Liebe Mathilda,
bei mir überschlagen sich diese Woche die Ereignisse, habe mir unvorsichtigerweise zu viele Termine aufgehalst. Eher angenehme Sachen, aber auch die können halt zu viel werden. Was heißt zu viel?
bei mir überschlagen sich diese Woche die Ereignisse, habe mir unvorsichtigerweise zu viele Termine aufgehalst. Eher angenehme Sachen, aber auch die können halt zu viel werden. Was heißt zu viel?
Ich muss noch immer an den Großen Gatsby denken. Wie war das? Unaufhörlich gehen wir weiter, nur um stets mit unserer Vergangenheit konfrontiert zu werden. Und die Vergangenheit kann man nicht zurückholen, wobei der Gatsby ja anderer Meinung ist. Aber wo hat ihn das hingebracht? Auf der Wasseroberfläche seines Pools treibend! Tot! Unsere kleine Unterhaltung am Ende des Films zum Thema "Manche Filme und Geschichten werden einfach nicht besser..." ging mir noch nach. Ich fand das sehr lustig und auch sehr treffend. Und so muss ich das wahrscheinlich auch bei Flo sehen: Es wird einfach nicht besser! Vielleicht schafft er mit seinem Bartwuchs das, was er durch sein Verhalten bzw. Nicht-Verhalten das ganze Jahr über nicht geschafft hat: dass ich ihn hässlich finde. Es wird wirklich jeden Tag schlimmer! Seine schönen Gesichtszüge werden von dem reudigen Bewuchs täglich mehr zugedeckt. Reudig deshalb, weil es nicht gleichmäßig wächst, sondern so freie Stellen mittendrin zu finden sind. Wie bei einer reudigen Katze halt. Ich mag das nicht mehr anfassen, was ich bei seinem glattrasierten Gesicht immer gerne getan hätte. Was bleibt also von dem schönen Mann? Die Augen. Wir hatten auch schöne Begegnungen diese Woche, solange ich ihm in die Augen guckte. 7 cm tiefer beginnt das Grauen, mit dem ich mich konfrontieren muss. Es ist fast so als würde mich das Leben anschreien: "Du musst Dir das angucken, damit Du endlich davon loskommst." Soviel ist klar: Das ist kein schöner Mann mehr! Aber ging es stets nur darum? Ging es nicht auch um die inneren Werte? Ein Totschlagargument wenn die Optik nicht mehr ausreicht. Es muss schon alles stimmig miteinander sein und das ist es wohl mit Bart nicht mehr. Frau Eilig - eine meiner Klientinnen - hat eine andere Theorie dazu. Sie, die eine Affäre hat, macht sich auf den Weg ins Sterben. So tragisch romantisch! Sie mutmaßt, dass es "nur" der Reiz des Neuen ist, der sie in die Affäre gelockt hat. Und ich gebe ihr die Stichworte "Aufregung / Neuheit" und "Sicherheit / Geborgenheit", auf deren Suche wir ständig sind und die irgendwie nicht miteinander vereinbar scheinen. Wie die beiden Marmeladengläser auf meinem Frühstückstisch. Letztendlich kommt es darauf an wie man alles für sich bewertet. Ist eine Affäre unmoralisch vor mir selber oder nicht? Vielleicht würde ja auch Fallschirmspringen genügen, um Aufregung ins Leben zu bringen. Die Klientin und ich sind da sehr nah beieinander und lernen voneinander. Ich gebe vermutlich zu viel von mir selbst preis, finde es aber einfach passend an der Stelle zu sagen "Ich würde nicht Fallschirmspringen..." Das mit der Affäre lasse ich offen.
Wenn man es also nicht so macht wie der Große Gatsby, weil das Leben für einen früh gewählten Tod einfach zu schön ist, wie macht man es dann? Wie schafft man es, sich selbst treu zu bleiben, zu seinen Gefühlen zu stehen und das zu akzeptieren, was nicht machbar ist? Und wer bestimmt, was nicht machbar ist? Bartträger? Es gibt offensichtlich immer noch Sachen, die ich noch nicht durchgewalgt habe.
Liebe Grüße von Eva
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