Dienstag, 11. September 2012

Berufungs-Check

Was für eine Motivation heute auf die Arbeit zu gehen. Nämlich gar keine. Ich hätte es nicht gedacht, aber es macht langsam einen erheblichen Unterschied, ob er da ist oder nicht. Und er ist ja nicht da! Noch die ganze Woche. Und danach ist er zwar wieder auf der Arbeit, aber ich bin im Urlaub. Genau genommen sprechen wir hier also von 12 Tagen ungebremster Sehnsucht. Ist das Sehnsucht? Oder Entzug? Oder Craving? 



Und wie habe ich das vor Flo gemacht? Was hat mich da motiviert, auf die Arbeit zu gehen? Die grundsätzliche Arbeitsmotivation ist schon auch da: die Idee etwas total Sinnvolles zu tun, den Menschen zu helfen, ihnen beizustehen, wenn ihnen kaum jemand mehr beistehen kann. Nur wirkt ohne ihn alles grau. Schnelle Hilfe durch Hirschhausen, der einen Berufungscheck vorschlägt:

1. "Freue ich mich am Morgen auf etwas anderes als die Pausen und den Feierabend?" [Ja, das lässt sich nicht abstreiten. Bisher freute ich mich auf die menschlichen Begegnungen auf meiner Arbeit, jetzt freue ich mich hauptsächlich auf die Begegnung mit einem bestimmten Menschen - während der Pause, während der Arbeit oder zum Feierabend -  das ist mir ganz egal.]

2. "Würde ich das, was ich für Geld tue, auch ohne Bezahlung tun?" [Yes, wenn irgendwie meine Unkosten gedeckt wären.]

3. "Macht die Arbeit für mich Sinn? Und für andere auch?" [Die Arbeit macht für mich großen Sinn. Und noch schlimmer: für andere auch. Und gerade für Flo macht sie ganz besonders Sinn.]

4. "Denke ich: "Erst die Arbeit und dann das Vergnügen", oder macht mir mein Job auch währenddessen Freude?" [Arbeit ist ja in diesem Fall Vergnügen.]

5. "Nutze ich meine wesentlichen Stärken in meiner Arbeit?" [Wenn damit meine therapeutischen, empathischen Fähigkeiten hilfsbedürftigen Menschen gegenüber gemeint sind, ja. Wenn damit meine Fähigkeiten gemeint sind, mit verliebten Gefühlen umzugehen, wohl eher: Neinjaichweissnicht!]

6. "Bekommt es jemand mit, wenn ich mich anstrenge?" [Flo bekommt ja so ziemlich alles mit, warum nicht auch das?]

7. "Bekomme ich mit, wenn jemand mitbekommt, dass ich mich anstrenge?" [Gute Frage. Die Antwort würde mich auch interessieren, wobei mich viel brennender interessiert: Bekomme ich mit, wenn Flo mitbekommt, dass ich auf ihn stehe?]

8. "Bin ich überfordert oder unterfordert?" [Mhhh...war ich etwas unterfordert und habe mir Flo dazugeholt, damit es interessanter wird?]

9. "Lerne ich noch etwas dazu?" [Oh ja, jeden Tag.]

10. "Wenn ich nochmal von vorn anfangen könnte - würde ich sowas wieder machen?" [Ja! Und mit Flo: Jaaaaa!]

11. "Arbeite ich mit Menschen, mit denen ich gerne zu tun habe?" [Öhm... "gerne zu tun haben" ist wohl etwas untertrieben.] 

12. "Trage ich zu einem Wert bei, der größer ist als ich, der über mich hinausweist, der auch weiter Bestand hat, wenn ich nicht mehr dabei bin?" [Ja, und das schon vor Flo. Und vermutlich geht das Ganze auch ohne uns beide.] 


Ich glaube nicht, dass Hirschhausen seinen Berufungscheck so gemeint hat. Wahrscheinlich bräuchte ich auch eher einen Liebescheck, denn Gefühle verfälschen offensichtlich die Berufung: Wenn ich etwas gerne tue, dann tue ich es noch lieber, wenn ich von Menschen, die ich mag, umgeben bin. Begegnen mir auf der Arbeit mir unsympathische Menschen, so mag das den Eindruck meiner Tätigkeit schmälern, aber nichts Grundlegendes daran ändern. Wenn ich etwas ungern tue, dann kann ein netter Kollege diese Tätigkeit wohl etwas aufwerten. Aber wenn ich etwas ungern tue und das auch noch mit Menschen, die ich nicht leiden kann, ist irgendwas grundlegend verkehrt. Mein "Problem" ist ja nun aber gerade, dass sich meine Arbeitsmotivation mit Flo potenziert. Müsste sich doch jeder Arbeitgeber drüber freuen. Macht das Sinn? Und wenn ja, wie soll das funktionieren? Dass eine Arbeit leichter von der Hand geht, wenn Du ständig umgeben bist vom Objekt der Begierde ist klar. Oder doch nicht? Könnte ja auch das Gegenteil bewirken. Nämlich dass man nicht mehr weiss, was man da tut. Also doch nicht so arbeitgeberfreundlich? Oder möchte ich Flo nur gefallen und lege mich deshalb so ins Zeug? Na, das nehme ich doch nun mal als feststehend an. Natürlich möchte ich ihm gefallen!

Er fehlt mir. Ich hätte ihm gerne den Artikel von mir gezeigt, der heute in der Zeitung erschien. Ich hätte gerne, dass er meinen Vortrag gehört hätte. Ich wäre gerne mit ihm auf die Visite gegangen und hätte ein bisschen geflirtet. Ok, ich will ihm eindeutig gefallen. Ich hoffe, er vergisst mich in seinem Urlaub nicht. Das ist absurd. Wie soll er etwas vergessen, von dem er gar nichts weiss? Einziger Trost ist, dass es ihm am Urlaubsort wohl sehr gut gehen wird. Und das gönne ich ihm von Herzen. Das ist alles, was ich ihm wünsche. "I wish nothing but the best for you (two)" (Adele - Someone like you). Ich kann nur sagen, dass sich das schaurig-schöne Gefühl in der Magengegend - die Schmetterlinge - hält. Nichts zu merken von Extinktion. 

Ich bin schwer verliebt in eine Illusion, die nicht Wirklichkeit werden kann. 
Und doch hilft mir gerade diese Erkenntnis beim Schmachten. 
Da ich weiß, dass es nie Wirklichkeit werden kann, werden darf, 
kann ich mich so richtig schön hineinfallen lassen.

Bis bald,
Eure Eva

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen