerlichkeit. Es begann schon damit, dass ich an der Autobahn das letzte abgeben musste, was mir von Flo geblieben war: einen 5-Euro-Schein. Das kam so: Flo hatte mir den Schein für das Geburtstagsgeschenk einer Kollegin, für die ich mich als Sammelstelle bereiterklärt hatte, gegeben. Aus irgendeinem Grund bewahrte ich den 5-Euro-Schein auf. Es ist mir ein bisschen peinlich einen Geldschein deshalb aufzubewahren, weil ich ihn von einem besonderen Menschen bekommen habe. Und es war absurd, ihn nicht mit den anderen Geldscheinen in meinem Portemonnaie zu vermischen. Was ist mit den anderen, seelenlosen Scheinen in meiner Geldbörse? Kamen die sich benachteiligt vor? Ist das bei aller Peinlichkeit überhaupt nachvollziehbar? Ich meine: Es ist nur Geld, das er vermutlich ganz schnöde an der Supermarktkasse, an der Tankstelle, im Feinkostladen, in der Kantine oder sonst wo als Wechselgeld bekommen hat und das er vielleicht 3 Sekunden angefasst hat. Eine Freundin erzählte mir mal, dass sie den Eisstiel, der zu dem Eis gehörte, was ihr Objekt der Begierde mit ihr zusammen gegessen hatte, aufgehoben und mit Datum versehen habe. Wahrscheinlich lungern in Euren geheimen Schubladen auch solche Reliquien. Was hebt Ihr so an Gegenständen mit rein sentimentalem Erinnerungswert auf? Fahrkarten, Eintrittskarten, eine Post-it-Notiz oder einen Einkaufsbon, den man sich nicht mal traut öffentlich zur Schau zu stellen? Welche Erinnerungen sind an diese profanen Gegenstände geknüpft? So in der Art war das auch mit seinem 5-Euro-Schein. Als Konstantin, Kai und ich auf der Autobahn an der weit und breit einzigen Raststätte hielten, um uns einen Imbiß zu genehmigen, war es soweit. Das unbeseelte Bargeld in meiner Börse reichte nicht für den fürstlichen Imbiss aus, so dass ich an den beseelten Schein heranmusste. Klar hätte ich ihn aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen sicherstellen können. Oder ich hätte vorbereitet sein können, mit Karte zahlen oder einfach mehr Bargeld dabeihaben können. Vielleicht aber wollte mein Unterbewusstsein mich schon zu diesem Zeitpunkt auf die Probe stellen. In dem Moment als ich den Schein aus der Hand gab, war es schon irgendwie eine Entscheidung gegen Flo und für Konstantin und meine Familie. Zumindest in meinem Kopf. Es klingt ziemlich absurd, wenn ich das hier aufschreibe. Es war der klägliche Versuch, etwas von Flo zu bewahren. Etwas von dem ich wusste, dass ich es besser nicht bewahren sollte. Und so geht der Schein nun weiter auf Reisen, vielleicht mit einem Trucker hinter die Sonnenblende geklemmt. Und keiner wird mehr wissen, dass es einst sein Schein war. So gehen beseelte Gegenstände und Gefühle dahin, ziehen zur nächsten Person oder lösen sich in nichts auf. Ob das so bleibt, sehe ich in der nächsten Woche.

Beseelte Grüße,
Eure Eva

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