Freitag, 25. April 2014

Zum Kotzen!

Liebe Mathilda,
 
nun bist Du bestimmt angekommen, wo Du ankommen wolltest. Mit meiner Klientin Frau Eilig ging es folgendermaßen weiter: Vielen Dank für Deinen Rat, den ich nochmal als Bestätigung gebrauchen konnte. In der Zwischenzeit hatte ich auch Betty davon erzählt. Sie war sehr interessiert und wir kamen drauf, dass die ganze Story wie aus einer Seifenoper klingt, von denen sie eindeutig zu viele gesehen hat. Sie ist da sehr umsichtig und brachte noch den Aspekt mit hinein, was wäre, wenn die Klientin während des Treffens mit ihrem Geliebten stirbt (in seinen Armen sozusagen) oder wenn sich beide in meinem Therapieraum, den ich als Asyl anbieten würde, suizidieren würden. Das klingt alles so absurd, dass ich es ernst nehmen muss. Suizidalität habe ich inzwischen abgeklärt und scheint nicht zu befürchten zu sein. Es geht ihr sehr schlecht. Ich muss das Treffen bald organisieren. Sie kam selbst drauf, es in der nächsten Woche anzupeilen. Ich habe meinen Chef informiert, dass es diese Konstellation gibt und ich dieses Treffen ermöglichen werde. Er stimmte zu. So ganz allein und im Geheimen wollte ich es dann doch nicht tun. Was mich insgesamt jetzt noch ziemlich aufregt, ist das Chaos in der medizinischen Behandlung hier. Natürlich ist das kein Standardpatientenfall, die Verunsicherung ist groß und das bemerken sowohl Frau Eilig als auch ihr Mann - der Apotheker -, der regelmäßig auf der Station ausrastet. Es mussten aus mir unerfindlichen Gründen mehrere Untersuchungen immer wieder verschoben werden. Zudem haben unsere Assistenzärzte gerade in eine andere Abteilung rotiert, so dass Routine mit den Neuen noch nicht erreicht ist. Und unsere beiden Korifeen (schreibt man das so?) operieren wie irre und sind den ganzen Tag im Saal verschwunden. Am Mittwoch war alles bereit für eine sogenannte intrathekale Chemotherapie, die hier schon eher die Ausnahme ist. Und warum auch immer wurde das wieder verschoben. Gestern dann - Klientin und Angehörige am Rande des Nervenzusammenbruchs - fand die Gabe dann in meinem Beisein statt. Frau Eilig hatte sich gewünscht, dass ich dabei bin und ich habe sie während der Punktion gehalten. Und was mich wirklich ankotzt, ist, dass sich unsere leitenden Ärzte seit Tagen drücken, mit ihr und der Familie zu sprechen. Einer schiebt es auf den anderen oder was weiß ich. Ich bin wohl besser über die Krankengeschichte informiert als die Mediziner um Frau Eilig herum, nur kann ich die Befunde ja schlecht weiterleiten. Ein einziges Chaos. Was mache ich also? Bin täglich mehrmals bei der Klientin, organisiere Betreuungspläne und den Hospizdienst. Heute ist Gott sei dank Dr. Radio wieder da, die sich dem Fall wohl annimmt. Es gibt keine Entschuldigung dafür, auch nicht für Prinz Flo, der weiter zuwächst und sich absondert. Hab ihn seit Tagen nicht gesehen und vermisse ihn auch nicht. Ist gerade nicht viel übrig von der so großen Menschlichkeit, die mich manches Mal so beeindruckt und zum Schmelzen gebracht hat. Und morgen das klinikinterne Symposium, wo sich dann alle wieder ihren Selbstdarstellungskünsten widmen können. Zum Kotzen!
 
Vielen Dank, dass ich mich hier entladen konnte. Ich drücke Dir die Daumen für Dein Seminar und freue mich, wenn wir unseres dann vorbereiten. Ich genieße die Sonne und habe Schuhe bestellt (rote Pumps).
 
Liebe Grüße,
Eva

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